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# taz.de -- Bauern wehren sich nicht: Agrarlobby verhindert Fortschritt
> Massentierhaltung wird in Niedersachsen vor allem von der CDU getragen,
> deren Vertreter auch in den Bauernverbänden sitzen.
Bild: Schlecht auch fürs Klima: Massentierhaltung
Hamburg taz | Niedersachsen ist das Land der Massentierhaltung und
Deutschlands größter Fleischproduzent: Jedes dritte Schwein aus Deutschland
wird hier gemästet. Damit das so bleibt, setzen sich Agrarfunktionär*innen
für die Interessen der Big-Player ein, also der wenigen Großkonzerne wie
zum Beispiel die Geflügelriesen Wiesenhof und Rothkötter. Dabei werden sie
vom Deutschen Bauernverband (DBV) und der CDU massiv unterstützt. Kleine
Höfe gehen hingegen leer aus, was nicht nur Landwirt*innen, sondern auch
Umweltschützer*innen Sorge bereitet.
Eine im April veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeit und
Wirtschaft (IAW) der Uni Bremen legt offen, dass wenige Funktionär*innen an
Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft sitzen und dort Verordnungen
gegen wissenschaftliche Empfehlungen treffen. Ein Beispiel sind die lange
lasch gehaltenen Düngeregeln, die zur Nitratverseuchung des Grundwassers
führen. Ein anderes staatliche Subventionen für Agrariesen, wie den größten
Schlachthof Europas in Wietze bei Celle, der mit 6,5 Millionen Euro
EU-Geldern gefördert wurde.
Ein bekanntes Gesicht der Agrarlobby in Niedersachsen ist Franz-Joseph
Holzenkamp, der nicht nur bis 2017 CDU-Bundestagsabgeordneter war, sondern
auch wichtige Gremienposten in der Agrarindustrie bekleidet. Während der
Debatte zur Gülleverordnung setzte er sich vehement gegen eine von
Wissenschaftler*innen geforderte Verschärfung der Grenzwerte ein.
Kein Zufall, dass Holzenkamp gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender bei
einem der größten Düngemittelhändler Deutschlands, der „Agravis AG“ war,
die sein Gehalt während der Verhandlungen von 7.000 auf 15.000 Euro
aufstockte. Wie viele Politiker*innen in der CDU hatte auch er im Laufe
seiner Karriere eine wichtige Position im niedersächsischen Bauernverband
„Landvolk“ inne. Durch die Posten in wichtigen Gremien verhindern
Lobbyist*innen, dass ein Wandel zugunsten des Klimaschutzes in der
Landwirtschaft auf den Weg gebracht werden kann.
## Auch für die Umwelt fatal
Denn nicht nur für Tiere, sondern auch für die Umwelt ist Massentierhaltung
fatal: Sojafutter wird aus der Regenwaldregion in Südamerika importiert, im
größten Futtermittelhafen Niedersachsens in Brake gesammelt und dann
verfüttert. Die Gülle der vielen Tiere landet auf den Feldern oder in den
Flüssen, sickert ins Grundwasser und landet im Meer. Bereits 60 Prozent der
niedersächsischen Fläche ist nitratbelastet.
Kleine Höfe, die ihre Tiere mit eigenem Heu füttern, haben es immer
schwerer, sich ohne große Subventionen über Wasser zu halten. Das führt zu
einem Hofsterben. Die Betriebe, die übrig bleiben, kaufen das Land auf und
werden größer, um auf dem Markt mitzuhalten. Dabei sind es gerade kleine
Bauernhöfe, die nachhaltige Landwirtschaft betreiben.
Aber Betreiber*innen von Großmastbetrieben profitieren laut dem ehemaligen
Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) auch nicht von der
Lobbypolitik: „Die Bauern, die für Betriebe wie Rothkötter arbeiten, haben
kaum Handlungsfreiheit und sind am Ende nur Lohnmäster.“ Der Konzern
schreibe ihnen beispielsweise vor, wie viele Tiere sie halten und welches
Futter sie kaufen müssten. Aus den Verträgen wäre es außerdem schwierig
auszusteigen.
Trotzdem allem sind rund 90 Prozent der Bäuer*innen Mitglied im
Niedersächsischen Bauernverband „Landvolk“. „Kreisstellen des Landvolkes
bieten Rechts- und Sozialberatung und haben oft auch ein Steuerbüro. Sobald
man nicht im Bauernverband ist, wird man schlechter oder gar nicht
beraten“, sagt Ulrich Jasper, der sich in der unabhängigen
„Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“ für faire
Erzeuger*innenpreise und einen Umbau in der Tierhaltung einsetzt. Obwohl
sich der Verband für kleine Betriebe stark macht, entscheiden sich die
meisten Bäuer*innen für eine Mitgliedschaft beim „Landvolk“.
Jasper kann auch den Unmut der Bäuer*innen verstehen, die gegen die Politik
von Theoretiker*innen aus den Städten wettern: „Die Kunden sehen die
Defizite in der Landwirtschaft und formulieren Anforderungen. Da fehlt aber
eine vermittelnde Instanz, die sagt was praktisch möglich ist.“ Er will
sich weiter für eine klimaneutrale Landwirtschaft einsetzen, in der es
nicht nur um Profite geht. „Dafür müsste sich die Politik ändern und die
Bauern im Bauernverband mutiger werden, sich zu widersetzen.“
Doch solange Agrarwirtschaft, Bauernverband und Politik an einem Strang
ziehen, ist ein Umbau der Landwirtschaft und die Abschaffung der
Massentierhaltung kaum realisierbar. Über eine von der CDU geforderte
freiwillige „Tierwohlprämie“ könnten sich höchstens die Verbraucher*innen
freuen, denen das schlechte Gewissen beim Blick auf das Siegel genommen
wird.
19 Sep 2019
## AUTOREN
Inga Kemper
## TAGS
Landwirtschaft
Massentierhaltung
Bauernverband
Stickstoffdioxid
Landwirtschaft
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