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# taz.de -- Schulsport in Bremen: Schule nur im Sitzen?
> Die Sportjugend will den Schulsport zurück haben. Doch bei den Behörden
> ist noch nicht einmal klar, wer eigentlich zuständig ist.
Bild: Lange vor Corona: Schüler*innen beim Aufwärmen in einer Turnhalle
Bremen taz | Niemand weiß, wann und wie der wegen Corona ausgefallene
Schulsport wieder stattfinden wird. Das kritisiert die Bremer Sportjugend:
„Wir brauchen klare Konzepte, wie es spätestens nach den Sommerferien
weitergehen soll“, sagt der Vorsitzende der Bremer Sportjugend Bernd
Giesecke.
Die Kinder hätten mindestens seit einem Vierteljahr keinen Sport gemacht.
„Dabei ist die körperliche Betätigung so wichtig – besonders für junge
Menschen.“ Giesecke sieht vor allem Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD)
in der Pflicht, jetzt tätig zu werden. Deren Sprecherin des Ressorts
Annette Kemp erklärt auf Nachfrage: „Solange das Infektionsrisiko beim
gemeinsamen Sport selbst in Halbgruppenstärke als hoch eingeschätzt wird,
wird auf Sport im Freien zurückgegriffen werden müssen.“ Es werde auf die
Angebote gebaut, die im Freien stattfinden können.
Einzelne Schulen beginnen zwar mit sportlichen Aktivitäten, jedoch umfasst
das längst nicht alle. „Bewegung wird im Schulalltag momentan zu wenig
beachtet. Es wäre wichtig mit der Ausweitung des Angebots unter Wahrung der
Hygieneregeln zu starten“, sagt Andreas Staets, Landesgeschäftsführer der
GEW Bremen. Während Unterrichtsfächer wie Mathe, Deutsch und Englisch
wieder zum Schulalltag gehören, gibt es beim Sportunterricht keine
einheitliche Regelung.
„Die derzeitige Situation ist sehr unbefriedigend. Ein grobes Konzept, wie
es nach den Ferien weitergehen soll, sollte für alle Schulen stehen. Dann
gibt es Möglichkeiten für die Schulen, es entsprechend zu organisieren“,
sagt Jürgen Hadtstein vom Runden Tisch Schulsport.
Das Problem: Niemand fühlt sich zuständig für die Frage, wann der
Sportunterricht in Bremen wieder verbindend angeboten werden soll. Bei der
Bildungssenatorin heißt es, man könne dazu nichts sagen. Stattdessen wird
an die Sportsenatorin verwiesen. Auch in dieser Behörde erklärt man sich
für „nicht zuständig“ und verweist auf Gesundheit und Inneres. Dort
nachgefragt, heißt es: man solle sich an die Bildungsbehörde wenden.
Wie fundamental der Sportunterricht für Kinder und Jugendliche ist, betont
der Sportwissenschaftler Mirko Brandes vom Bremer Leibniz-Institut für
Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS): „Je jünger die Kinder sind,
desto wichtiger ist die sportliche Betätigung. Schulsport trägt zur
Entwicklung der motorischen Fähigkeiten bei.“
Die Auswirkungen des Lockdowns seien noch nicht ausreichend erforscht
worden. Dennoch sei zu befürchten, dass die Kinder und Jugendlichen in
dieser Zeit verinnerlichten, besonders viel herumzusitzen. „Das kann einen
nachhaltig negativen Effekt nach sich ziehen. Wir haben die Hoffnung, dass
dies bei den Jüngeren mit ihrem verstärkten Bewegungsdrang kompensiert
wird. Bei denen, die zwölf Jahre oder älter sind, ist von einem
langfristigen Einbruch ihrer Aktivität auszugehen“, sagt Brandes.
Bereits vor Corona sah das sportliche Angebot an Bremer Schulen
problematisch aus: Schulsport werde, sagt Jürgen Hadtstein, in Bremen noch
immer stiefmütterlich behandelt. Insgesamt seien viele Sporthallen in einem
sehr schlechten Zustand. Nur 60 Prozent des Sportunterrichts an hiesigen
Grundschulen werde von qualifizierten Lehrkräften begleitet. Auch beim
Schwimmunterricht der Grundschulen seien Veränderungen zu spüren: „Wenn man
früher sagte, die Kinder können schwimmen, dann hatten sie ein
Freischwimmer-Abzeichen. Heute reicht das Seepferdchen.“
Zum Vergleich: Beim Seepferdchen muss das Kind 25 Meter schwimmen, beim
Freischwimmer aber mindestens 15 Minuten ohne Pause und mindestens 200
Meter weit. Oftmals – etwa in Jahrgang drei oder den Jahrgangsstufen fünf
bis zehn – seien pro Woche drei Stunden Sport vorgesehen, so Hadtstein In
der Praxis plane man aber nur zwei Stunden ein: „Spricht man dann mit den
Behörden, sagen sie, sie gehen der Sache nach. Es passiert aber nichts.“
Mangelnde Bewegung trage langfristig gesehen dazu bei, dass der Körper
anfälliger werde für eine Vielzahl von Krankheiten. Im Alltag der Kinder
und Jugendlichen, so Brandes, müsse ausreichend Bewegung integriert werden.
Deshalb fordert er: Schulsport müsse schnellstens wieder stattfinden.
Denn: „Nicht jedes Kind ist in einem Sportverein angemeldet. Mit Schulsport
können wir jedes Kind erreichen. Wenn sich Kinder früh bewegen, gewöhnen
sie sich daran und verinnerlichen das. Somit sind die Chancen größer, dass
sie das auch im Alter beibehalten.“
23 Jun 2020
## AUTOREN
Dana Ehlert
## TAGS
Schule
Schulsport
Bremen
Schwerpunkt Coronavirus
Abstandsregeln
Henning Harnisch
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Handball
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