# taz.de -- Suizidserie nach Mobbing: France-Télécom-Chefs verurteilt | |
> Nach systematischem Mobbing verhängte ein Gericht jetzt Geld- und | |
> Haftstrafen gegen Ex-Manager des französischen Konzerns. | |
Bild: Freiheits- und Geldstrafen für Ex-France-Télécom-Chef Didier Lombard (… | |
PARIS taz | Das Pariser Strafgericht hat nach einem mehrmonatigen Prozess | |
das Unternehmen France Télécom (FT) und sieben Führungsmitglieder wegen | |
„organisierten“ und „systematischen“ Mobbings schuldiggesprochen und zu… | |
im Gesetz vorgesehenen Höchststrafen verurteilt. Diese muten dennoch aus | |
der Sicht der Opfer zweifellos fast lächerlich gering an, ging es doch in | |
der Gerichtsverhandlung um mindestens [1][19 Suizidfälle] und zwölf | |
Selbsttötungsversuche, die allein von 2007 bis 2008 der brutalen | |
Personalpolitik bei France Télécom zugeschrieben werden. | |
Das Unternehmen ist deswegen zur maximalen Geldbuße von 75.000 Euro | |
verurteilt worden. Gegen den ehemaligen Chef Didier Lombard, seinen Vize | |
Louis-Pierre Wenès und den früheren Personaldirektor Olivier Berberot wurde | |
als Höchststrafe je ein Jahr Gefängnis verhängt, wovon acht Monate zur | |
Bewährung ausgesetzt wurden. Zudem müssen sie 15.000 Euro Strafe zahlen. Je | |
vier Monate Haft und 10.000 Euro wurden vom Gericht als Strafmaß für die | |
übrigen vier ehemaligen Führungsmitglieder von FT (seit 2013 in Orange | |
umbenannt) festgelegt. | |
## Freude beim Gewerkschaftsverband | |
Die Verteidigung hatte einen Freispruch verlangt und hat entsprechend | |
empört auf die Urteilsverkündung reagiert. Lombards Anwalt Jean Veil will | |
Berufung einlegen. Ihm zufolge ist das Urteil ein Ergebnis eines | |
„Justizirrtums“, weil das Gericht aufgrund einer „demagogischen politisch… | |
Analyse“ seine Entscheidung getroffen habe. Der Gewerkschaftsverband | |
CFE-CGC bei Orange hat dagegen das Urteil lebhaft begrüßt und hofft, dass | |
dieses „als Lehre dienen möge, damit eine solche Personalpolitik der | |
sozialen Gewalt nie wieder vorkommt“. | |
Weil sie mit dem Urteil Neuland betreten, haben die Richter ihren Entscheid | |
auf 345 Seiten begründet. Sie kommen darin zum Schluss, dass die beiden | |
Sanierungspläne bei FT im Anschluss an die 50-prozentige Privatisierung im | |
Jahr 2004 explizit dazu dienten, rund 22.000 Beschäftigte, die aufgrund | |
ihrer Verträge mit einem öffentlichen Unternehmen noch einen | |
Kündigungsschutz genossen, zur „freiwilligen“ Kündigung zu bewegen. | |
Wenn nötig sollten sie gedrängt oder – wie dies der interne Sprachgebrauch | |
war – „destabilisiert“ werden. Bis sie „wenn nicht durch die Tür, dann… | |
durchs Fenster gehen“, hatte Lombard selber zu den empfohlenen Methoden | |
gesagt. | |
Die Vorgesetzten und Personalabteilungen wurden ab 2005 in diesen | |
Management-Methoden zur Erfüllung der bezifferten Ziele beim Personalabbau | |
speziell geschult und danach ihren Resultaten entsprechend belohnt. | |
Die Gerichtspräsidentin, Cécile Louis-Loyant, kam darum zum Schluss, es | |
gebe so etwas wie ein „institutionelles“ oder „systematisches“ Mobbing. | |
Dies liege vor, wenn es in der Organisation der Arbeit und des Managements | |
verwurzelt sei und auf einer Strategie beruhe, deren Ziel es sei, die | |
Arbeitnehmer „einem Angst schaffenden Betriebsklima“ und einer | |
vorsätzlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auszusetzen, bis sie | |
gehen. | |
22 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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