| # taz.de -- Die Wahrheit: Bärchenwurst forever | |
| > Was tun gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der deutschen | |
| > Fleischindustrie? Da hilft nur eins: Kinderarbeit. | |
| Bild: Kinder sollten bereits früh an das Arbeitsmaterial im Schlachthaus gewö… | |
| „Nein, ein Revolutionär bin ich nun wirklich nicht.“ Torben Löcker, der | |
| sympathische Autohauserbe aus Gehren bei Rheda-Wiedenbrück, ist bescheiden | |
| geblieben. Dabei würde seine Idee die unwürdigen Bedingungen für | |
| osteuropäische Arbeiter in der Fleischindustrie auf einen Schlag | |
| abschaffen. | |
| „Man könnte mein Konzept auf die griffige Formel ‚Babys statt Bulgaren‘ | |
| zuspitzen“, schmunzelt der Familienvater und startet routiniert die | |
| Powerpoint-Präsentation auf seinem iPad: „Während Kinderarbeit in vielen | |
| Gesellschaften bis heute ein selbstverständlicher Teil des | |
| Wirtschaftskreislaufs ist, wird dieses Thema hierzulande ja irrational | |
| tabuisiert“, klagt er und verweist auf seine Musterrechnung: „Unsere | |
| Rentenkasse hätte kein Finanzierungsproblem mehr, wenn nur jeder fünfte | |
| Dreijährige in Deutschland regelmäßig einer sozialversicherungspflichtigen | |
| Tätigkeit nachgehen würde.“ | |
| Dabei ist kaum eine Branche für das Erwerbsleben von Kindern so geeignet | |
| wie die Fleischindustrie: „Die meisten Kinder erleben einen Schlachthof | |
| ohnehin wie Disneyworld. Nur halt mit Blut. Viel Blut.“ Zudem sei das | |
| didaktische Konzept schon im zu verarbeitenden Produkt angelegt: „In einem | |
| bestimmten Alter interessieren sich Kinder nun mal sehr dafür, wie | |
| Lebewesen von innen aussehen. Da ist es doch besser, sie erfahren das | |
| hautnah bei einem frisch geschlachteten Schwein, als wenn sie das zu Hause | |
| an ihrem Hamster ausprobieren.“ Pädagogisch gesehen unterscheide sich das | |
| gekonnte Sauen-Filettieren kaum vom bunten Bällebad im Möbelhaus. Ganz | |
| beiläufig könne man den Nachwuchs so sehr anschaulich mit dem ewigen | |
| Kreislauf von Werden und Vergehen vertraut machen. | |
| ## Von innen heraus entbeinen | |
| Auch die Arbeitgeber würden von den sehr jungen Mitarbeitern profitieren, | |
| beteuert Löcker und bemüht seine nächste Folie: „Ein Dreijähriger ist | |
| ungefähr einen Meter groß. Also genau richtig, um in den Körper einer | |
| gerade geschlachteten Kuh zu schlüpfen und diese effizient von innen heraus | |
| zu entbeinen.“ Der praktisch unvermeidliche Einsatz von sehr scharfen | |
| Messern sei in dieser Altersgruppe zwar ein wenig „tricky“, räumt der | |
| frühere Jahrgangsbeste der Clemens-Tönnies-Gesamtschule ein: „Doch wer in | |
| der Wirtschaft 4.0 bestehen will, muss auch mal ‚out of the box‘ denken.“ | |
| Löcker beweist in der eigenen Familie, wie wunderbar sich eine glückliche | |
| Kindheit mit regelmäßiger Erwerbstätigkeit kombinieren lässt. Sein | |
| inzwischen dreijähriger Sohn Paul arbeitet fünfmal die Woche als | |
| Kommissionierer im örtlichen Supermarkt; und das, seitdem er krabbeln kann: | |
| „Aufgrund seiner Körpergröße ist Paul bestens geeignet, die unteren | |
| Regalfächer zu befüllen. Das entlastet seine erwachsenen Kollegen und kommt | |
| so allen zugute.“ Die Ausnahmegenehmigung des Jugendamts war kein Problem: | |
| „Der Sachbearbeiter ist schließlich Kunde in unserem Autohaus.“ | |
| ## Altersgrenze für Kinderarbeit senken | |
| Zusammengefasst ist Löckers Forderung simpel: „Einfach die Altersgrenze für | |
| Kinderarbeit von dreizehn auf drei Jahren senken. Den Rest regelt der | |
| Markt. Und eine Extrascheibe Bärchenwurst für alle.“ Der Geschäftsmann | |
| denkt bereits weiter: Die benötigten Arbeitskolonnen könnten unbürokratisch | |
| direkt über die Kindertagesstätten organisiert werden: „Dank der | |
| Gegenfinanzierung durch die Fleischindustrie kämen wir auch dem Ideal der | |
| beitragsfreien Kita wieder einen Schritt näher.“ Doch auch noch jüngere | |
| Altersgruppen sind für Löcker interessant: „Bekanntlich sind Kleinkinder ab | |
| dem ersten Lebensjahr für haptische Erfahrungen sehr offen. Das ist | |
| natürlich ideal beim Kükenschreddern.“ | |
| Der Unternehmer regt in diesem Zusammenhang auch eine Repositionierung der | |
| Branche an: „Unerklärlicherweise verbinden viele Menschen mit dem Begriff | |
| ‚Schlachthof‘ Tod und Tierleid, anstatt an das Naheliegende zu denken, | |
| nämlich an leckere Fleischdelikatessen.“ Diesem Eindruck könnte eine | |
| pfiffige Umbenennungen wie „Lass die Sau raus – Adventurepark“ | |
| entgegenwirken. | |
| Nun sucht Torben Löcker politische Verbündete für sein Konzept und denkt | |
| dabei vor allem an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU): | |
| „Wer so wie sie die Nutztierverordnung interpretiert, der dürfte auch mit | |
| Kinderarbeit kein Problem haben.“ | |
| 8 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Peters | |
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