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# taz.de -- Filmempfehlung für Berlin: Anziehung durch Unterschiede
> Das Kino fsk zeigt unter der Überschrift „In many imperfect ways“ eine
> kleine Sommerreihe mit sechs Spielfilmen über lesbische Liebe.
Bild: Beim nach-dem-Weg-Fragen kennengelernt: Syd und Katie in „Princess Cyd�…
Nina und Magda sitzen in der Badewanne, umspielt von Wasser, der Haut der
jeweils anderen und rotem Licht. Ein intimer Moment, vielleicht der erste
wirkliche zwischen ihnen. Von der Lichtstimmung her erinnert er aber auch
an eine andere Situation, in welcher sich die beiden Frauen bereits zuvor
wiedergefunden hatten – in einer Installation nämlich, die einer
Gebärmutter nachempfunden war und in der es sich behaglich und geschützt
räkeln ließ.
Diese gigantische Gebärmutter, der gemeinsame Aufenthalt in der Badewanne
und schließlich ein erneuter Besuch der Ausstellung samt Uterus (dieses Mal
von Nina allein) sind gewissermaßen Unterkapitel in Olga Chajdas Film
„Nina“ (Polen 2018), der eine seltsame, mitunter intensive Reise ist, auf
die man sich mit den Frauen begibt (tatsächlich spielt, letztlich zum
Leidwesen beider, auch ein Mann eine Rolle): Motive wie Sehnsüchte ändern
und widerlegen sich mehrfach, manchmal plötzlich und impulsiv.
Gut also, dass es diese nicht direkt ausgewiesenen Pausen gibt, in der
Wanne, in der Installation, in denen Sammlung, Einkehr möglich ist. Und die
ist auch nötig, denn: Nina und Magda haben sich ineinander verliebt.
Geplant war das nicht. Nina und ihr Mann Wojtek (das ist der, mit dem es
später noch kompliziert werden soll) haben Magda vielmehr auserkoren, jenes
Kind auszutragen, das sich Nina und Wojtek wünschen, aber auf dem üblichen
Wege nicht bekommen können.
## Lustvolle Bereiche
Die um einiges jüngere Magda ist mehr oder weniger zufällig in das
bürgerliche Leben der beiden, die seit der Schulzeit ein Paar sind, geweht.
Große Fragen, einmal abgesehen von der schwer erfüllbaren Elternschaft,
scheinen sie nicht mehr aneinander zu richten. Für derlei Anliegen muss bei
Nina der Französischunterricht herhalten, den sie an einem Gymnasium
erteilt und der ihr als offenes Feld dient, der eigenen Erotik (hier ist es
eine eher vergeistigte) nachzugehen.
Dass es diese lustvollen Bereiche unbedingt braucht, davon erzählt nicht
nur „Nina“, sondern auch „Princess Cyd“ (USA 2017) von Stephen Cone. Ein
weiterer der insgesamt sechs Spielfilme, die das Kino fsk in dieser Woche
unter der Überschrift „In many imperfect ways“ zeigen wird. Eine kleine
Sommerreihe zu lesbischer Liebe.
In „Princess Cyd“ bahnt sich diese ganz klassisch an. Cyd, gerade bei ihrer
Tante in Chicago zu Besuch, weil es daheim Schwierigkeiten mit dem Vater
gibt, joggt eines Tages durch die Straßen und stellt fest, dass sie die
Orientierung verloren hat. Kurzerhand betritt sie ein Café und bittet um
Auskunft. Diese erteilt ihr Katie, die mit Irokesen und wachen Augen hinter
der Kaffeemaschine steht.
Was zwischen Katie und Cyd geschieht, ist im Grunde eine schöne
Girl-meets-Girl-Geschichte (welche abermals durch von Männern verursachte
Zwischenfälle gestört wird, einmal sogar in Form einer versuchten
Vergewaltigung) – besonders interessant aber ist das Verhältnis, das sich
zwischen Cyd und ihrer Tante Miranda, einer populären Schriftstellerin, die
noch immer im Haus ihrer Kindheit lebt, entwickelt.
Es kulminiert in einem Verhandeln nach eben diesen lustvollen Bereichen,
die sich für die Frauen höchst unterschiedlich gestalten, aber aufgrund der
Begegnung doch miteinander in Verbindung treten. Bewegt sich Miranda in
einer extrem vergeistigten Welt, in der sie etwa darüber nachdenkt, ob es
eigentlich einen Unterschied zwischen materiellen und immateriellen
Phänomen gibt, spielt Cyd lieber Fußball und badet auf der Wiese in der
Sonne.
## Verzicht auf Sex
Anziehung entsteht gerade durch den Unterschied – so auch in „Nina“. Denn
während Nina vor ihren Schülern über „Les Mepris“ sinniert, verdingt sich
Magda an der Sicherheitskontrolle eines Flughafens und verbringt ihre
Nächte, wenn Nina und Wojtek ihre Langeweile mit hochpreisigem Rotwein
kaschieren, in einschlägigen Clubs. Ebenso in „Anker der Liebe“
(Großbritannien 2018) von Carlos Marques-Marcet. Dort begehren sich Eva,
spirituell angehaucht und ebenfalls mit Kinderwunsch, und Kat, die auf den
ersten Blick aussieht wie Julian Casablancas zu seinen besten Zeiten.
Weil in der eigentlichen Liebesgeschichte von „Princess Cyd“, der zwischen
Tante und Nichte (am Ende ist sogar ein „I love you“ aus dem Telefon zu
hören), aber auf jegliche ausgelebte Sexualität verzichtet wird, überträgt
sich der Austausch auf den Dialog sowie das sich gegenseitige Beobachten
und Inspirieren.
Auf einmal liegt auch Miranda im Badeanzug auf der Wiese. Und Cyd mit
Büchern im Bett. Die Intimität zeigt sich nicht über gemeinsame Aufenthalte
in der Badewanne wie bei Nina und Magda, sondern geschieht vielmehr
zeitversetzt und mehrheitlich allein. Es ist eine Bindung, die in letzter
Konsequenz natürlich nicht mit der zwischen Cyd und Katie oder Kat und Eva
oder Nina und Magda zu vergleichen ist. Aber es ist auch eine Liebe
zwischen Frauen, die sogar mehrere Generationen überspannt und, anders als
in „Anker der Liebe“ und „Nina“, ungetrübt von Fortpflanzungsproblemen
existiert.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
31 Jul 2019
## AUTOREN
Carolin Weidner
## TAGS
lesbisch
Filmreihe
taz Plan
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