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# taz.de -- Abstiegskampf 2.Liga: Der fluchende Holländer
> Der FC St. Pauli kommt mit einem 2:1-Sieg gegen Aue dem Klassenerhalt
> nahe. Doch Leistung und Kader lassen sorgenvoll in die Zukunft blicken.
Bild: Torschützen unter sich: Diamantakos (li.) und Veermann (re.)
Hamburg taz | Ein Trainer darf eigentlich alles – solange er damit Erfolg
hat. Er darf taktische und personelle Entscheidungen treffen, die niemand
versteht, er darf die Spieler loben oder auch hart kritisieren – solange er
von Sieg zu Sieg eilt, sind die Methoden egal. Und je weniger man die
Handlungen eines erfolgreichen Coachs versteht, umso eher kommt er in den
Verdacht, ein Trainer-Genie zu sein.
[1][Jost Luhukay], der niederländische Coach des FC St. Pauli steht nicht
unter diesem Verdacht. Dafür fehlt ihm der Erfolg. Mit Ambitionen nach oben
gestartet krebst das Hamburger Team seit Monaten in der Abstiegszone herum.
Aber seit Sonntag ist der Abstieg der Hamburger aus der Zweiten
Fußball-Bundesliga in die Dritte Liga nicht mehr sehr wahrscheinlich. Mit
einem schmeichelhaften 2:1-Sieg gegen Aue gehen die Hamburger drei
Spieltage vor Saisonende in Fünf-Punkte-Distanz zum vom 1. FC Nürnberg
besetzten Relegationsplatz und haben damit den Klassenerhalt schon fast in
der Tasche.
Damit ist Luhukay beim FC St. Pauli weder erfolgreich noch ein krasser
Fehlgriff. Und da die Hamburger im kostspieligen Trainer-Wechsel-Spiel sehr
aktiv mitgespielt haben, ohne dass sich der sportliche Erfolg eingestellt
hat, ist Luhukay im Moment erstaunlich sakrosankt, droht nicht so schnell
zum fliegenden Holländer zu werden. Und bleibt unantastbar, solange das
Team so glückliche Siege erzielt, wie am Sonntag.
36 Spieler hat Luhukay in dieser Saison schon eingesetzt – mehr als jeder
andere Trainer im europäischen Bezahl-Fußball. Die Folgen der Dauerrotation
bilden sich auf dem Platz und hinter den Kulissen ab. Spieler – auch aus
der zweiten Mannschaft – kamen und verschwanden oft schnell wieder in der
Versenkung, frühere Leistungsträger wurden von Luhukay oft nur sporadisch
eingesetzt, öffentlich harsch kritisiert oder gar in die zweite Mannschaft
verbannt. Die Folge: Auch am 31. Spieltag wirkt das Spiel nicht wie aus
einem Guss, viele Akteure wirken verunsichert. Denn Luhukays Aufstellungen
sind immer auch ein wenig Wundertüte.
## Verfechter einer robusten Tonart
Zudem ist der Niederländer kein Meister des pädagogischen Lobs, sondern
eher ein Verfechter einer robusten Tonart. Eine Kostprobe davon erhielten
die wenigen Zuschauer des Geisterspiels gegen Aue, als Luhukay nach Abpfiff
der ersten Halbzeit auf seinen Landsmann Henk Veerman in
Rumpelstilzchen-Manier zueilte, und ihn mehrere Minuten lang vor
versammelter Mannschaft anbrüllte. Der Grund: Luhukay missfiel es ungemein,
dass der schlaksige Mittelstürmer seinen Kollegen Dimitrios Diamantakos
kurz zuvor hatte einen fälligen Elfmeter schießen und verschießen lassen,
anstatt selber anzutreten.
Dabei lag der FC St. Pauli zu diesem Zeitpunkt bereits mit 2:0 in Front,
nachdem Diamantakos (22.) und Veermann (41.) zwei der wenigen Hamburger
Chancen eiskalt genutzt hatten, während die bis zum Führungstreffer
überlegenen Auer auch beste Möglichkeiten verballerten. Der
Komplett-Ausraster des Trainers wäre mit dieser beruhigenden Führung im
Rücken kaum nötig gewesen.
Wie verunsichert die von Luhukay immer wieder neu zusammengewürfelte
Mannschaft ist, zeigte sie vor allem am Anfang des Spiels, als sie jeden
Zweikampf verlor und jeden Pass in des Gegners Füße spielte. Zum Glück
entpuppten sich auch die Gegner als Sensibelchen. Nach dem unverdienten
Rückstand verlor Aue komplett den roten Faden, agierte mutlos und kam erst
Mitte der zweiten Halbzeit wieder ins Spiel zurück, als St. Paulis Abwehr
ihre Gegenspieler mit einem Abstandsgebot bedachten. Doch nur der
Ex-Pauli-Spieler Sören Gonther konnte nach einer Ecke daraus Profit ziehen
und per Kopf zum 2:1 verkürzen.
So dürfte sich der Hamburger Zweitligist gerade noch über die Ziellinie und
in eine ungewisse Zukunft schleppen. Da bislang kaum auslaufende
Spielerverträge verlängert wurden und diverse Leihspieler zu ihren
Stammclubs zurückkehren, hat das Team für die neue Saison noch kaum
Konturen.
14 Jun 2020
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## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
FC St. Pauli
Fußball
2. Bundesliga
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