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# taz.de -- Nachruf auf Wladimir Bukowski: Dissident und Gewissenshäftling
> Der Russe Wladimir Bukowski ist am Sonntag mit 76 Jahren gestorben. Er
> arbeite zum Missbrauch der Psychatrie und saß dafür 12 Jahre in
> Lagerhaft.
Bild: Wladimir Bukowski in Zürich kurz nach seiner Freilassung im Dezember 1976
Moskau taz | Wladimir Bukowski war zusammen mit Alexander Solschenizyn
einst der bekannteste Dissident und Gewissenshäftling der Sowjetunion. Am
Sonntag starb der Neurophysiologe in Cambridge im Alter von 76 Jahren an
einem Herzinfarkt.
Zwischen 1963 und 1976 verbrachte Wladimir Bukowski zwölf Jahre lang im
Gulag. Mehrere Jahre saß er auch im bekannten Lager Perm 35 im russischen
Norden.
Erst 1976 wurde der 35jährige zusammen mit seiner Mutter auf dem Flughafen
in Zürich gegen den verhafteten chilenischen Chef der Kommunisten, Luis
Corvalan, ausgetauscht.
Bukowski sei ein „Mensch von unerhörter moralischer Statur“, urteilten
Mitgefangene und ehemalige Dissidenten in der Sowjetunion. Ohne Bukowskis
Enthüllungen über den Missbrauch der sowjetischen Psychiatrie wären die
Methoden der sowjetischen Überwachungsinstanzen erst nach Jahren bekannt
geworden.
## Abweichende Meinungen
Schon 1963 wurde Wladimir Bukowski in eine psychiatrische Anstalt im
damaligen Leningrad eingewiesen. Von Schule und Universität war er wegen
abweichender Meinungen bereits vorher ausgeschlossen worden. „Seine
Persönlichkeit entspricht nicht der eines sowjetischen Studenten“, lautete
das Urteil der Pädagogen und Geheimdienstler.
Schon früh hatte er versucht, Milovan Djilas Buch „Die neue Klasse“ zu
vervielfältigen: Eine der ersten Abrechnungen mit dem frühen
kommunistischen System auf dem Balkan aus der Feder eines enttäuschten
Kommunisten aus Montenegro. Bukowski wurde auch danach noch mehrfach zu
psychiatrischen Behandlungen eingewiesen.
1970 wollte er mit Dokumenten belegen, dass die Psychiatrie aus politischen
Gründen „andersdenkende“ Patienten missbrauchte. Er wurde erneut belangt
und zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Zuvor hatte er eine führende Rolle in der kleinen Moskauer
Dissidentenbewegung bekleiden können. 1968 war auch in der Sowjetunion ein
bewegtes Jahr. Die UdSSR schlug die Reformbewegung Alexander Dubceks, den
Prager Frühling, durch den Einmarsch der Sowjetarmee nieder.
## Liberale Opposition
Auch im Exil blieb Bukowski Russland verbunden. In den 2000ern nahm er an
Versuchen teil, eine tragfähige liberale Opposition zu gründen. Darunter
waren Schachweltmeister Garri Kasparow und der 2015 ermordete
Ex-Vizepremier Boris Nemzow. An der Präsidentschaftswahl 2008 wollte er
teilnehmen, konnte das aber nicht, da er die Voraussetzung nicht erfüllte,
vor der Wahl zehn Jahre in Russland gelebt zu haben.
In den letzten Jahren war Bukowski schwer krank und wurde überdies
verdächtigt, kinderpornographische Fotos heruntergeladen zu haben. Aus
gesundheitlichen Gründen wurde der Prozess immer wieder verschoben und
schließlich eingestellt. Die Vorwürfe bestritt er vehement und äußerte auch
den Verdacht, der russische Geheimdienst stecke hinter den Anschuldigungen.
28 Oct 2019
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Wladimir Bukowski
Dissidenten
Sowjetunion
Psychiatrie
Boris Nemzow
Russland
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