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# taz.de -- Nach Anschlag in London: Schriller Wahlkampf mit Terror
> Nach der Messerattacke vom Freitag zeigt der britische Premier auf
> Labour. Dabei hat seine Partei massiv im Sicherheitsapparat gestrichen.
Bild: Premier Johnson und Innenministerin Priti Patel am Samstag am Tatort
London taz | „Wir müssen unsere Menschenrechte reformieren, um das Gewicht
mehr auf die Seite der Sicherheits- und Nachrichtendienste zu schieben.“ Zu
diesem Fazit kam der britische Premier Boris Johnson am Wochenende nach dem
[1][Messerattentat in London vom Freitag]. Dabei wurden zwei Personen
getötet und drei verletzt.
Weiter sagte er, dass „unsere Rechte zum Beispiel durch das Recht auf
Privatleben begrenzt sind, das die Überwachung von Terroristen beschränkt
und in jüngsten Gerichtsurteilen unseren Nachrichtendienste mit
unakzeptablen Grenzen konfrontiert“. Er forderte, dass gewalttätige
Straftäter*Innen ihr gesamtes Strafmaß aussitzen müssten.
Am Freitag hatte der aus dem Gefängnis auf Bewährung automatisch frühzeitig
entlassene Straftäter, der Islamist Usman Khan (28) aus Stoke on Trent im
Norden Englands, die Einladung zu einer kriminologischen
Expertenveranstaltung der Universität Cambridge nahe der London Bridge
genutzt, um statt wie geplant über seine Erfahrungen zu reden mit zwei
Messern auf Umstehende einzustechen. Er floh auf die Brücke, wo er von
Verfolgern zu Boden geworfen wurde.
Obwohl es einem Zivilbeamten gelang, Khan ein Messer zu entwenden, und er
von einem anderen Mann auf den Boden gedrückt wurde, erschoss ein Kommando
der Police den Attentäter. Grund dafür könnte Khans
Sprengstoffwesten-Attrappe gewesen sein.
Täter wurde vorzeitig entlassen
Obwohl die Legalität der Tötung in Großbritannien stets von einer
unabhängigen Kommission geprüft werden muss, rechtfertigte Premierminister
Johnson die Tötung schon öffentlich. Er behauptete, die britische
Öffentlichkeit würde das auch so sehen.
Khan war 2012 für die Planung eines Terrorangriffs auf die Londoner Börse
und den Aufbau eines Terrortrainingslagers in Pakistan zu einer
unbefristeten Gefängnisstrafe (IPP) verurteilt worden, von der er von
Bewährungshelfer*Innen hätte befreit werden können.
Nach einer Berufung wurde sein Strafmaß auf 16 Jahre herabgesetzt. Nach der
Hälfte der Zeit wurde Khan automatisch unter Bewährungsauflagen entlassen –
ein in Großbritannien übliches Verfahren. Es geht auf die letzte
Labour-Regierung zurück und sollte der Überfüllung der Gefängnisse
entgegenwirken.
Ob es richtig ist, gewalttätige gefährliche Straftäter vorzeitig zu
entlassen, steht nun im Zentrum vieler Debatten. Die Konservativen, die
seit zehn Jahren regieren, hatten die bisherige Regelung nicht abgeschafft,
sondern nur die automatische Entlassung unter Bewährungsauflagen auf zwei
Drittel des Strafmaßes erhöht und IPPs abgeschafft.
Eineinhalb Wochen bis zur Wahl
Eineinhalb Wochen vor der Parlamentswahl versucht Johnson nun die Attacke
[2][schamlos auszunutzen], indem er die Schuld der oppositionellen Labour
Party und damit seinem Herausforderer, Jeremy Corbyn, in die Schuhe
schiebt.
In der BBC konfrontierte der bekannte Moderator Andrew Marr ihn am Sonntag
mit konservativen Regierungsentscheidungen und -ergebnissen seit 2010.
Anders als behauptet steht in Johnsons Parteiprogramm nichts zu Änderungen
des Strafsystems. Johnson hatte bisher nur versprochen, 20.000 zusätzliche
Polizisten einzustellen, was den Kürzungen von bis zu einem Drittel seiner
konservativen Vorgänger folgt.
Dabei hätten sich Suizide in Strafanstalten, Kämpfe zwischen Gefangenen und
Selbstverletzungen mehr als verdoppelt und die Attacken auf das
Gefängnispersonal verdreifacht. Nach weiteren Versuchen, Labour zum
Sündenbock zu machen, gestand Johnson, dass er gegenüber seinen
konservativen Vorgängern eine neue Haltung einnehme.
Oppositionsführer Corbyn hingegen argumentierte, dass Straftäter*Innen
nicht unbedingt ihr volles Strafmaß absitzen müssten. Es hänge davon ab,
was sie innerhalb der Strafanstalten taten. Auch Londons Bürgermeister
Sadiq Khan (Labour) sagte, es sei nicht möglich, Terrorismus und
Sicherheitsprobleme von den bisherigen Kürzungen bei Polizei und Justiz zu
trennen.
1 Dec 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
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