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# taz.de -- Die Wahrheit: Expats in Wonderland
> Deutschland macht Schwierigkeiten? Der und die gut aufgeklärte Expat
> informiert sich im Expatforum. Oder entsteht dort wieder nur eine
> Filterblase?
Bild: Mietendeckel ist überall – egal ob Hamburg oder Berlin
Jetzt ist es raus: Deutschland ist klar im Rückstand. Jedenfalls findet das
„KiTana“ aus Sofia, die seit einigen Wochen in Berlin-Wedding wohnt und
über ein Expatforum nach Gleichgesinnten sucht. Sehr gut! Denn ich, die
unchillaxte Deutsche, habe in diesem Forum ein fremdes Zuhause gefunden, in
dem mir dieses am Postsowjetismus erkrankte Land von außen und innen
erklärt wird. Es ist ja auch so: Es gibt in Deutschland schlechteres
Internet als in der Mongolei, mehr Papierkram als im alten Russland,
Stasimentalität und Third-Reich-Sprech.
Das Expatforum hat auf alle Fragen, die man sich selbst als Einheimische
nicht beantworten kann, auch keine Antworten: Liegt es an mir, oder warum
klingt die deutsche Sprache so unfreundlich? Wer hat sich diese sadistische
Grammatik ausgedacht? Wo finde ich innerhalb von zwei Wochen eine
bezahlbare Wohnung im coolsten oder kinderfreundlichsten Bezirk? Warum ist
die BVG teuer, dreckig und immer zu spät?
Viele dieser Fragen lassen sich sogar bestimmten Herkunftsländern zuordnen:
„Ist die fette Spinne in meiner Küche giftig?“ Australien. „Wo kauft ihr
eure Erdnussbutter?“ USA. „Wo finde ich einen gutbezahlten Job ohne IT- und
Deutschkenntnisse?“ Alle anderen.
Doch warum mindestens einmal pro Monat Posts zur Anbringung von Gardinen,
Jalousien und anderen Privattextilien auftauchen – darauf hat nur User
„Fredissimo“ eine Antwort: die Stasi! Privatsphäre gibt es in Deutschland
schließlich immer noch nicht … und die Nazivorfahren haben in sadistischer
Voraussicht die Decken in den Altbauten mit Absicht so hoch gebaut. Kurzum:
Das Expatforum lebt von Mythen und baut auf Klischees, denn beides
verbindet und macht die Fremde kalkulierbar. Man versteht das.
## Schaltermuttis ohne Wir-Gefühl
Die meisten Bildungsaufträge in Sachen Expatforen beginnen in der Regel mit
Betroffenheit und klarem Wir-Gefühl: „Hey Guys, ist euch auch aufgefallen,
dass grundsätzlich nur wir beim Schwarzfahren erwischt werden?“ Die
Anteilnahme ist groß, wenn ein Spanier seinen Rucksack im Bus liegen lässt
und die Schaltermutti im BVG-Fundbüro nicht mütterlich genug ist oder kein
Wort Spanisch spricht. Wenn ein Italiener abgelaufenen Käse im Supermarkt
kauft und sich beschwert, dass er überhaupt dafür bezahlt hat. Bloß, was
erwartet man von einem Land ohne Anteilnahme, aus dem man seinen Verwandten
nicht mehr als eine Tüte Humorlosigkeit und einen Stock im Arsch als
Souvenir mitbringen kann?
Das Leben in Deutschland, vor allem im selbstvergessenen Berlin, scheint
dem Expat hart, obwohl es hier doch so ziemlich alles gibt, was man sich
als kunst- und möglichkeitsgeiler neuer Stadtbewohner wünscht: Versteckte
Bars in semigentrifizierten Seitenstraßen, echt geheime Ecken, an denen man
lange frierend ansteht, um Craftbiere seltener Start-up-Brauereien testen
zu dürfen. Blöd nur, wenn die Deutschen ihren Gin Tonic dann immer noch auf
Deutsch bestellen.
26 Nov 2019
## AUTOREN
Patricia Hempel
## TAGS
Expats
Gin Tonic
Schwangerschaft
Mietendeckel
Feuer
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