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# taz.de -- Sechs Fragen zum Covid-Impstoff: Immunantwort erbeten
> Warum die Bundesregierung Impfstoffe im großen Stil bestellt. Welche
> Rolle die EU dabei spielt. Und was Bill Gates damit zu tun hat.
Bild: Bei der Firma Curevac schaut ein Mitarbeiter auf einen Bakterienträger
1 Die Bundesregierung kauft einen Impfstoff gegen Covid-19, den es noch gar
nicht gibt. Ist das nicht voreilig?
Kommt auf die Perspektive an. Das schwedisch-britische Pharmaunternehmen
AstraZeneca (rund 19,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2018) bekommt gerade
massenweise Vorbestellungen für den Impfstoff AZD1222 rein. Die
Kaufwilligen sind ausschließlich Staaten oder Institutionen, die öffentlich
finanziert werden. Jüngst beugte sich „Europas Inklusive Impfallianz“ dem
Trend, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden.
Die Länder sicherten sich 300 Millionen Impfdosen (sagt
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn), vielleicht auch 400 Millionen (sagt
der Hersteller), die bis Ende des Jahres sämtlichen EU-Staaten zur
Verfügung stehen sollen.
Nun ist allerdings noch nicht erwiesen, dass das an der Universität Oxford
entwickelte Vakzin auch wirkt. Was nach Tests an 1.000 Proband*innen
bekannt ist: Geimpfte entwickeln relativ milde Nebenwirkungen, wie
Kopfschmerzen und leichtes Fieber. Und sie zeigen eine Immunantwort. Aber
erst der Kontakt mit dem echten Sars-Cov-2-Virus wird zeigen, ob und wie
sehr die Reaktion des Körpers auch vor dem Virus schützt. Derzeit werden
deshalb 10.000 Proband*innen geimpft, in dieser Phase ist bisher kein
anderer Stoff gegen Covid-19.
Weil die Krankheit in vielen Ländern weiterhin ungebremst grassiert, ist
Zeit ein entscheidender Faktor. Mit 450.000 Toten hat die Pandemie heute
bereits weltweit mehr Opfer gefordert als eine schwere Grippe-Epidemie. Ein
Ende des Sterbens ist nicht in Sicht, denn die Zahl der täglichen
[1][Neuinfektionen] nimmt laut Johns Hopkins Universität global weiterhin
zu. Angesichts dessen wäre es fatal, Produktionsstätten für einen Impfstoff
erst dann aufzubauen, wenn dessen Wirksamkeit komplett erforscht ist. Das
würde weitere wertvolle Monate kosten.
2 Die EU sichert sich also exklusiv einen Impfstoff und kauft ihn anderen
Ländern weg?
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin
Angela Merkel, haben sich auf eine weltgeistige Sprachregelung geeinigt:
Impfstoffe und Therapien gegen Covid-19 seien ein „gemeinschaftliches
globales Gut“, das allen zur Verfügung stehen müsse. Nach eigenen Angaben
kann AstraZeneca zwei Milliarden Impfdosen bereitstellen – unklar ist nur,
bis wann. Eine Milliarde davon soll vom Serum Institute of India, einem der
größten Impfstoffhersteller weltweit, für Entwicklungs- und Schwellenländer
produziert werden. AstraZeneca hat auch exklusive Verträge mit
Großbritannien, den USA und den beiden Impfallianzen Cepi und Gavi, in
denen jeweils zahlreiche Staaten, die Weltgesundheitsorganisation und NGOs
zusammenarbeiten. Auch die beiden Allianzen sollen exklusiv 700 Millionen
Impfdosen bekommen und weltweit verteilen.
3 Klingt gut, aber irgendwie auch wirr: Wer wird denn nun zuerst bedient
bei so vielen Exklusivverträgen?
Das weiß niemand. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert, dass es
keinen objektiven und fairen globalen Verteilungsmechanismus gebe. Außerdem
machte die Organisation in der Vergangenheit bei anderen Impfstoffen
schlechte Erfahrungen. Etwa bei einem gegen Pneumokokken, die
Lungenentzündungen verursachen. Da habe die Impfallianz Gavi sehr arme
Länder subventioniert, Schwellenländer mit mittleren Einkommen aber dem
Markt überlassen. Genau die, ein Viertel der Staaten weltweit, können sich
das lebensrettende Mittel bis heute nicht leisten. Das muss bei Covid-19
verhindert werden.
Positiv derzeit ist, dass mehr als 100 Institutionen an einem
Covid-19-Impfstoff forschen. Je mehr erfolgreich sind, desto mehr
Impfkonkurrenz gibt es, das drückt die Preise. 13 Impfstoffe werden bereits
an Menschen getestet. In Deutschland von dem Mainzer Unternehmen Biontech,
das mit dem Pharmakonzern Pizer zusammenarbeitet. Diese Woche hinzu kam das
Tübinger Unternehmen CureVac. Der erste Proband an der Uniklinik Tübingen,
ein junger Mann, ist bereits ausgewählt. Über 100 weitere Proband*innen
sollen folgen. Getestet wird in der ersten Phase aber nur, ob das Mittel
verträglich ist und ob der Körper mit einer Immunantwort auf die
verabreichte mRNA reagiert. Die regt Körperzellen zur Produktion eines
Proteins an, das sich auch an der Oberfläche des neuen Coronavirus
befindet. Der Körper bildet dann Abwehrstoffe gegen das Protein und die
könnten auch Sars-Cov-2 bekämpfen. Ob das klappt wird aber erst in Phase
zwei getestet. Dann müssen Versuchspersonen auch mit dem Erreger in Kontakt
kommen. Mitte 2021 könnte dieser Impfstoff bei Erfolg zur Verfügung stehen.
4 Apropos CureVac. Warum ist Deutschland diese Woche bei diesem Unternehmen
eingestiegen?
Offenbar, weil die Tübinger selbst darum gebeten hatten, wie das
Bundesfinanzministerium mitteilte. Jedenfalls hat Peter Altmaier (CDU)
diese Woche verkündet, Deutschland sichere sich über die staatseigene KfW
Bankengruppe mit 300 Millionen Euro 23 Prozent an dem biopharmazeutischen
Unternehmen. Das ist nicht total ungewöhnlich: Die KfW beteiligt sich an
diversen privaten Fonds, die wiederum Start-ups mit Bezug zu Deutschland
finanzieren.
Eine direkte Beteiligung des Staates allerdings ist selten. Der
Bundeswirtschaftsminister begründete das vor allem industriestrategisch.
Altmaier will Schlüsselbranchen in Deutschland halten, Biotechnologie ist
laut seiner Industriestrategie eine Schlüsselbranche. Zur Illustration lud
er auf der Pressekonferenz, auf der er den Deal verkündete, diese Woche
gleich noch den SAP-Gründer und Milliardär Dietmar Hopp per Videochat ein.
Der Hauptanteilseigner von CureVac habe Deutschland „große Dienste
erwiesen“, sagte Altmaier. Laut eines Schreibens an den Haushaltsausschuss
des Bundestages, aus dem verschiedene Medien zitieren, plant CureVac, im
Juli an der US-Technologiebörse Nasdaq an die Börse zu gehen. Offenbar soll
die deutsche Beteiligung also vor einer Übernahme aus dem Ausland schützen.
Donald Trump selbst wollte die Tübinger bereits in die USA locken. Die
deutsche Beteiligung dürfte das Angebot an CureVac-Aktien verknappen – und
ihren Wert steigern. In dem Fall hätte Deutschland nun also Dietmar Hopp
einen großen Dienst erwiesen.
5 Und wer zahlt das alles?
Die Beteiligung des Bundes an CureVac könnte sich für den Staat als
Gewinngeschäft entpuppen, sollte der Wert des Unternehmens steigen. Was die
Vorbestellung eines Impfstoffes bei [2][AstraZeneca] betrifft: Deutschland
zahlt wohl auch, wenn das Mittel nicht wirkt. Das
Bundesgesundheitsministerium reagiert zwar auf mehrere Anfragen zu dem
Thema nicht, aber AstraZeneca schreibt in einer Mitteilung: „Die Kosten der
Produktion werden durch staatliche Finanzierung ausgeglichen.“ Außerdem
verspricht das Unternehmen, bis zum Ende der Pandemie mit dem Impfstoff
kein Geld verdienen zu wollen, sprich „non profit“ arbeiten zu wollen. “Es
gibt keinen Grund, einem Pharmaunternehmen so etwas zu glauben“, sagt Kate
Elder dazu, Impfexpertin bei Ärzte ohne Grenzen. Dazu hätten andere aus der
Branche ähnliche Versprechen schon zu oft gebrochen. Außerdem gebe es
keinerlei Transparenz, was der Impfstoff AstraZeneca koste.
6 Und hinter allem steckt Bill Gates?
Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanziert eine Reihe von Firmen und
Forschungsvorhaben rund um Covid-19. Was wohl in der Natur der Sache liegt,
wenn man, Stand 2018, rund 46 Milliarden Dollar zur Verfügung hat und die
weltweite Gesundheitsvorsorge fördern will. Die Stiftung beteiligte sich
2015 mit 52 Millionen Dollar bei CureVac und finanziert auch die beiden
Allianzen Gavi und Cepi mit. Darüber hinaus wird auch die Universität
Oxford bei diversen Forschungen von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung
unterstützt.
21 Jun 2020
## LINKS
[1] https://coronavirus.jhu.edu/map.html
[2] https://www.astrazeneca.com/media-centre/press-releases/2020/astrazeneca-to…
## AUTOREN
Ingo Arzt
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