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# taz.de -- Ergebnis von Corona-Modellierungsstudien: Masken und Contact Tracin…
> Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aus dem Frühjahr wirkten sich sehr
> unterschiedlich auf die Infektionsdynamik aus.
Bild: Max-Planck-Schule in Kiel: Das Tragen von Masken ist doof, aber hilfreich
Berlin taz | Werden die Kitas, Schulen und Universitäten im Herbst oder
Winter wieder geschlossen? Die Grenzen erneut dicht gemacht? Versammlungen
verboten, Kontaktbeschränkungen erlassen und die Maskenpflicht ausgedehnt?
Das sind Fragen, die berechtigt erscheinen vor dem Hintergrund
kontinuierlich steigender Corona-Fallzahlen und der Furcht vor einer
sogenannten zweiten Infektionswelle mit Beginn der kälteren Jahreszeit.
„Das ist ohne Zweifel besorgniserregend“, sagte der
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) [1][erst vorigen Mittwoch im
Deutschlandfunk] und mahnte, jetzt „sehr wachsam“ zu sein.
Wäre die tatsächliche Wirksamkeit einzelner sogenannter
nichtpharmakologischer Interventionen (NPI), die während des Lockdowns im
Frühjahr zum Einsatz kamen, bekannt, dann ließe sich argumentieren, weshalb
manche dieser Maßnahmen demnächst möglicherweise erneut verhängt werden
könnten – und andere eher nicht wiederholt werden sollten.
Doch genau zu dieser Frage gibt es bislang nur wenige belastbare empirische
Daten. Entsprechende Anfragen der taz, welche Maßnahme aus dem Frühjahr
sich wie bewährt habe, ließen das Bundesgesundheits- und das
Bundesinnenministerium unbeantwortet.
Das Ministerium von Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) dagegen
teilte der taz mit, seit April den Forschungsverbund „Modellgestützte
Untersuchung von Schulschließungen und weiteren Maßnahmen zur Eindämmung
von Covid-19“, kurz Modus-Covid, mit 1,3 Millionen Euro zu fördern.
Das Projekt, an dem Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin, der
Humboldt-Universität zu Berlin und des Konrad-Zuse-Instituts Berlin für
angewandte Mathematik und High-Performance-Computing beteiligt sind,
untersuche die Wirkungen von nichtpharmakologischen Interventionen auf die
Infektionsdynamik. Daneben ziele das Vorhaben „auf ein besseres Verständnis
von Ausbreitungsdynamiken und Infektionsketten“ ab.
Dazu würden, so das Ministerium, „komplexe mathematische Simulationsmodelle
genutzt, um die Infektionsdynamik von Covid-19 im urbanen, regionalen und
bundesweiten Kontext zu untersuchen, die Reaktion der Infektionsdynamik auf
unterschiedliche Eingriffe zu testen und anschließend eine Bewertung der
Wirksamkeit dieser Eingriffe vorzunehmen“.
## Kontaktnachverfolgung ist die effektivste Maßnahme
Bislang untersucht wurden unter anderem die Einflüsse von Schul-, Kita- und
Universitätsschließungen, die Auswirkungen der Einschränkungen von
Freizeit-, Arbeits- und Einkaufsaktivitäten, das Tragen von Masken sowie
die Kontaktnachverfolgung infizierter Personen gefolgt von häuslicher
Quarantäne.
Dabei prüften die Forscher jeweils, welche Maßnahme zu welcher prozentualen
Absenkung der sogenannten Reproduktionszahl R führte. R gibt an, wie viele
Menschen ein Infizierter ansteckt. Als Faustformel gilt: Ist R kleiner als
eins, stirbt die Infektionsdynamik. Ist R dagegen größer als eins, wächst
sie exponentiell.
Die vorläufigen Ergebnisse sind aufschlussreich: Die Kontaktnachverfolgung
infizierter Personen, gefolgt von häuslicher Quarantäne, hat sich als
effektivste Maßnahme zur Eindämmung des Infektionsgeschehens erwiesen. Den
Simulationen zufolge senkte sie das jeweils vorherrschende R um 40 Prozent.
„Ein Zusammenbruch der Kontaktverfolgung muss also unbedingt vermieden
werden“, appellieren die Forscher in einem Bericht vom 19. Juni an das
[2][Wissenschaftsministerium].
Der Lockdown von Kitas, Schulen und Universitäten dagegen hatte offenbar
eine nur recht begrenzte Wirkung auf die Infektionsdynamik: „Weiterhin
auffallend ist, dass die Bildungseinrichtungen und Kitas eine eher kleinere
Rolle spielten“, schreiben die Wissenschaftler. „Eine vollständige Öffnung
aller Kindergärten, Schulen und Universitäten würde R laut unseren
Simulationen um 10 Prozent erhöhen, diese Wirkung ist geringer als
diejenige einer Wiederaufnahme von nur der Hälfte aller Freizeitaktivitäten
(Erhöhung von R um 15 Prozent), und deutlich geringer als diejenige einer
Aufgabe aller Schutzregeln am Arbeitsplatz (Erhöhung von R um 20 Prozent).“
## Bei Schulöffnungen sind die Erwachsenen das Problem
Dabei betonen die Wissenschaftler, dass sie „explizit keine andere
Ansteckungsdynamik für Kinder annehmen“. Ihre Ergebnisse beruhten lediglich
darauf, dass Schulöffnungen, „verglichen z. B. mit Aktivitäten vom Typ
Freizeit oder Arbeit, vor allem deutlich weniger Personen betreffen“.
Allerdings schreiben die Forscher auch, dass die Öffnung der
Bildungseinrichtungen möglicherweise „weitere die Infektionsdynamik
verstärkende Anschlusswirkungen nach sich ziehen“ würde. Der Grund: Eltern,
die ihre Kinder fortan nicht mehr daheim betreuen müssten, würden
ihrerseits vermutlich wieder häufiger „an aushäusigen Arbeitsaktivitäten“
teilnehmen. Auch hätten Schulöffnungen möglicherweise „eine Signalwirkung
im Sinne von ‚die Gefahr ist überstanden‘“.
Das heißt im Umkehrschluss: Nicht die Schul- und Kitakinder, die über fünf
lange Monate keinen Präsenzunterricht hatten, sind das Problem, sondern
vielmehr die Erwachsenen.
## Masken verlangsamen die Inferktionsdynamik
Das Tragen von Masken führte ebenfalls zu einer merklichen Verringerung der
Infektionsdynamik. Die Simulationen zeigten, dass R um 5 Prozent gesenkt
wurde, wenn beim Einkaufen sowie im öffentlichen Verkehr die Hälfte aller
Personen Stoffmasken und weitere 10 Prozent OP-Masken trugen. Trugen
dagegen 90 Prozent aller Personen beim Einkaufen und im öffentlichen
Verkehr die weitaus besser schützenden FFP-Masken, dann konnte R um 10
Prozent gesenkt werden. Trugen 90 Prozent aller Personen FFP-Masken bei der
Arbeit, dann senkte diese Maßnahme R um 20 Prozent.
Das Bundeswissenschaftsministerium weist darauf hin, dass die
Untersuchungen „wie alle Modellierungsstudien Simulationen vornehmen, in
denen viele Annahmen eingehen, die empirisch nicht komplett überprüft
werden können, sondern auf Erfahrungen und auf der bestehenden Literatur
aufbauen“. Insofern gingen die Ergebnisse mit „einer gewissen Unsicherheit�…
einher.
Empirische Daten, räumt das Ministerium ein, „wären zuverlässiger, liegen
aber nicht vor, da in keinem Land bisher nur eine einzige Maßnahme
umgesetzt wurde und zudem Kontrolldaten fehlen“. Niemand könne folglich
sagen, was ohne Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen passiert wäre.
16 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/jens-spahn-cdu-zu-coronavirus-impfstoff-die-…
[2] https://www.bmbwf.gv.at/Themen/Forschung/Aktuelles/Corona-Studien.html
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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Schulbehörde Hamburg
Sandra Scheeres
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