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# taz.de -- Kaïs Saïed gewinnt Wahl in Tunesien: Hoffen auf eine soziale Revo…
> Tunesien hat mit großer Mehrheit einen konservativen Puristen zum
> Präsidenten gewählt. Das Land hat genug von eitlen Politikern und
> heuchlerischen Islamisten.
Bild: Außenseiter for president: Der parteilose Verfassungsrechtler Kaïs Saï…
Ein Außenseiter wird der nächste Präsident Tunesiens. Der parteilose
Verfassungsrechtler Kaïs Saïed bekommt nach Angaben des
Meinungsforschungsunternehmens Sigma Conseil 77 Prozent der Stimmen. Der
61-Jährige wurde am Sonntag vor allem von jungen Tunesier*innen und
Akademiker*innen gewählt. 90 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 25
Jahren und 86 Prozent der Akademiker, die ihre Stimmen abgaben, wählten
ihn. Er absolvierte seinen Wahlkampf ohne großes Kampagnenteam und ohne
Unterstützung einer eigenen Partei. In Fernsehdiskussion schnitt der
hocharabisch sprechende Kandidat überlegen ab. Ein Purist.
Die Sehnsucht danach ist groß: Man hat genug von eitlen Politikern,
heuchlerischen Islamisten, von Bereicherung, Inkompetenz, dem unbedingten
Willen zur Macht. Kaïs Saïed gilt als integer, ehrlich und sozial. Unter
anderem fordert er neue politische Beteiligungsmodelle von unten und eine
Dezentralisierung der politischen Macht. All das macht ihn für Jugendliche,
aber auch Linke attraktiv. Kaïs Saïed ist aber auch ein gestandener
Konservativer, der sich weder für die Rechte der Frauen noch für die Rechte
von Minderheiten starkmacht. Um so mehr wundert es, dass immerhin 73
Prozent der wählenden Frauen für ihn gestimmt haben.
Es ist unübersehbar: Die soziale Frage bestimmt die Wahlen in Tunesien. Und
sie verlangt radikale Änderungen, neue Ansätze. Tunesien kämpft mit großen
wirtschaftlichen Problemen, Arbeitslosigkeit, Inflation. Die meisten
Jugendlichen würden das Land lieber heute als morgen verlassen. Radikale
Reformen, Veränderung, Gerechtigkeit – all das verkörpert der Verlierer der
Präsidentschaftswahl, der Medienunternehmer Nabil Karoui am allerwenigsten,
auch wenn er als der moderne Liberale gilt. Karoui saß bis Mitte
vergangener Woche noch wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und
Geldwäsche [1][in Untersuchungshaft]. Mit seinem Privatsender Nessma machte
er aggressiven Wahlkampf und tat sich vor allem lautstark mit Spenden für
die Armen hervor.
Doch von Charity haben die Tunesier genug. Sie wollen eine Zukunft und
Perspektiven. Bei der [2][P][3][arlamentswahl in der vergangenen Woche]
wurde die islamistische Ennadha mit 52 der insgesamt 217 Sitze zwar
stärkste Partei, aber sie hat sehr viel an an Zuspruch eingebüßt und ist
von einer regierungsfähigen Mehrheit weit entfernt. Die bisher regierende
Partei Nida Tounes verschwand ganz von der Bildfläche. Sie wurde als Partei
der Mitte durch die von Präsidentschaftskandidat Karoui neu gegründete
Partei „Kalb Tounes“ (Herz von Tunesien) ersetzt.
Die Wahlbeteiligung bei der Präsidentenwahl am Sonntag war mit 58 Prozent
weit höher als bei der Parlamentswahl letzte Woche mit nur 41 Prozent.
Dabei wird die Politik des Landes vom Parlament und nicht vom Präsidenten
gemacht. Grund dafür mag die Unübersichtlichkeit der Parteienlandschaft bei
den Parlamentswahlen gewesen sein. Möglicherweise ist das aber auch noch
ein Reflex aus den Zeiten der 2011 abgeschafften Diktatur: der Ruf nach dem
starken Mann, der es richten soll, da die junge Demokratie in den Untiefen
der politischen Arbeit zu versacken droht und an den gesellschaftlichen und
sozialen Herausforderungen scheitert.
14 Oct 2019
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## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Tunesien
Ennahda-Partei
Zehn Jahre Arabischer Frühling
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