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# taz.de -- Justiz in Russland: „Geschenk des Schicksals“
> Eine Israelin muss wegen ein paar Gramm Gras sieben Jahren in Haft. Das
> könnte der Schlüssel zu einem anderen Fall sein.
Bild: Gnadenlos: Russlands Präsident Wladimir Putin
Moskau taz | Jaffa Issachar wartet seit Monaten auf die Freilassung ihrer
Tochter. Seitdem die 26jährige Naama in [1][Russland] festgenommen wurde,
zog auch Jaffa vorübergehend zur Unterstützung nach Moskau. Beide sind
Staatsbürgerinnen der USA und Israels ohne russische Sprachkenntnisse und
ohne Verbindungen nach Russland.
Am Montag wandte sich Jaffa noch einmal mit einer flehentlichen Bitte um
Begnadigung an den [2][russischen Präsidenten Wladimir Putin]. Auch
[3][Israels Premierminister Benjamin Netanjahu] schaltete sich ein. Auch
Staatspräsident Reuven Rivlin meldete sich mit der Bitte bei Putin, Gnade
vor Recht ergehen zu lassen. Bislang vergeblich. In der vergangenen Woche
war Naama nach sechs Monaten U-Haft von einem Moskauer Gericht zu
siebeneinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
Gewöhnlich werden Drogendelikte von einigen Gramm Haschisch mit einer
Geldstrafe geahndet und der ausländische Delinquent danach außer Landes
geschafft.
Nicht so im Falle Naama Issachars. Seit ein Spürhund auf dem Flughafen
Scheremetjewo im April in einem aufgegebenen Gepäckstück Haschisch
witterte, wird die Israelin wegen neun Gramms Rauschmittel wie eine
gefährliche Gefangene behandelt, die sensible staatliche Interessen
berührte.
## Günstiges Drehkreuz
Zum Hintergrund: Die angehende Yoga-Lehrerin, Naama, wollte noch einmal zum
Unterricht nach Indien reisen. Anfang des Jahres entschied sie sich für den
günstigsten Flug mit Aeroflot über Moskau nach Delhi. Aeroflot versucht
zurzeit, sich als günstiges Drehkreuz zwischen Europa und Asien zu
empfehlen.
Beim Rückflug entdeckte der Schnüffler den Stoff in einem Rucksack, der
Naama jedoch erst in Tel Aviv ausgehändigt worden wäre. Drogenhandel in
Moskau wäre somit unmöglich gewesen. Nun war Moskau aber auf der Suche nach
einer Lösung für einen weitaus heikleren Fall.
Seit 2015 sitzt der russische Hacker Alexei Burkow in Israel fest und
wartet auf Auslieferung in die USA. Dort soll der Meisterhacker unter
anderem wegen Geldwäsche, Betrugs und Hackings angeklagt werden. Interpol
hatte ihn ausfindig gemacht. Er gilt als einer der talentiertesten Köpfe
mit Insiderwissen. Israels Oberstes Gericht hat Burkows Auslieferung längst
beschlossen.
## Nur im Tausch
Moskau will die Israelin jetzt nur im Tausch gegen Burkow ziehen lassen und
gibt sich überraschend viel Mühe, den Delinquenten frei zu pressen.
Offiziell gilt er als gewöhnlicher Gauner, der sich ein paar Millionen
Dollar widerrechtlich besorgt hatte.
Das täuscht womöglich. Denn in seiner Geburtsstadt St. Petersburg sind
keine Informationen über ihn mehr erhältlich. Der Geheimdienst nahm sich
inzwischen des Falls an. Offensichtlich fürchte Russland, Burkow verfüge
über wichtige Informationen, die Russland schaden könnten, meint ein Anwalt
in einem benachbarten Casus.
Präsident Putin soll dem russischen Außenministerium und der Botschaft in
Israel überdies aufgetragen haben, die Auslieferung Burkows zu verhindern.
Der russische Staatsanwalt forderte den israelischen Ex-Justizminister
ebenfalls auf sich einzuschalten.
Das deutet alles auf einen Fall besonderer Wachsamkeit hin. Burkow muss
attraktivstes Beutegut sein. Russische Vertreter sprachen nach dessen
Festnahme in Israel 2015 indes noch von einem „politisierten“ Verfahren,
das ihm in den USA drohe.
## Kein koscheres Essen
Bei Jaffa Issachar sollen sich zuletzt auch israelische Freunde Burkows
gemeldet haben: Naama komme frei, wenn Burkow nach Russland entlassen
werde, lautete deren Botschaft.
Naama Issachar ist aus russischer Sicht ein „Geschenk des Schicksals“,
meinen russische Medien. In der Haft erhält sie weder koscheres Essen noch
werden jüdische Feiertage eingehalten. Schon mehren sich Stimmen aus
russisch-jüdischen Gemeinden mit einem Antisemitismusverdacht.
Treffender formulierte es jedoch der israelische Umweltminister, der
Landsleuten riet, „gut zu überlegen, ehe sie über Russland fliegen“. Selb…
Kenntnis der Strafgesetzgebung reiche nicht immer, auch lebensweltliche
Gepflogenheiten seien nicht zu missachten.
22 Oct 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Drogen
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Investigativer Journalismus
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