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# taz.de -- Brexit-Verhandlungen: Johnson lotet Grenzen der EU aus
> Großbritanniens Premier Johnson reist zu Gesprächen nach Berlin und
> Paris. Im Mittelpunkt steht der Backstop gegen eine EU-Außengrenze auf
> Irland.
Bild: Pokert bis zuletzt: der britische Regierungschef Boris Johnson
BERLIN taz | „Dear Donald“: Kurz vor seinen Abstechern nach Deutschland und
Frankreich hat Großbritanniens konservativer Premierminister Boris Johnson
die EU am Montagabend mit einem Brief an den EU-Ratschef Donald Tusk zu
neuen Brexit-Verhandlungen aufgefordert. „Die von uns angestrebten
Änderungen beziehen sich in erster Linie auf den Backstop“, schreibt der
Regierungschef. Johnson verlangt, diese Garantieklausel aus dem
Austrittsabkommen zu streichen, und spricht von alternativen Lösungen –
ohne diese konkreter zu benennen.
Tusks Reaktion am Dienstag fiel knapp und harsch aus: Der Backstop sei eine
Absicherung, um [1][eine harte Grenze auf der Insel Irland zu vermeiden],
falls und bis es eine Alternative gebe, erklärte der polnische Politiker am
Dienstag. „Diejenigen, die gegen den Backstop sind und keine realistischen
Alternativen vorschlagen, unterstützen eigentlich die Wiederherstellung
einer Grenze. Auch wenn sie es nicht zugeben.“
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Johnsons Forderung zurückgewiesen,
das EU-Austrittsabkommen erneut aufzuschnüren. Wenn man wolle, könne man
innerhalb kurzer Zeit eine praktische Lösung für die Grenze finden. „Die EU
ist dazu bereit“, betonte Merkel. „Dazu müssen wir das Austrittsabkommen
nicht aufmachen“, fügte sie am Dienstag in der isländischen Hauptstadt
Reykjavik hinzu.
Der sogenannte Backstop ist seit geraumer Zeit Zankapfel im Brexit-Streit.
Mit dem Brexit entsteht auf der irischen Insel eine EU-Außengrenze zwischen
der Republik Irland und Nordirland. Normalerweise werden an solchen Grenzen
Menschen und Waren kontrolliert, dafür braucht es eine sichtbare
Infrastruktur. Der Backstop ist eine Art Garantie, mit der Grenzkontrollen
auf der irischen Insel verhindert werden sollen. So wollten die EU und die
ehemalige britische Regierungschefin Theresa May abwenden, dass Konflikte
zwischen proirischen Katholiken und probritischen Protestanten wieder
aufflammen.
## „Undemokratisch“
Die Notfallklausel würde nicht sofort in Kraft treten, sondern dann, wenn
die EU und das Vereinigte Königreich es in der Übergangsphase nicht
schaffen sollten, ein gemeinsames Handelsabkommen zu schließen – also bis
Ende 2020. Mit dem Backstop bliebe Großbritannien Teil einer Zollunion, bis
eine andere Lösung gefunden ist, Nordirland bliebe zusätzlich noch im
europäischen Binnenmarkt.
Deswegen sieht Premier Johnson in der Garantieklausel ein „Instrument der
Einkerkerung“. Viele Brexit-Befürworter lehnen den Backstop ab, weil sie
befürchten, ewig in der EU-Handelspolitik gefangen zu sein.
In seinem Brief erklärt Johnson, ohne den Backstop könne [2][ein
Ausscheiden des Königreichs ohne Scheidungsvertrag zum 31. Oktober]
verhindert werden – der No-Deal-Brexit. „Ich hoffe sehr, dass wir mit einem
Abkommen austreten werden.“ Darauf werde seine Regierung hinarbeiten.
Am Wochenende hatte die Sunday Times aus geleakten Dokumenten der
britischen Regierung berichtet, nach denen London im Fall eines
No-Deal-Brexits Engpässe bei Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin sowie
einen monatelangen Zusammenbruch in den Häfen befürchtet.
Der britische Regierungschef nennt den Backstop nun sogar „undemokratisch“,
außerdem schränke er die staatliche Souveränität Großbritanniens ein und
schwäche die Friedensregelung im Karfreitagsabkommen für Irland. Die
Möglichkeit, seine eigenen Regeln zu machen, sei der wesentliche Sinn des
Brexit, aber genau das mache der Backstop unmöglich.
## Noch schert keiner aus
Stattdessen schlägt Johnson nun vor, „alternative Lösungen“ für die
Grenzkontrollen zu finden. Wie diese aussehen könnten, führt er nicht
weiter aus. Geht es nach ihm, sollen sich die britische Regierung und die
EU rechtlich dazu verpflichten, keine Grenzkontrollen durchzuführen. Wie
Irland darauf reagieren würde, war wohl auch Boris Johnson klar –
schließlich hatte er am Montagabend fast eine Stunde lang mit dem irischen
Ministerpräsidenten Leo Varadkar telefoniert. Nach offiziellen Angaben
beharrten beide auf ihren Positionen, die Iren bestehen auf der von den 27
bleibenden EU-Mitgliedern befürworteten Backstop-Lösung. Bisher schert
keiner der Staaten aus.
Ähnlich unerquicklich dürften deswegen auch die Besuche in Berlin und Paris
werden. Am Mittwoch wird Johnson bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
erwartet, am Donnerstag bei Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron,
bevor es zum G7-Gipfel in Biarritz geht, der am Samstag beginnt.
Bei den Staats- und Regierungschefs und bei EU-Ratschef Donald Tusk mag der
britische Regierungschef sich umsonst bemühen – am Montag aber hatte sich
Johnson schon mit einem anderen Donald getroffen, der ihm bereits in der
letzten Woche einen „fantastischen und großen Handelsdeal“ mit den USA in
Aussicht gestellt hatte.
20 Aug 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Eva Oer
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