Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schamanismus in Russland: Magie gegen Putin
> Alexander Gabyschew will von Sibirien nach Moskau laufen, um Russland von
> „Dämonen“ zu befreien. Ein erster Versuch endete in der Psychiatrie.
Bild: Schamane Alexander Gabyschew auf seiner Wanderung gegen die Kreml-Dämone…
Moskau taz | [1][Alexander Gabyschew] ist wieder unterwegs – mit zwei
Mitstreitern und vier Laikas, robusten sibirischen Rassehunden. 8.000
Kilometer Fußmarsch liegen vor den Wanderern. Als Ziel ist erneut Russlands
Hauptstadt Moskau vorgegeben, wo Gabyschew das Land von [2][dem „Dämonen“
Wladimir Putin] im Kreml befreien möchte.
Am Stadtrand von Jakutsk wurde die Gruppe von FSB-Geheimdienstlern Anfang
der Woche jedoch wieder festgesetzt, berichtet der Menschenrechtler Alexei
Prjanischnikow, der die Festnahme auch auf Video festhielt. Angeblich wird
dem Schamanen Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Last gelegt. Gabyschew
soll sich auf der Polizeiwache 2 in Jakutsk aufhalten.
Gabyschew war schon einmal im März bei 40 Grad unter null aufgebrochen.
Sechs Monate zog er von Jakutsk mit einem Aluminiumkarren und einigen
Anhängern durch die Weite Sibiriens. Im September war Schluss.
Sicherheitskräfte setzten den Übersinnlichen in ein Flugzeug zurück in
seine Heimatstadt Jakutsk.
Dort verschwand der 51-jährige Magier in einer psychiatrischen Klinik, die
den friedliebenden Störenfried auf Zurechnungsfähigkeit untersuchte. Danach
stieg der Schamane bei seiner Schwester in Jakutien ab.
## Extremistische Umtriebe
Vorher musste er jedoch unterschreiben, dass er das Land nicht verlässt.
Auch extremistischer Umtriebe wurde er noch bezichtigt. Extremismusvorwurf
und Hausarrest wurden fallengelassen.
„Russland ist mit dir!“, „Freiheit für den Schamanen“ stand auf Plakat…
mit denen Demonstranten ihn nach der Zwangsrückkehr auf dem Leninplatz im
ersten Schnee begrüßten. 2.000 Kilometer hatte er bis Transbaikalien schon
zurückgelegt.
Auch nach dem Aufenthalt in der Psychiatrie beklagte er sich nicht. Ihm
ginge es gut und es gäbe keine Klagen, behauptete er damals. Die repressive
Sprache der Sicherheitskräfte schien ihm jedoch Angst einzujagen.
Zwei Dutzend vermummte Nationalgardisten hatten den Schamanen samt
Anhängern in einer Nacht- und Nebelaktion am Baikalsee festgenommen.
Vorausgegangen war eine Versammlung von Wählern in Ulan-Ude in der
Nachbarregion Burjatien. Sie behaupteten, der Kreml-Kandidat für das
Bürgermeisteramt sei nur mit gefälschten Stimmen ins Amt gelangt.
## Künstliche Depression
„Sascha“ Schamane schaltete sich ein und fand aufmerksame Zuhörer.
Eigentlich möchte er eine „Volksherrschaft“ errichten. Das Volk sei in eine
künstliche Depression versetzt worden, meint er. Ihm wird auch nachgesagt,
zerstörte Harmonie wieder ins Lot bringen zu können.
Ursprünglich plante Gabyschew bei einem durchschnittlichen Tagespensum von
25 Kilometern im August 2020 in Moskau einzutreffen. Dort wollte er den
„Dämonen“ mit seinen Anhängern vertreiben. Sollte dies misslingen, würde…
wenigstens die schlechten Geister des Präsidenten austreiben.
Gabyschews Mutter hatte ihn nach dem Tod seiner Frau in den Wald geschickt.
An der Trauer sei er fast zerbrochen, sagt er. Drei Jahre in der Einöde
hätten ihn zum Schamanen gemacht. Heute besäße er Kräfte, mit denen er
negative Einflüsse vertreiben könne. Von Beruf ist Gabyschew Historiker, er
arbeitete jedoch meist als Schweißer.
Gabyschew ist eine öffentliche Figur. Russland verfolgt sein Schicksal.
„Anscheinend nehmen die Herrschenden die schamanische Welt als Bedrohung
wahr“, meint Dichter Lew Rubinstein. „Sie glauben selbst an Zauberer und
praktizieren den in Melanesien verbreiteten Kargo-Kult. Der besteht aus der
rituellen Imitation von Erwachsenenwelt und Zivilisation.“
## Kein Haar krümmen
Wahlen, Gerichte und Parlamente seien nur künstliche Nachbildungen, sagt
Rubinstein. Die Amtsträger seien selbst „heidnische Schamanen“ und hätten
Angst vor dem Geisterbeschwörer. „Plötzlich hat Gabyschew bessere Kontakte
zur Welt der Geister als der Schamane aus dem eigenen Hause“, schmunzelt
der Dichter.
Gabyschew hielt auch nach seiner Festnahme an seinem Vorhaben fest: „Geh
freiwillig, Wladimir“, bat er. Niemand werde Putin ein Haar krümmen. Den
Marsch auf Moskau wolle er später fortsetzen, sagte Gabyschew.
14 Dec 2019
## LINKS
[1] /Russischer-Aktivist-will-Putin-stuerzen/!5611801
[2] /Kommentar-Repression-gegen-NGOs/!5583209
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Schamanismus
Russland
Jakutien
Wladimir Putin
Russland
Russland
Russland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schamanismus in Russland: Auf nach Straßburg
Ein „Magier“ will nach Moskau laufen, um Putin zu stürzen. Er landet in der
Psychatrie. Jetzt klagt er vor dem Europäischen Menschengerichtshof.
Wunderheiler in Russland: Beschwörer des Virus
Der Telemagier Anatoli Kaschpirowski heilte zu Sowjetzeiten Menschen in
ihren Wohnzimmern. Jetzt ist er wieder da – dank Corona.
Russischer Aktivist will Putin stürzen: Schamane mit politischer Agenda
Ein „weißer Magier“ aus Ostrussland marschiert nach Moskau, um Putin aus
dem Amt zu jagen. Auf seiner Route ist er zum Star geworden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.