| # taz.de -- Lange Schlangen auf der Museumsinsel: Ergrimmte Stiere und Besucher | |
| > Wer mitten in den Ferien ins beliebte Pergamonmuseum will, hat selber | |
| > Schuld und muss lange warten. Am Ende aber lohnt es sich doch. | |
| Bild: Man kennt es, braucht aber trotzdem Zeit, es zu verdauen: Das Ischtar-Tor… | |
| Läuft schon“, sagt einer der zahlreichen Security-Männer am Anfang der | |
| Schlange, die sich durch die ganze, schön neu riechende James-Simon-Galerie | |
| windet. Es ist ein sonniger Nachmittag zwischen den Jahren, und auch, wenn | |
| man weiß, dass das Berliner Pergamonmuseum trotz Renovierung und | |
| Teilschließung mit 780.000 Besuchern 2018 das meistbesuchte der Stadt war – | |
| damit hatten wir nicht gerechnet. | |
| Trotz Eintrittskarte mit Zeitfenster um 13 Uhr, das wir am Morgen nur noch | |
| mit Mühe für stolze 19 Euro erwerben konnten und auf dessen Einlösung wir | |
| schon den ganzen Vormittag warten, müssen wir uns ganz hinten anstellen. | |
| „Es liegt an den Touristen“, erklärt eingangs erwähnter Security-Mann. | |
| Anstatt Rücksicht zu nehmen, würden viele von ihnen den ganzen Tag im | |
| Museum vertrödeln. „Wir können die ja nicht nach zwei Stunden wieder | |
| rausschmeißen.“ | |
| In der Schlange bleibt viel Zeit, über diese Aussage nachzudenken. Kürzlich | |
| auf der Schlittschuhbahn durfte man wegen Überfüllung auch nur eine Stunde | |
| bleiben – weshalb die Wartenden schnell belohnt wurden. Im Sommer bekommt | |
| man im Biergarten manchmal diese Geräte, die brummen und blinken, wenn die | |
| Pizza fertig ist. In jedem Schwimmbad muss man am Ende wieder durchs | |
| Drehkreuz und nachzahlen, wenn man sich zu lang die Haare geföhnt hat. | |
| Hinter uns steht ein Paar, das sich auf Türkisch unterhält, vor uns eine | |
| Familie aus England mit zwei Kindern im Grundschulalter. Es scheint sie | |
| nicht weiter aus der Fassung zu bringen, hier anzustehen. Wahrscheinlich | |
| werden sie auch deshalb den Rest des Tages im Museum verbringen, damit sich | |
| das Warten gelohnt hat. | |
| ## Jeder in seinem Tempo? | |
| Ach, was könnten sich die armen Berliner Museen Tolles leisten, wenn von | |
| all diesen Gästen auch nur jeder Dritte ein wenig draufzahlen müsste, wenn | |
| er zu lange bliebe! Es ist fast ein Wunder, dass selbst in dieser idiotisch | |
| effizienten Zeit noch immer so wenige Menschen über Zeitlimits in Museen | |
| nachdenken. Dass es eigentlich nur noch hier jedem Menschen gestattet ist, | |
| sich die Dinge im ganz eigenen Tempo anzueignen. | |
| Als wir endlich drin sind, bleiben wir gleich am Ischtar-Tor hängen. Ja, | |
| man kennt die blauen Backsteine. Trotzdem muss man die „unbändigen Stiere | |
| und ergrimmten Drachen“, mit denen König Nebukadnezar die Mauern Babylons | |
| verzieren ließ, wieder auf sich wirken lassen. Plötzlich ist es gar nicht | |
| so schlimm, dass der Pergamon-Altar, das eigentliche Herzstück des Museums, | |
| renovierungsbedingt seit 2014 in einer Metallkiste steckt und | |
| möglicherweise erst 2025 wieder zu sehen sein wird. Und auch das Warten ist | |
| vergessen. | |
| Beim Besuch des Ischtar-Tors bleibt die Zeit stehen. Kein Wunder, dass | |
| keiner über Zeitstrafen nachdenkt. | |
| 1 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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