Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutsche Bank beschenkt Chinas Mächtige: Von Fliegen und Tigern
> Die Deutsche Bank soll sich mit Geschenken Zugang zu führenden Kadern in
> China verschafft haben. Das ist eine weit verbreitete Praxis.
Bild: Kleine Aufmerksamkeiten: Gucci-Store in Hongkong
Berlin taz | Eine Hifi-Anlage der Marke Bang & Olufsen,
Château-Lafite-Rothschild-Wein, Jahrgang 1945, Gucci-Handtaschen, ein Tiger
aus Kristallglas im Wert von rund 15.000 Dollar – solche Gefälligkeiten an
chinesische Spitzenkader und deren Angehörige gehörten zwischen 2002 bis
2014 offenbar zum Geschäftsgebaren der Deutschen Bank. Das zumindest geht
aus einer gemeinsamen Recherche von [1][WDR], New York Times und
[2][Süddeutscher Zeitung ] hervor; das Rechercheteam hat interne
Bankdokumente ausgewertet.
Und damit nicht genug. Die Deutsche Bank soll dem Rechercheteam zufolge
rund 100.000 Dollar an eine dubiose Beraterfirma überwiesen haben. Außerdem
habe Deutschlands größtes Bankhaus mehr als einhundert Angehörige
einflussreicher Chinesen eingestellt. Dabei habe es sich meist um die
Sprösslinge von hochrangigen Kadern oder Chefs staatseigener Betriebe
gehandelt.
Angeblich soll Schmiergeld bis in die Familie des damaligen chinesischen
Premierministers Wen Jiabao geflossen sein. So habe die Deutsche Bank unter
anderem versucht, den Weg für ihren Einstieg bei der staatlich
kontrollierten Huaxia-Bank im Jahr 2005 zu ebnen.
Typisch Deutsche Bank, möge man meinen angesichts der vielen Skandale, die
in den letzten Jahren zutage gekommen sind. Nur: Die Deutsche Bank war
keineswegs das einzige Unternehmen, das in dieser Zeit versuchte, mit Hilfe
von Geschenken und Gefälligkeiten Zugang zu führenden Kadern zu
verschaffen. Luxusgeschenke, rote Couverts mit Geld darin und ähnliche
Gefälligkeiten dieser Art waren in jenen Jahren in der kommunistisch
geführten Volksrepublik auf so ziemlich allen Ebenen gang und gäbe.
## Korruption war in China verbreitete Praxis
Was Bestechung, Vetternwirtschaft und Korruption betrifft, war die
Toleranzschwelle in China bis dahin traditionell hoch. Schon lange bevor
Wohlstand Einzug in die Volksrepublik hielt, gehörte es zum guten Ton, sich
gegenseitig Geschenke zu machen – egal ob es um die Pflege von
Geschäftsbeziehungen ging oder einfach um eine nette Geste. Und wenn auch
mal in einem hübschen roten Umschlag mit goldenen Schriftzeichen etwas
Bargeld steckte – warum nicht? So etwas schenken Eltern ihren Kindern auch
zum chinesischen Neujahrsfest.
Was ab den späten neunziger Jahren bis 2014 über „Geschenke“ an Beamte,
Parteikader und ihren Familienangehörigen ging, übertraf jedoch auch das,
was in China üblich war. Als 2013 der jetzige Staats- und Parteichef Xi
Jinping an die Macht gelangte, kam zutage, welches Ausmaß Bestechung,
Korruption und Vetternwirtschaft angenommen hatten.
## Westliche Luxusbranchen verdienten prächtig daran
In den zehntausenden Korruptionsfällen, die ab 2013 bekannt wurden, ging es
keineswegs mehr um Gefälligkeiten etwa an Politessen in Form von einem
Hundert-Yuan-Schein bei Parkverbot. Egal ob bei der Stelle für
Genehmigungen von Baugrundstücken, Steuerhinterziehung, Schutzgeld – selbst
bei der Vergabe von Aufträgen sowohl an Privat- als auch an
Staatsunternehmen flossen Millionen an die zuständigen Parteisekretäre. Neu
war vor allem, in welch schwindelnder Höhe sich viele Kader bereichert
hatten.
Hinzu kam, dass das Tragen von westlichen Luxusartikeln wie nicht zuletzt
auch Schweizer Armbanduhren, Lederwaren, und Kaschmirschals noch
verhältnismäßig neu waren für die neureichen Chinesen. Entsprechend wichtig
waren ihnen diese Statussymbole. In keinem Land erzielten Rolex, Cartier,
Louis Vuitton und die Swatch-Grupe (Omega, Longines, Tissot) in dieser Zeit
so hohe Zuwachsraten wie in China.
## 1.000 Yuan Wegegeld
Und ausländische Unternehmen passten sich entsprechend an – nicht zuletzt
deutsche. Der Autor dieses Textes etwa besuchte 2013 in Peking die
Pressekonferenz einer bekannten Stuttgarter Autofirma. Adrette junge Damen
überreichten ihm zu Beginn des Gesprächs eine Tüte, in der neben
Informationsmaterial, Block und Kugelschreiber auch ein rotes Couvert
steckte. Darin waren zehn frisch gedruckte 100-Yuan-Scheine zu finden, das
entspricht nach heutigem Umrechnungskurs rund 140 Euro. Als „Wegegeld“
wurde das Geld unter chinesischen Journalisten bezeichnet.
Als die Angestellten feststellten, dass er gar kein chinesischer Journalist
war, sondern für deutschsprachige Medien schrieb, nahmen sie ihm die Tüte
wieder ab und tauschten sie – sich zigfach entschuldigend für dieses
Versehen – durch eine Tüte aus mit demselben Informationsmaterial, aber
ohne rotem Umschlag.
## Xi räumt auf
Heute gelten Begünstigungen, wie sie unter anderem die Deutsche Bank viele
Jahre lang pflegte, als hoch riskant. Präsident Xi schwor sich gleich zu
Amtsbeginn 2013, mit dieser weit verbreiteten Praxis aufzuräumen. Er
überrollte das Land mit einer Antikorruptionskampagne, die bis heute
anhält. Er werde weder „Tiger noch Fliegen“ verschonen, hatte er damals
angekündigt, also weder hohe Funktionäre noch einfache Beamte. Und Xi hielt
Wort: Offiziellen Angaben zufolge sind seitdem mehr als 1,3 Millionen
Beamte und Parteifunktionäre bestraft worden, darunter zahlreiche einst
ranghohe Spitzenkader sowie Generäle der Volksbefreiungsarmee.
Und die Deutsche Bank? Sie wurde Opfer ihres eigenen Gebarens. Der in den
nuller Jahren für das China-Geschäft zuständige Top-Manager Lee Zhang, der
laut Süddeutscher Zeitung im Mittelpunkt fast aller dubiosen Vorgänge
stand, verließ die Deutsche Bank 2010. 2014 verklagte sie ihn. Im Zuge
seiner Großzügigkeit gegenüber chinesischen Top-Kadern soll er knapp 4
Millionen Dollar für sich behalten haben.
16 Oct 2019
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/deutsche-bank-china-101.html
[2] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-china-faq-1.4640647
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
Deutsche Bank
KP China
China
Schwerpunkt Korruption
Vetternwirtschaft
China
Mao Tsetung
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Konzern knickt ein: Apple buckelt vor Peking
Der US-Konzern gibt dem Druck aus Peking nach: Er nimmt eine App aus seinem
Store, die aus China-Sicht die Proteste in Hongkong unterstützt hat.
70 Jahre Volksrepublik China: Was kommt nach dem Wachstum?
Am 1. Oktober feiert China 70 Jahre Volksrepublik. Das System hatte oft
Erfolg, doch es wird an seine Grenzen stoßen. Oder sich neu erfinden.
Chinas Sozialkreditsystem: Die Kontrolle trifft EU-Firmen
Die Führung in Peking will ihr Sozialkreditsystem auf die Wirtschaft
ausweiten. Europäische Firmen sind wenig vorbereitet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.