# taz.de -- Kritik an Bewegungsdaten-Speicherung: Norwegen stoppt Corona-App | |
> Nach Kritik von Amnesty International löscht Norwegen die Daten seiner | |
> Corona-App. Die NGO hatte „gravierende“ Menschenrechtsverstöße angemahn… | |
Bild: Nicht Ansteckungsstopp, sondern Appstopp | |
Tälläng taz | „Smittestopp“, „Infektionsschutz“ heißt die norwegische | |
Corona-App. Mitte April hatte die Gesundheitsbehörde des Landes sie | |
lanciert, am Montag wurde sie gestoppt. Gleichzeitig wurden alle bislang | |
gesammelten Daten gelöscht. Oslo reagierte damit auf eine Untersuchung der | |
Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die „Smittestopp“ | |
zusammen mit Corona-Apps aus Bahrain und Kuwait „gravierende Verstöße“ | |
gegen die Menschenrechte vorgeworfen hatte. | |
Amnesty-ExpertInnen hatten ein Dutzend Apps zur Kontaktverfolgung | |
untersucht und waren zum Ergebnis gekommen, dass diese drei aus Norwegen, | |
Bahrain und Kuwait zu den „invasivsten Anwendungen gehörten“. Sie stellten | |
damit eine Gefährdung „der Privatsphäre, des Datenschutzes und der | |
Sicherheit von Hunderttausenden Menschen“ dar. Sie hätten einen | |
„aggressiven zentralisierten Ansatz“ und erfassten und speicherten die | |
Bewegungsprofile der NutzerInnen in Echtzeit. | |
Das deutsche Modell, das am Dienstag eingeführt wurde, könnte laut Amnesty | |
die Privatsphäre deutlich besser schützen, da es auf einer dezentralen | |
Datenspeicherung und Transparenz beruhe. Die Organisation regte zusätzlich | |
eine Gesetzesgrundlage an, die verhindern soll, dass die Funktionen der App | |
in Zukunft schleichend ausgeweitet werden oder die Freiwilligkeit | |
eingeschränkt wird. | |
In Oslo war man von Amnesty auf die Veröffentlichung der Untersuchung | |
vorbereitet worden und reagierte gleich vorab: Am Freitag teilte die | |
norwegische Datenschutzbehörde der Gesundheitsbehörde FHI mit, man wolle | |
die App verbieten, [1][worauf die am Montag bekannt gab, die Anwendung | |
werde mit unmittelbarer Wirkung gestoppt]. | |
## Trotz Mängel gab es in Norwegen erstaunlich wenig Kritik | |
Zwar war die Benutzung von „Smittestopp“ freiwillig, doch die App verstieß | |
gleich in mehrfacher Hinsicht gegen die Empfehlungen von | |
DatenschützerInnen. Sie basierte nicht auf Open Source, die Öffentlichkeit | |
hatte damit keinen Einblick, wie sie funktionierte. Über GPS-Tracking und | |
den Austausch von Bluetooth-Positionsdaten sich begegnender App-NutzerInnen | |
wurden die Bewegungsdaten aller durch ihre Telefonnummern identifizierbaren | |
NutzerInnen registriert und auf einem Microsoft-Speicher in Irland zentral | |
gespeichert. | |
Trotz der offensichtlichen Datenschutzmängel gab es in Norwegen erstaunlich | |
wenig Kritik an „Smittestopp“. Gesundheitsexperten drängten auf eine | |
umgehende Lösung. Es sei ja erst einmal nur ein örtlich begrenzter | |
Testbetrieb, über Verbesserungen könne man sich auch später Gedanken | |
machen. Das norwegische Menschenrechtsinstitut NMI bemängelte zwar unnötig | |
umfassende Eingriffe in die Privatsphäre und warnte vor „problematischen | |
Seiten“. Es urteilte aber, man habe die „Wahl zwischen Pest und Cholera“ | |
und deshalb sei die App ein „gangbarer Mittelweg“. | |
FHI-Direktorin Camilla Stoltenberg kritisierte den Stopp der App. Die | |
stelle natürlich einen Eingriff in die Privatsphäre dar, aber solange man | |
keine Immunität in der Bevölkerung, keinen Impfstoff und keine | |
medikamentöse Behandlung von Covid 19 habe, halte man diesen nicht für | |
unangemessen. Gesundheitsminister Bent Høie erklärte, er teile die | |
Einschätzung von Amnesty nicht: Es sei doch freiwillig, „Smittestopp“ zu | |
gebrauchen und die Menschen würden ja auch ständig kommerzielle Apps | |
benutzen, bei denen ähnlich sensible Daten erfasst und gespeichert würden. | |
Ob Norwegen nun eine neue App entwickeln wird, ist fragwürdig. | |
„Smittestopp“ überzeugte nämlich nicht. 1,35 Millionen Downloads gleich am | |
ersten Tag wiesen zunächst auf ein großes Interesse hin, doch in der | |
Folgezeit kletterte diese Zahl nicht über 1,58 Millionen. Die Zahl aktiver | |
NutzerInnen lag nie auch nur in der Nähe der von der Gesundheitsbehörde | |
erhofften Zahl von 60 Prozent der Bevölkerung. (mit afp) | |
16 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.fhi.no/nyheter/2020/fhi-stopper-all-innsamling-av-data-i-smitte… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Norwegen | |
Datenschutz | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechtsextremer Terror in Norwegen: Versäumt und verschleppt | |
Ein Bericht zum Moscheeattentat 2019 zeigt: Die Sicherheitsbehörden waren | |
gewarnt. Doch sie informierten nicht über die erhöhte Bedrohung. | |
Der erste Tag mit der Corona-App: Im Kampfmodus | |
Wie geht das mit der neuen Corona-Tracing-App? Wenn man sie erstmal | |
gefunden hat im App-Laden, ganz gut: Man mag gleich ein paar Datenspuren | |
legen. | |
Start der Corona-Nachverfolgungs-App: Besser als befürchtet | |
Die Corona-App soll helfen, die Pandemie einzudämmen. Ob man sie nutzt, | |
bleibt eine persönliche Entscheidung. | |
Die deutsche Corona-App: Bald wird Nähe gemessen | |
Kommende Woche soll es auch in Deutschland eine Corona-App geben. Wer sie | |
nutzt, erfährt, ob jemand in seinem Umfeld infiziert war. |