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# taz.de -- Nationalstolz in Corona-Zeiten: Nicht nur das Virus ist tödlich
> Deutschland feiert sich als Virenweltmeister. Doch nicht nur Corona
> gehört bekämpft, sondern auch Nationalismus. Denn auch er kostet
> Menschenleben.
Bild: Nur 50 unbegleitete Minderjährige hat Deutschland aus griechischen Lager…
Deutschland ist ein tolles Land. Richtig toll. Fußballweltmeister,
Exportweltmeister – und jetzt auch noch Virenweltmeister. Denn unter den
sich seit Wochen wiederholenden Schlagzeilen fällt besonders diese hier ins
Auge: [1][„Warum hat Deutschland so wenig Corona-Tote?“] Wahlweise mit dem
Zusatz: „Ausland wundert sich“.
Da ist es doch auch nicht mehr so tragisch, dass die Fußball-EM dieses Jahr
[2][wegen Covid-19] ausfallen muss. Gibt ja noch andere Disziplinen, in
denen man sich mit diversen Länder messen kann. Pandemie-Tote zum Beispiel.
Jetzt mal im Ernst: Diese ganzen Länder-Tabellen mit Zahlen von Infizierten
und Genesenen und Toten – haben sie irgendwie was Kompetitives oder kommt
es bloß mir so vor?
Dass Nationalismus im Umgang mit der Pandemie eine Rolle spielt, macht sich
ja nicht nur hier, sondern auch etwa in der Türkei bemerkbar. Als bereits
in allen angrenzenden Staaten die Ausbreitung des Virus publik wurde und
meine halbe Verwandtschaft an plötzlichem Fieber litt, behauptete Ankara
noch, die Türkei wäre verschont geblieben. Ende März dann war das
Offensichtliche nicht mehr zu leugnen und Staatsoberhaupt Erdoğan stimmte
die Bürger_innen gewohnt patriotisch auf die Lage ein: [3][„Kein Virus ist
stärker als die Türkei.“] Und kein Virus ist tödlicher als Nationalismus.
## Sagrotan drauf und Schwamm drüber
Aber zurück zu Deutschland. Hier funktioniert ja alles so toll: 1. Das
Gesundheitssystem!! – außer natürlich für jene, die keinen gültigen
Aufenthaltstitel und somit keine Krankenversicherung haben und [4][in
Krankenhäusern abgelehnt werden]. 2. Das Homeschooling!! – okay, außer für
die Schüler_innen, die keinen Computer und keine Eltern zu Hause haben, die
ihnen beim Lernen helfen können. 3. Das Vertrauen der Bürger_innen in die
Politik – obwohl es ja der Gesundheitsminister persönlich war, der Ende
Januar das Gerücht in die Welt setzte, [5][das Virus sei nicht gefährlicher
als eine gewöhnliche Grippe], während in China schon reihenweise Menschen
daran starben.
Aber gut, jetzt haben wir ja dazugelernt, einfach bisschen Sagrotan
draufsprühen und Schwamm drüber. Schlaaaand, ein Frühsommermärchen!
Natürlich ist es erfreulich, wenn wenig Menschen sterben und wir
aufeinander Acht geben. Aber diese „Solidarität“, von der neuerdings
überall die Rede ist, reicht bei Deutschen gerade mal von Heinsberg bis
nach Passau. Sonst würden sich die Schlagzeilen nämlich nicht nur um die
Corona-Toten drehen, sondern noch um eine andere Zahl, die sehr niedrig
ist, [6][nämlich die 50]: „Warum nimmt Deutschland so wenig unbegleitete
minderjährige Geflüchtete auf? Ausland wundert sich“ wäre auch mal ein
schöner Titel.
Ja, Covid-19 gehört bekämpft und mit ihm der Nationalismus, denn auch er
isoliert uns voneinander, auch er kostet Menschenleben, nur wegimpfen lässt
er sich leider nie. Deshalb, ein Rat, frei nach [7][Max Czolleks
Buchtitel]: Desinfiziert euch! Und euren toxischen Nationalstolz.
27 Apr 2020
## LINKS
[1] https://rp-online.de/panorama/coronavirus/warum-hat-deutschland-so-wenig-co…
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-tuerkei-erdogan-1.4851460
[4] https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/coronavirus-wie-menschen-ohne-…
[5] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/spahn-corona-113.html
[6] /Aufnahme-von-Fluechtlingskindern/!5677566
[7] /Essayist-Max-Czollek-ueber-Chemnitz/!5530911
## AUTOREN
Fatma Aydemir
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Deutschland
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Schwerpunkt Rassismus
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