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# taz.de -- Krise der Torhüter: Das Problem mit dem Flugobjekt
> Experten diskutieren in der Schweiz die Krise der Keeper, die sich bei
> der Weltmeisterschaft manifestiert hat. Viele sehen das Problem an der
> Einstellung des Torwarts.
Bild: Vorbild der weltmeisterlichen Fehlgriffe: der englische Nationaltorwart R…
ZÜRICH taz | Es schien unvermeidlich. Beim Internationalen Goalkeeper
Kongress im ehemaligen Hauptquartiers des Weltverbandes Fifa wurde diese
eine Bildersequenz noch einmal umfänglich seziert. Auf aufeinanderfolgenden
Einzelaufnahmen ist gut zu erkennen, wie Robert Green, der am 12. Juni zur
Lachnummer mutierte Nationaltorwart Englands, vor der Mutter aller
weltmeisterlichen Fehlgriffe viel zu früh das Gewicht auf einem Knie
verlagert; sich eher nach hinten statt nach vorne beugt; sich starr statt
flexibel verhält und schlussendlich der Plastikkugel hilflos
hinterherrobbt.
Am Züricher Sonnenberg ist noch einmal festgestellt worden, dass der
Torhüter von West Ham United in diesem fatalen Moment elementare
Grundtechniken missachtet hat. Und weil das auch anderen Keeperkollegen in
Südafrika viel zu oft passierte, stellt sich die Frage nach den Gründen.
Andreas Köpke, der Bundestorwarttrainer, glaubt, dass der Anpassungsprozess
ans unberechenbare Flugobjekt nicht gelungen sei. "Dieser Ball verlangt,
dass man sich eine andere Torwarttechnik aneignet und sein Spiel umstellt -
auch in der Bundesliga. Man kann nicht mehr jeden Ball festhalten; das geht
nicht. Man muss sich anderer Abwehrmethoden bedienen; man muss oft später
reagieren und öfter nach außen abwehren. Aber vier, fünf Wochen
Vorbereitung müssten ausreichen, sich darauf einzustellen." Zudem, so
Köpke, habe Manuel Neuer im Turnier bewiesen, "dass man trotzdem eine Reihe
von Bällen festhalten kann". Ergo: Auch der neue Liga-Einheitsball namens
"Torfabrik" müsse nicht zwangsweise zu einer Torflut führen. Die
umgeschminkte WM-Kugel ist gerade dabei, sich den Unmut der
Bundesliga-Ballfänger zuzuziehen. Nun hat der Bundestorwarttrainer
unaufgeregte Empfehlungen zur baldigen Beherrschbarkeit geliefert. Alles
halb so schlimm?
Die Experten debattierten am Zürichsee angestrengt und ausgiebig.
Jean-Marie Pfaff, in den 80er Jahren beim FC Bayern München stilprägend,
vermisst Aura und Ausstrahlung unter den angeblich zu angepassten
Ballfängern. "Es ist viel zu leicht, nur dem Ball alle Schuld zu geben.
Welcher große Torwart gewinnt heute ein Spiel? Wer dirigiert über 90
Minuten seine Hintermannschaft? Wer beherrscht wirklich den ganzen
Strafraum?", fragte der 56-Jährige.
Der Belgier sieht vor allem im Stellungsspiel Defizite, "wenn Torhüter
falsch am kurzen Pfosten stehen, muss ich sagen: Die Basis ist nicht mehr
da!" Der Unterhaltungskünstler mit der blondierten Lockenpracht fordert die
Rückbesinnung auf das Erlernen der Grundtechnik, verlangt nach
Versessenheit der Nummer eins im Übungsalltag. Denn: "Die Mannschaft muss
wissen: Da steht ein Verrückter im Tor. Und der spielt so, wie er
trainiert."
Demnach schieben beinahe überall auf der Welt - außer in Deutschland und
wenigen anderen Nationen - zu viele Keeper eine zu ruhige Kugel. "Es war
keine WM der Torhüter. Die unterschiedliche Höhenlagen der Stadien, die
unerträgliche Kälte, der ungewohnte Ball haben die Fehler begünstigt",
glaubt der ZDF-Experte und Torwart-Weltenbummler Lutz Pfannenstiel, "aber
viele Länder sehen auch nicht den Bedarf, die Torwartausbildung zu
forcieren oder in Torwarttrainer zu investieren". Elementare Voraussetzung
für einen möglichst fehlerlosen Wettkampf der Nummer eins sei das
jahrelange vertrauensvolle Üben mit einem erstklassig geschulten
Torwarttrainer. Aber reicht das aus?
"Zu 90, 95 Prozent wird nur der Körper der Keeper trainiert. Was aber ist
mit Geist und Seele?", fragte der Fußballlehrer Bernd Gehrig, der zu
Charakterstudien unter Torleuten oder zu Gehirnjogging mit Bewegung rät und
die Integration von Entspannungs- und Konzentrationsübungen empfiehlt. Für
eine stellte sich sogleich Pfaff als Proband zur Verfügung, setzte Brille
und Kopfhörer auf, legte sich auf eine neuartige Matratze - und fühlte sich
hernach wie neugeboren. Vielleicht sollte man das Robert Green auch
empfehlen.
2 Aug 2010
## AUTOREN
Frank Hellmann
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