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# taz.de -- Symposium zur Nachhaltigkeit in Berlin: Dem Ausquetschen ein Ende
> Das Konzept Nachhaltigkeit kehrt in Zeiten von „Fridays for Future“ an
> die Hochschulen zurück. Darum ging es jetzt auf einem Symposium in
> Adlershof.
Bild: Wir pressen die kommenden Generation aus, sagt Gregor Hagedorn von „Sci…
Nach dem veganen Mahl muss jeder Esser in den Bambus-Kubus, wo die
temporäre Spüle aufgebaut ist, um Teller und Besteck zu säubern. Das
Waschwasser fließt hinten in eine grüne Tonne, die mit Schilfgras bestückt
ist. Über Nacht holen die Pflanzen die Nährstoffe aus der Brühe, das
gereinigte Wasser kann in den Uni-Garten dahinter geschüttet werden. Fast
ein perfekter Kreislauf, wären dort auch noch die Tomaten für die
Zubereitung des nächsten Essens früher gereift. „Leider haben wir die
Pflanzen zu spät gesetzt“, bedauert Rebecca Helwig, Geografie-Studentin an
der Humboldt-Universität, die das Urban-Gardening-Projekt der
HU-Studierenden in Adlershof betreut.
Das Sommer-Symposium unter dem Motto „Generation Nachhaltigkeit“,
organisiert auf dem Campus Adlershof vom studentischen Nachhaltigkeitsbüro
der HU, wollte am Wochenende nicht nur theoretisch über den ökologischen
Wandel reflektieren, sondern ihn in der „Werkstatt für Zukunftsgestaltung“
so alltagsnah wie möglich praktizieren. Es werde, hieß es, bereits die
fünfte „grüne Uni von unten“, die in den Themenfeldern „Stadt, Land, Fo…
„Systemwandel“ und „Aktivismus“ nicht nur klüger mache, sondern mit Mu…
und Freiluftyoga in der „Werkstatt für Zukunftsgestaltung“ auch für nicht
intellektuelle Entspannung sorge.
„In unserem Nachhaltigkeitsbüro machen im Schnitt 20 Aktive mit“, berichtet
Pascal Kraft, ebenfalls Geografie-Student und einer der Organisatoren, im
Gespräch mit der taz. Seit mehreren Jahren stellt das Büro den Fixpunkt der
studentischen Aktivitäten dar, um das Thema Nachhaltigkeit sowohl in die
Lehre – etwa mit einer Ringvorlesung zu Umweltthemen –, aber auch in das
universitäre Management einzubringen.
Jüngst beschloss der Akademische Senat der HU auf Anregung der Studis, ein
„Nachhaltigkeitskompetenzzentrum“ einzurichten, um der akademischen
Ökologisierung weiteren Schub zu geben. Auch eine Studierendengruppe von
„Fridays for Future“ hat sich inzwischen gegründet, sie beteiligt sich
wöchentlich mit etwa 50 Kommilitonen an den öffentlichen Klimaprotesten der
Berliner Schüler. Student Kraft ist froh über die neue Protestbewegung,
denn die Gefährdung der natürlichen Umwelt wird für ihn immer greifbarer.
„Diese Bewegung darf nicht scheitern“, sagt er. „Die Zeit läuft uns davo…
Das bestätigt auch Gregor Hagedorn, Initiator der Wissenschaftlergruppe
„Scientists for Future“, in seinem Einführungsvortrag. Binnen wenigen
Wochen hätten sich im Frühjahr 27.000 Forscher dem Gründungsappell
angeschlossen. Die Gruppe will den protestierenden Schülern mit Fakten und
neuen Untersuchungen beistehen.
Im gruftig anmutenden Vortragsraum des Studentencafés „Mops“
(„Motorenprüfstand“) legt der Naturwissenschaftler Hagedorn detailliert
dar, warum die deutsche Politik das Pariser Klimaabkommen mit ihren
bisherigen Maßnahmen nicht erfüllen kann. Er benutzt den Begriff „Squeeze“
für das „Ausquetschen der künftigen Generationen“ und ihrer
Zukunftsmöglichkeiten durch die heutige Politik, die sich wirksamer
Transformation verweigere. „Es geht bei diesem Konflikt um grundlegende
Gerechtigkeitsfragen“, betont Hagedorn. Das erkläre auch den Rückhalt, den
die Fridays-Proteste der Schüler in der breiten Bevölkerung fänden.
Den Protestschub aus den Schulen hinein in die Unis hat auch Verena Salomon
festgestellt, die zum Kernteam des bundesweiten Netzwerk N (wie
Nachhaltigkeit) gehört. Das Netzwerk trainiert Studierende anden deutschen
Hochschulen, sich dort für ökologische Belange einzusetzen und hat dafür
das Instrument des „Wandercoachings“ erfunden. Die Idee fand das
Bundesforschungsministerium so originell, dass es die Graswurzelbewegung
seit fünf Jahren finanziell fördert. Inzwischen konnten von mehr als 400
Hochschulen rund 70 von den nachhaltigen Wander-Trainern besucht werden.
„Ganz zentral ist dabei der Faktor Empowerment, um die Studierenden zu
befähigen, selbst etwas an ihrer Uni zu bewegen“, sagt Salomon, die in Jena
Organisationsentwicklung studiert hat. Insgesamt schätzt sie, dass in der
deutschen Hochschullandschaft rund 60 Prozent der Einrichtungen bereits von
„grünen Ideen“ infiziert sind. Die größten Änderungen sieht sie in der
Lehre, aber auch im Betrieb der Hochschule, etwa beim Energiesparen oder
der Nutzung regenerativer Energien.
Dass die Schülerbewegung der Fridays for Future in Deutschland so rasant
zugelegt hat, hat die Netzwerk-Managerin auch überrascht. Vielleicht spiele
dabei auch ein semantischer Faktor eine Rolle: „Was wir Studierenden als
Nachhaltigkeit einforderten, wird heute als Protest gegen den Klimawandel
auf die Straße getragen“, sagt Verena Salomon, die auch Umweltpsychologie
studiert hat. „Dieser Begriff macht das Phänomen für viele Menschen besser
begreifbar.“ Womöglich heißt das nächste grüne Lerncamp „Generation
Klimawandel“.
Unter der sengenden Sonne ist die Wiese vor dem „Mops“ inzwischen ziemlich
gelb geworden. Wenn die Teilnehmer des Symposiums hier relaxen, blicken sie
auf zwei urtümliche Betonbauten, die hier keine sinnvolle Funktion haben.
Die wenigsten wissen um den historischen Hintergrund: Die Röhre des
Motorenprüfstands und das Riesen-Ei des Trudelturms waren im Dritten Reich
Experimentierstätten für Görings Kriegsflugzeuge. Die Bauten waren so
massiv, dass nach dem Krieg jede Sprengung scheiterte. Nun herrscht hier
studentischer Café-Betrieb. „Schwerter zu Pflugscharen“ – diese
pazifistische Transformation ist in Adlershof jedenfalls schon gelungen.
28 Jul 2019
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Berliner Hochschulen
Schwerpunkt Fridays For Future
Nachhaltigkeit
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Nachhaltigkeit
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