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# taz.de -- Korruption in Estland: Beschiss benannt, Job verloren
> Drei der sechs rechtsextremen Minister mussten gehen – im aktuellsten
> Fall wegen Korruption. Aber auch der Whistleblower wurde entlassen.
Bild: Eine Marionette der rechten Ekre-Partei? Ministerpräsident Jüri Ratas
Stockholm taz | Nicht noch ein osteuropäischer „Failed State“, in dem die
liberale Demokratie vor die Hunde geht, hatte Estlands Ex-Präsident Toomas
Hendrik Ilves im April gewarnt, als in Tallinn eine Koalition unter
Einschluss der rechtsextremen Ekre, der Estnischen Konservativen
Volkspartei, [1][die Regierung übernahm]. Ein halbes Jahr später hat sich
gezeigt: Seine Warnung war berechtigt.
Drei der sechs Minister, mit denen Ekre angetreten war, haben mittlerweile
aufgrund von Skandalen ihren Hut nehmen müssen – zuletzt in der vergangenen
Woche Landwirtschaftsminister Mart Järvik. In seinem Fall geht es um
Korruptionsvorwürfe: Einem Jugendfreund sollte offenbar „geholfen“ werden,
unrechtmäßig erhaltene EU-Landwirtschaftssubventionen nicht zurückzahlen zu
müssen. Die Justiz ermittelt. Außerdem wird Järvik beschuldigt, Parlament
und Öffentlichkeit belogen zu haben, weil er bereits zwei Monate früher als
von ihm behauptet von gefährlichen Listeria-Bakterien in einem
Fischverarbeitungsbetrieb erfahren habe.
Die Ekre-Partei hatte zunächst gedroht, die Koalition platzen zu lassen,
sollte Ministerpräsident Jüri Ratas den Minister entlassen. Als dieser aber
endgültig unhaltbar wurde, diktierte die Ekre dem Ministerpräsidenten die
Bedingungen: Dann müsse nicht nur Järvik entlassen werden, sondern auch der
Whistleblower, der der Staatsanwaltschaft die Hinweise geliefert habe:
Illar Lemetti, Staatssekretär im Ministerium. Ratas beugte sich.
Damit habe der Ministerpräsident bewiesen, dass er eine Marionette der Ekre
sei und „jegliche moralische Autorität in der Regierung verloren“ habe,
kommentierte die Tageszeitung Eesti Päevaleht. Auch Postimees schloss sich
der Kritik an: Lemetti „sah, dass der Minister seine Position missbrauchte,
und tat, was er tun musste: die Justiz informieren“, konstatiert das Blatt.
Mit der Entlassung des Whistleblowers signalisiere die Regierung: Wer es in
Zukunft wagen würde, Korruption oder Gesetzesverstöße anzuzeigen, müsse
damit rechnen, gefeuert zu werden.
## „Anlass zur Sorge“
Auch die heutige Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid, die von vornherein die
Regierungsbeteiligung der Ekre [2][verurteilt] hatte, äußerte sich
kritisch. Das Vorgehen der Regierung sei unverständlich und inakzeptabel:
„Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Spitzenbeamter, der auf die Inkompetenz
und mögliche Korruption eines Ministers aufmerksam macht, den Rechtsstaat
und ethische Prinzipien verteidigt und sich an seinen Eid hält, als Problem
gesehen wird. Wenn ein solches Vorgehen zu einem Muster wird, haben wir
allen Anlass zur Sorge“, sagte sie in einem Radio-Interview. Was Lemetti
angehe, „kann ich nur ausdrücklich bedauern, welche Behandlung sein Land
ihm hat zuteil werden lassen“.
Estlands Journalistengewerkschaft Era zeigte sich in einer Mitteilung
besorgt „über die „Bedrohung des freien Worts“, wenn „Informationen ü…
Korruptionsvorwürfe zum Verlust des Arbeitsplatzes führen“. Und Siim Tuisk,
einer der Organisatoren der Anti-Ekre-Demonstrationen, die jeden Donnerstag
unter dem Motto [3][„Ja zur Freiheit – nein zu Lügen“] vor dem
Regierungssitz in Tallinn stattfinden, brachte seine Sorgen in einem
Posting in den sozialen Medien zum Ausdruck: „Sie wollen alles, was in den
vergangenen drei Jahrzehnten geschaffen wurde, kaputtmachen, die Verfassung
ändern und Estland zu einem rechtsextremen Land machen.“
2 Dec 2019
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-Partei-in-neuer-Regierung/!5589220
[2] /Neue-Regierung-in-Estland/!5591970
[3] https://www.facebook.com/jahvabadusele/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Estland
Schwerpunkt Korruption
Estland
Rechtspopulismus
Estland
Juri Ratas
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