Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Saarbrücken-„Tatort“ am Ostermontag: Wodka im Müsli
> Spannend, cool und mit vielen Überraschungen: Das neue Ermittlerduo aus
> dem Saarland gibt in „Das fleißige Lieschen“ einen starken Einstand.
Bild: Daniel Sträßer, Ines Marie Westernströer, Brigitte Urhausen und Vladim…
Wenn das kein starker, weil völlig unerwarteter Einstand ist: Adam Schürk
(Daniel Sträßer) reist mit dem Bus (!) nach Saarbrücken, wo er seinen
Dienst als Hauptkommissar antreten wird. Der gut aussehende, etwas hagere
Typ könnte auch glatt als Hippster durchgehen. Er hört Musik und bekommt
mit, wie ein paar Sitzreihen weiter vorn ein Vater seinen Sohn verbal aufs
Schlimmste erniedrigt und dann aufs Klo schickt. Schürk geht lässig nach
vorn, kniet auf Höhe des Vaters und tut so, als müsste er sich einen
Schnürsenkel binden, flüstert etwas und – zack! – haut er dem Mann geziel…
schnell und kraftvoll eins in die Fresse. Wie ein Profi. Lernt man das auf
der Polizeischule?
Damit ist schon fast zu viel verraten. Dabei sind gerade mal erst zwei
Minuten des Saarbrücken-“Tatorts“ „Das fleißige Lieschen“ vergangen. …
das ist? Dafür muss man echt bis zum Ende dieses Whodunit-Krimis dran
bleiben. Es lohnt sich.
Um noch einmal daran zu erinnern: Zuletzt hatte im Saarland Devid Striesow
mehr oder weniger im Alleingang ermittelt, [1][am Ende wollte man ihm nicht
mehr zusehen]. 2019 lief der letzte Film mit ihm, „Der Pakt“.
Einen solchen gehen nun auch die neuen Ermittler aus Saarbrücken gleich in
ihrem ersten Fall ein, zwangsweise, denn die beiden kennen sich von früher.
Scheinbar sehr gut sogar. Das sorgt für einen irritierenden Moment gleich
zu Beginn: Die Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam
Schürk umarmen sich kurz, aber innig. „Ich hab dich vermisst“, sagt Schür…
„Ich dachte, du wärst tot“, sagt Hölzer. Ganz schön theatralisch.
## Eine schreckliche Familie
Und so geht es weiter. Aber auf eine unterhaltsame wie spannende Weise.
Großes Kino, auch wenn etliche Klischees bedient werden. Vor allem im
hauptsächlichen Erzählstrang, also dem Kriminalfall, bei dem es um eine
Familiendynastie geht, um ein Unternehmen, das Tuche und Stoffe herstellt.
Da gibt es die Guten und die Bösen – und dann den ganz miesen, steinalten
Patriarchen, der nicht nur sprichwörtlich über Leichen geht. Und zum
Frühstück Müsli mit einem Schuss Wodka verspeist (also bitte!). In dieser
schrecklichen Familie sind alle völlig zerstritten, mit Geheimnissen ohne
Ende.
Zum Äußersten kommt es, als auf einer Familienfeier einer der beiden Enkel
enterbt und der Führung der Firma beraubt wird – das setzt eine unheilvolle
Spirale der Ereignisse in Gang. „Der Goldjunge“, der Lieblingsenkel vom
Nazi-Opa, ist tot. Folgerichtig sind irgendwie fast alle verdächtig. Die
Geschichte aber schlägt Volten und dürfte selbst Krimiprofis gegen Ende
überraschen. Die Auflösung ist echt erschütternd.
Im zweiten Erzählstrang wird die Geschichte des Ermittlerduos aufgedröselt.
Auch hier sollte man nicht zu viel verraten. Nur so viel: Mit den
Hauptkommissaren Hölzer und Schürk zieht ein irgendwie britisch wirkendes
und cooles Duo ein, das für die „Tatort“-Landschaft ungewöhnlich ist. Oka…
ein reines Männerduo könnte für Kritik sorgen. Aber natürlich gibt es
toughe Ermittlerinnen (und die patente Pathologin, von Anna Böttcher
gespielt), nur sind die ihrem Kollegen Hölzer alles andere als
wohlgesonnen. Denn der hat wohl Dreck am Stecken: Hölzer hat ein
Ermittlungsverfahren am Hals, weil er sich geweigert hatte, in einem
Einsatz an entscheidender Stelle von seiner Schusswaffe Gebrauch zu machen
– und das passiert ihm in diesem Fall prompt noch einmal.
Das kollegiale Verhältnis ist also zerrüttet und – nun ja – unter aller
Sau. Deshalb ist der Ton äußert ruppig und wirkt mitunter befremdlich. Und
weil der neue Hauptkommissar Schürk bestens mit dem alten Hauptkommissar
Hölzer kann, ist dessen Einstand richtig holprig. Was sich vom neuen
Saarbrücken-“Tatort“ aber überhaupt nicht sagen lässt.
13 Apr 2020
## LINKS
[1] /Tatort-Experte-zur-1000-Folge/!5355945
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Saarbrücken
Tatort
TV-Krimi
Tatort
Tatort
Militär
Tatort
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Tatort“ aus Frankfurt: Die Guten und die Blöden
Wenn Kommissar:innen über Gut und Böse sinnieren und alles nur irre egal
ist. Das zeigt dieser „Tatort“, einer der letzten Filme mit Hannelore
Elsner.
Dresden-“Tatort“: Der Täter spielt keine Rolle
Dieser „Tatort“ ist besonders: Der Verdächtige ist der Protagonist, die
Ermittler bleiben im Hintergrund. Das erzeugt eine ganz besondere Spannung.
Niedersachsen-“Tatort“: Traumatisiert nach Mali-Einsatz
Kommissarin Lindholm kommt dem Tod ungemütlich nahe und dubiosen
Experimenten auf die Spur. Ein „Tatort“ über den militärisch-industriellen
Komplex.
Kölner „Tatort“: Wahrheiten über Trennungsfamilien
Harte Themen, wenig Klischees und viel Gewalt. „Niemals ohne mich“ handelt
von Gewalt in Familien und ist sicher der beste Köln-„Tatort“ sei Langem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.