# taz.de -- Werbung an Bremer Grundschulen: Kirche wirbt mit Segen der Schule | |
> An Bremer Grundschulen verteilen LehrerInnen Briefe der Domgemeinde an | |
> Drittklässler, um sie für eine Art Konfirmationsunterricht zu begeistern. | |
Bild: Säße ohne Kirchenwerbung vielleicht nicht hier: eine Konfirmandin | |
BREMEN taz | Zwei mehr oder weniger glückliche Kinder gucken den | |
BetrachterInnen aus der Broschüre der Domgemeinde entgegen. „Bei Konfi³ | |
hören wir Geschichten aus der Bibel“, lässt eine Sprechblase den Jungen im | |
grünen Pullover sagen. „Wir basteln und malen, singen und beten, essen und | |
trinken“, ergänzt das Mädchen neben ihm. | |
„Konfi³“, das ist Konfirmationsunterricht ab der dritten Klasse, den die | |
Sankt-Petri-Domgemeinde anbietet. Sie will damit nach eigener Auskunft die | |
Kinder für den Glauben erreichen, bevor sie mit der Pubertät beschäftigt | |
sind. Und: Sie „will alle Kinder erreichen“, unabhängig auch von der | |
Konfession der Eltern. | |
Die Flyer gibt die Gemeinde deshalb direkt an die drei Grundschulen in | |
ihrem Sprengel: Lessingstraße, Schmidtstraße und Stader Straße. Die | |
LehrerInnen dort verteilen sie an ihre Klassen. So läuft das nach Auskunft | |
einer Sprecherin der Domgemeinde seit vier Jahren schon. „Damit verletzt | |
die Schule ihre Neutralitätspflicht“, findet Herbert Thomsen vom Forum | |
Säkulares Bremen. | |
Möglich sei das nur durch die gewachsenen Verbindungen zwischen Kirche und | |
Bildungsbehörde: „Leitende Funktionsträger aus der Bildungsbehörde sind in | |
zentralen Ausschüssen der Evangelischen Kirche tätig. Evangelische | |
Religionslehrer sind organisiert und agieren als Türöffner für die Kirche | |
in die Schulen hinein“, so Thomsen. „Die Schulsenatorin ist gefordert, die | |
Missionsbemühungen von Religionsgemeinschaften in den Schulen zu | |
unterbinden.“ | |
## Missionieren wolle die Kirche damit aber nicht | |
In der Kirche beschwichtigt man: Missionieren wolle man auf keinen Fall. | |
Der Konfi³-Kurs, in dem die Kinder unter anderem einen Familiengottesdienst | |
feiern und im Gemeindehaus übernachten, sei „rein informativ“ und ein | |
„völlig offenes Bildungsangebot“, so Jugenddiakonin Veronika Wehrmann. | |
Entscheiden müsse sich in der dritten Klasse niemand – die Kinder sollten | |
nur eine Entscheidungsgrundlage für eine spätere Konfirmation bekommen. | |
Die evangelische Kirche in Bremen ist zuletzt bereits mit anderen Plänen | |
aufgefallen, junge Menschen über die Schulen anzusprechen: Im neuen | |
Jugendarbeitskonzept wird ganz explizit der „Auf- und Ausbau von Kontakten | |
von Kirchengemeinden zu den Schulen“ und die „Durchführung von gemeinsamen | |
Projekten von Kirche und Schulen“ als Ziel genannt. | |
Zielgruppe seien „Schüler*innen, unabhängig von ihrer religiösen Bindung�… | |
Die Schulen können diakonische MitarbeiterInnen direkt buchen oder Angebote | |
von kirchlich organisierten Klassenfahrten wahrnehmen ([1][taz | |
berichtete]). | |
## Briefe an SchülerInnen zu verteilen, sei gängige Praxis | |
Die Praxis, die Anschreiben direkt an die Kinder zu verteilen, stößt nicht | |
nur beim Forum Säkulares Bremen übel auf; auch einige Eltern sind nicht | |
glücklich darüber. „Diese schöne bunte Broschüre ist Werbung. Ich finde, | |
das hat in der Schule nichts zu suchen“, sagt eine Mutter, die lieber | |
anonym bleiben will. „Wenn das dann noch einen religiösen Hintergrund hat, | |
wird es nicht besser.“ | |
Direkt aus der Hand der Vertrauensperson der KlassenlehrerInnen habe ein | |
Brief eine viel stärkere Wirkung auf Kinder als ein anonym ausgelegter | |
Flyer. „Das ist doch so, als würde der Pfarrer umgekehrt meine | |
Visitenkarten an seine Gemeinde verteilen“, findet sie. | |
Briefe an die Schüler verteilen zu lassen, sei gängig, sagt dagegen | |
Diakonin Wehrmann; auch Bildungsträger und Sportvereine gingen so vor. Was | |
die Schulen am Ende an die SchülerInnen weitergäben, das sei ihre | |
Entscheidung. Der Vergleich hinkt allerdings, denn in der Regel landen nur | |
ein paar Flyer an den Schulen – und nicht exakt so viele, wie eine Klasse | |
Kinder hat. Daher wird die Werbung von Vereinen nur ausgehängt und nicht | |
gezielt an alle Schüler*innen weitergegeben, wie es die Domgemeinde gemacht | |
hat. | |
## Broschüre gibt es nach Beschwerde nur noch beim Elternabend | |
Tatsächlich bleibt die Bremer Richtlinie über Werbung in Schulen von 1999 | |
recht unkonkret in ihren Vorgaben und gibt den einzelnen Schulen einigen | |
Freiraum im Umgang mit Marketing. Öffentliche Schulen können demnach auch | |
Werbe- oder Sponsoring-Verträge abschließen, solange die Werbung mit den | |
Zielen der Schulen vereinbar ist. | |
Werbung für oder gegen Parteien schließen die Richtlinien aus; doch zum | |
Thema Religionsgemeinschaften haben sie bisher gar nichts zu sagen. Die | |
Lücke ist der Bildungsbehörde bekannt. Annette Kemp, Sprecherin der | |
Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD), teilt mit, man arbeite momentan an | |
einer Regelung, die den Schulen zukünftig Handlungssicherheit darüber geben | |
soll, was überhaupt an Kinder weitergegeben werden darf – und was nicht. | |
Bis dahin hängt es weiter an Schulleitung und LehrerInnen, was Kinder in | |
der Klasse in die Hand bekommen. Die St.-Petri-Domgemeinde immerhin will in | |
Zukunft anders vorgehen, nachdem sich Eltern bei ihr beschwert haben: Die | |
Broschüren sollen in Zukunft nicht mehr direkt in die dritten Klassen | |
gehen, sondern an die Eltern beim Elternabend verteilt werden. | |
23 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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