| # taz.de -- Autonomes Jugendzentrum: Potse-Streit geht weiter | |
| > Der Räumungsprozess wurde am Mittwoch nach kurzer Zeit unterbrochen. Die | |
| > Anwälte des Kollektivs halten den Richter für befangen. | |
| Bild: Demo-Aktion gegen die Räumung der Potse Anfang Januar | |
| Das Land Berlin gegen ein Jugendzentrum: Am Mittwoch begann der | |
| Räumungsprozess gegen das autonome Jugendkollektiv Potse. Im März | |
| vergangenen Jahres hatte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg Klage eingereicht, | |
| nun war Prozessauftakt. Beide Parteien, der Bezirk vertreten durch das Land | |
| Berlin, trafen sich im Hochsicherheitssaal des Kriminalgerichts in Moabit. | |
| ZuschauerInnen wurden gefilzt, ihre Personalien kopiert, Kugelschreiber und | |
| Handys verboten. Vorm Gericht demonstrierten rund 50 | |
| Potse-UnterstützerInnen friedlich, dafür mit lauter Punkmusik und | |
| Sprechchören. Am Ende gab es kein schnelles Urteil: Der Prozess wurde | |
| unterbrochen, weil die Beklagten vorzeitig den Saal verließen. | |
| Seit gut einem Jahr weigert sich das Kollektiv, aus der Potsdamer Straße | |
| auszuziehen, und hält die Räume besetzt – [1][trotz des gekündigten | |
| Nutzungsvertrags durch den Bezirk]. Der Grund für die Besetzung: Es gibt | |
| keinen geeigneten Ersatz, in dem sich die Jugendlichen nicht nur leise | |
| treffen können, zum Kochen und Reden, sondern vor allem auch laut zu | |
| Konzerten und Bandproben. Der Bezirk bot dem Verein bisher bereits | |
| Alternativen an, durch den fehlenden Lärmschutz sind aber alle ungeeignet | |
| für Konzerte. | |
| Eigentlich finden im Gerichtssaal 500 in der Turmstraße hinter | |
| schusssicheren Glaswänden Strafprozesse gegen Rockerbanden oder kriminelle | |
| Großfamilienclans statt – keine Zivilprozesse. „Wir sind ein friedliches | |
| Jugendzentrum und müssen hier unter Terrorauflagen verhandeln“, sagt Paul, | |
| ein Sprecher der Potse. | |
| ## Kein Vertrauen in Richter | |
| Die Rechtsanwälte des Kollektivs, Lukas Theune und Benjamin Hersch, | |
| reichten deshalb direkt zu Prozessbeginn Beschwerde ein. Sie halten den | |
| zuständigen Richter aufgrund seiner erlassenen Sicherheitsverfügungen für | |
| befangen. Jugendliche seien vom Prozess ausgeschlossen, obwohl es um einen | |
| Jugendclub ginge, kritisiert Theune. Insgesamt reichten die Anwälte zwei | |
| Befangenheitsanträge ein. Die Beklagten weigerten sich, unter den Umständen | |
| zu verhandeln, und verließen den Saal. So konnte die mündliche Verhandlung | |
| gar nicht erst beginnen. Die Klägerseite reichte deshalb wiederum einen | |
| Versäumnisantrag ein. | |
| „Es wirkt, als wolle man hier eine schnelle Erledigung der Sache um jeden | |
| Preis. Deshalb haben wir kein Vertrauen in das Gericht“, sagte Theune. Das | |
| Publikum aus rund 30 Potse- und Drugstore-UnterstützerInnen applaudierte: | |
| kein Sieg, aber weiterer Widerstand. | |
| Laut Gerichtssprecherin Lisa Jani ginge es nicht darum, UnterstützerInnen | |
| des Potse-Prozesses zu kriminalisieren. Die Wahl des Raumes habe nur | |
| „personelle und sachliche Gründe“ gehabt: mehr Wachtmeister, bessere | |
| Geräte, routiniertere Abläufe. Die Anwälte des Kollektivs sehen das anders. | |
| Für sie ist der Hochsicherheitssaal schon eine Vorverurteilung. | |
| Jani rechnet damit, dass der Prozess in drei bis vier Wochen fortgesetzt | |
| wird. Dann könne es zu einem Versäumnisurteil kommen, da sich die Beklagten | |
| am Mittwoch nicht zur Sache geäußert haben. Deren Verteidiger kündigten an, | |
| in dem Fall Einspruch einlegen zu wollen. Man sei immer noch [2][an einer | |
| Einigung mit passenden Ersatzräumen] interessiert. | |
| 8 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Laura Binder | |
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