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# taz.de -- Unerträgliche Geisterspiele: Reclaim the Game!
> Frankfurts 0:3 gegen Basel hat gezeigt: Spiele ohne Fans gefährden den
> Sport. Ohne Zuschauer sind sie verzichtbar.
Bild: Galgenhumor der Eintracht-Fans: das Spiel der Frankfurter gegen Basel fan…
Es wird ja doch Fußball gespielt. 0:3 hat etwa Frankfurt am Donnerstagabend
in der Europa League gegen den FC Basel verloren, doch die übliche
sportjournalistische Floskel, dies sei „vor heimischer Kulisse“ geschehen,
ist in diesen Coronazeiten unangebracht. Es fehlt in diesen Monaten etwas,
das doch wie selbstverständlich zum Fußball gehört: das Publikum. Kölns
Manager Horst Heldt sprach nach dem Geisterspiel seines 1. FC in
Mönchengladbach von einem [1][„Testspielcharakter“].
Fußball ist ein soziales Phänomen. Wenn jetzt die Menschen, die diesem
Spektakel erst die große gesellschaftliche Dimension verleihen, draußen
bleiben müssen, verändert das dieses Phänomen. Wenn wir nicht aufpassen,
geschieht das über die aktuelle Krise hinaus. Heldts Überlegung vom
„Testspielcharakter“ ruft Assoziationen von Laborbedingungen hervor, bei
denen jeder äußere, störende Einfluss ausgeschlossen ist, hervor.
Das Bild ist aber falsch, Heldt weiß es selbst. Denn letztlich wissen alle,
dass zum Fußball die Fans gehören. Sie bilden eine Kulisse, die man nicht
wie in schlechten Comedyserien, durch ein Geräusch das vom Band kommt,
ersetzen kann. Was sich hier wie eine Banalität anhört, ist jedoch ein
gewichtiges Argument in der gerade vernünftig entschiedenen Debatte, dass
die Bundesligasaison unterbrochen wird: Wenn Fußball ohne Fans kein Fußball
ist, dann wäre das, was in Geisterspielen ausgetragen wird, gerade keine
Fußballmeisterschaft aus, sondern irgendwas anderes.
Mit dieser Entscheidung ist auch die dauernde Rede, der Fußball habe mit
Politik und Gesellschaft nichts zu tun, so deutlich widerlegt, dass man nie
wieder etwas in diese Richtung hören und lesen möchte. Ein völlig
unrealistischer Wunsch ist das, ich weiß. Aber illusionär ist er nicht
deswegen, weil die Kräfte, die die ja nicht erst in diesen Monaten
widerlegte Lüge vom unpolitischen Sport verbreiten, dumm wären, sondern
weil das Zurückdrängen großer gesellschaftlicher Teilhabe am Sport etlichen
Leuten zupass kommt.
Das hat sich schon in den Debatten um Fanproteste angedeutet. Aus je sehr
unterschiedlichen Gründen gilt doch: Die Teilhabe am gesellschaftlichen
Ereignis Fußball ist bedroht. Stattdessen könnte sich ein medial glatteres,
besser vermarktbareres und vor allem von allen Unberechenbarkeiten – seien
es Fans, die kreativ und deutlich protestieren, seien es Fans, die als
gefährliche Überträger von Krankheiten gelten – befreites Ereignis
entwickeln. Das hieße dann immer noch „Fußball“, wäre aber nicht mehr der
Fußball, den wir kennen. Denn der ist ja ein soziales Phänomen.
„Fußball ohne Fans ist scheiße“, hat Rudi Völler nach dem
Europa-League-Spiel seiner Leverkusener bei Glasgow (vor Fans!) gesagt.
Völler ist eine Stimme der Vernunft, die sich nun durchgesetzt hat. Die
Lüge vom Nur-Fußball tut ja so, als gäbe es keine Probleme, wenn die
Fußballer nur Fußball spielten. Aber nicht nur Fans können vom Coronavirus
infiziert werden – all das kann Profis und Trainern auch passieren, und
passiert ihnen ja auch in diesen Tagen.
Geisterspiele haben in einem guten demokratischen Sinne nichts mit Fußball
zu tun. Sie finden bloß statt und wurden bloß gefordert, damit
Rechteinhaber ihre Interessen wahren. Wer Fußball liebt und zugleich
akzeptiert, dass er in der aktuellen Coronakrise nicht stattfinden kann,
sollte dafür kämpfen, dass dieser Sport nicht zum bloßen Fernsehevent
mutiert, das Fans dann zu Hause oder in der Kneipe gucken können. Reclaim
the game!, holt euch das Spiel zurück, ist eine alte und wieder sehr
aktuelle Forderung. Wenn der Ball bald für alle ruht, ist das im Sinne des
Fußballs.
13 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.koeln.de/koeln/sport/1_fc_koeln/fc-verliert-erstes-geisterspiel…
## AUTOREN
Martin Krauss
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