# taz.de -- Sammelklage gegen Pharmakonzern: Urteil gegen Pfusch an Frauen | |
> Der Pharmakonzern Johnson & Johnson wird in Australien wegen mangelhafter | |
> Scheiden-Implantate verurteilt. Fehler haben bei der Firma Tradition. | |
Bild: Ein Erfolg für die Geschädigten: Betroffene umarmen sich vor dem Gerich… | |
Sydney dpa/taz | Mehr als 1.300 Frauen haben in Australien eine Sammelklage | |
gegen den US-Pharmakonzern Johnson & Johnson gewonnen. Sie werfen dem | |
Konzern vor, Gesundheitsstörungen infolge fehlerhafter Scheiden-Implantate | |
erlitten zu haben. Das oberste Bundesgericht gab am Donnerstag in Sydney | |
den Frauen Recht, von denen nach eigenen Angaben viele an chronischen | |
Schmerzen leiden. Für den Pharmakonzern ist das eine weitere juristische | |
Niederlage wegen fehlerhafter Produkte. | |
Richterin Anna Katzmann sagte bei der Urteilsverkündung in Sidney, bei der | |
Entwicklung von sogenannten Vaginal-Netzen („Vaginal Mesh“) sei | |
„fahrlässig“ gehandelt worden. Der Konzern habe die Risiken gekannt. Auf | |
Johnson & Johnson kommt nun eine hohe Geldstrafe zu. Deren Höhe soll im | |
Februar festgelegt werden. Als Australiens Federal Court das Urteil | |
verkündete, gab es im Gerichtssaal viel Applaus. | |
Die Netze waren in Australien mehr als zehn Jahre lang im Handel, bis 2017. | |
Das synthetische Gewebe sollte Frauen helfen, die nach Geburten an | |
schwacher Beckenbodenmuskulatur oder unkontrolliertem Urinverlust litten. | |
Die Netze sollten überdehntes oder gerissenes Gewebe unterstützen. Dazu | |
wurden sie – ähnlich wie eine Hängematte – mit einer Operation im Becken | |
fixiert. | |
## Keine richtigen Tests, keine ausreichenden Daten | |
Richterin Katzmann sagte in der Urteilsbegründung, die Netze seien nie | |
richtig getestet worden. Es habe nie genügend Daten gegeben, dass sie | |
sicher seien. Bei Frauen, die sich solche Netze einsetzen ließen, hatte | |
dies unter anderem Gewebeschäden, Entzündungen und Inkontinenz zur Folge. | |
Viele Betroffene gaben an, keinen schmerzfreien Sex mehr haben zu können. | |
Entwickelt wurden die Netze von dem Pharmaunternehmen Ethicon, das zu | |
Johnson & Johnson gehört. | |
An der Klage hatten sich 1.350 Frauen beteiligt. Eine Frau sagte in dem | |
Verfahren, die Schmerzen seien so heftig, „als ob ich eine Rasierklinge in | |
der Vagina hätte“. Für Johnson & Johnson ist das eine weitere Niederlage | |
vor Gericht. Erst im Oktober hatte ein Geschworenengericht im | |
US-Bundesstaat Pennsylvania den Konzern zu einem Schadensersatz von 8 | |
Milliarden Dollar verurteilt. Ein Kläger hatte sich beschwert, dass ihm | |
[1][nach Einnahme eines Psychopharmakums Brüste gewachsen] seien. Die Firma | |
hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt. | |
Der Konzern steht in den USA auch vor Gericht [2][wegen seiner Beteiligung | |
an der Opioidkrise], in der Zehntausende durch falsch verschriebene | |
Schmerzmittel drogenabhängig geworden sind. Erst im Oktober hatte Johnson & | |
Johnson einen Prozess auf Bundesebene gegen Zahlung von 20,4 Millionen | |
Dollar vermieden, weitere Prozesse laufen allerdings noch. Ein Gericht in | |
Oklahoma hatte zuvor in einem ähnlichen Verfahren eine Strafe von 572 | |
Millionen Dollar gegen J&J verhängt. | |
Der Aktienkurs des börsennotierten Konzerns ist im vergangenen Jahr zwar | |
immer wieder kurzzeitig abgesackt. Insgesamt aber haben sich die Investoren | |
trotz aller Verurteilungen und Strafgelder nicht abschrecken lassen. Der | |
Wert einer Aktie liegt mit 122 Dollar aktuell nur knapp unter den 125 | |
Dollar, die sie vor einem Jahr kostete. | |
21 Nov 2019 | |
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[1] /Urteil-gegen-Johnson--Johnson/!5632394 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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