| # taz.de -- Kindergeburtstag richtig toll feiern: Junger Kapitalist mit Herz | |
| > Alle Jahre wieder viel Bohei um den Geburtstag. Und was macht das Kind? | |
| > Denkt nur an die Geschenke! Eine Kolumne aus mütterlicher Sicht. | |
| Bild: Na, der Käsekuchen ist aber gelungen (leider nur ein Beispielfoto) | |
| Diese Kolumne, das sage ich gleich, wird ein Ende mit Schrecken nehmen – | |
| zumindest diese Woche (Ha, zu früh gefreut, KinderkolumnenhasserInnen!) – | |
| und schuld daran sind ein Käsekuchen und eine inkontinente Springform. | |
| Mein Sohn hatte also neulich Geburtstag, inzwischen zum zehnten Mal. Seit | |
| er eins ist, bekommt er zum Geburtstag so eine Holzzahl auf den Tisch | |
| gestellt, die ich mal in einem vollgestopften und gar nicht unsympathischen | |
| Holzspielzeugladen in meinem Wohnbezirk erworben habe. Seitdem bekommt er | |
| jedes Jahr eine Zahl, die ihm anzeigt, wie alt er geworden ist (nicht, dass | |
| er das nicht wüsste). | |
| Die Dinger sind bunt und hübsch und völlig überflüssig, er interessiert | |
| sich nicht die Bohne für diese Holzzahlen, übrigens auch nicht für die | |
| Blumen und den Kuchen, das Geburtstagstriumvirat in unserem Haushalt. Weil | |
| er ein nettes Kind ist, riecht er immer pflichtschuldig an der stinkenden | |
| Sonnenblume, die meistens im Strauß steckt (er hat halt im Juli | |
| Geburtstag), und das ist wirklich sehr rührend. Eigentlich interessiert ihn | |
| aber exakt eine Sache an seinem Geburtstag, und das sind, natürlich, die | |
| Geschenke. | |
| Der junge Kapitalist hat allerdings ein Herz: Er hat das Geschenk seines | |
| kleinen Bruders dieses Jahr zuerst ausgepackt. Ein Holzei aus der | |
| Spielzeugküche des Kleinen, seit März lag es fein säuberlich verpackt | |
| parat. Der kleine Bruder ist da effizient: Er hat einmal im Frühjahr, zack, | |
| zack, Geschenke für alle Familienmitglieder verpackt, die liegen seitdem im | |
| Wohnzimmer und harren der Geburtstage (vergessen hat er die Dinger, zu | |
| meinem Erstaunen, aber überhaupt nicht – man darf sie weder verrücken noch | |
| vorzeitig auspacken). Ich vermute, in meinem Päckchen ist die Käseattrappe | |
| aus seiner Küche drin, die ich nicht mehr wiederfinde. | |
| ## Klar backe ich den Kuchen selbst! | |
| Wie dem auch sei: Obwohl Holzzahl, Blumen und Kuchen also uninteressant | |
| sind, eile ich am Vorabend dieses zehnten Geburtstags nach getaner Arbeit – | |
| noch eine Stunde, bis der Holzspielzeugladen seine Hula-Hoop-Reifen | |
| reinräumt und closed ist – und kaufe: Holzzahl, Blumen und ein halbes Kilo | |
| Magerquark, denn, sorry, klar backe ich den Kuchen selbst! | |
| Und, nein, ich hatte in dem Moment überhaupt keine Lust, mich zu fragen, | |
| warum Eltern sich mit dieser ausgewachsenen Anspruchshaltung an sich selbst | |
| quälen, die sie aber zugleich so wahnsinnig gut ironisieren können. In | |
| Prenzlauer Berg trinkt längst jeder Schwabe seine Weißweinschorle mit einem | |
| Augenzwinkern, wer das nicht kapiert und sich immer noch über die Spießer | |
| da lustig macht, ist inzwischen selber doof. | |
| Nein, immer schön ein Ei nach dem anderen habe ich mit dem Quark verrührt, | |
| das war mir um halb elf Uhr abends Aufgabe genug, und außerdem habe ich | |
| noch Geschenke eingepackt, die Blumen drapiert, meine Zeit mit der ersten | |
| Folge des neuen Podcasts von Charlotte Roche verschwendet (sorry, | |
| vielleicht wird’s ja noch, ich gebe der zweiten Episode jedenfalls noch | |
| eine Chance) und meiner Mutter auf Whatsapp geantwortet. Whatsapp ist die | |
| einzige App, die meine Mutter nutzt, und sie gefällt ihr. Ihrer ersten | |
| Nachricht („Hallo! Hier ist deine Mutter!“) folgt seitdem ein Nachrichten- | |
| und Bilderstrom, und wenn man nicht antwortet, ruft sie an. | |
| Der Kuchen ist dann echt gut geworden. Ich habe ihn um fünf vor Mitternacht | |
| aus dem Ofen geholt. Der Rand der Springform war nicht richtig zu, er ist | |
| mir direkt vor die Füße gefallen. | |
| Es hat wirklich unglaublich gut gerochen, dieser ganze Käsekuchenbrei auf | |
| dem Küchenboden. Ich habe versucht, in Tränen auszubrechen oder wenigstens | |
| ein bisschen rumzuschreien, das hätte ich irgendwie angemessen gefunden. | |
| Stattdessen habe ich ein wenig verwundert den Kuchenbrei vom Küchenboden | |
| gekratzt und bin schlafen gegangen. Was sagt uns das? Dass auch | |
| KinderkolumnistInnen Probleme haben, zum Beispiel. | |
| 21 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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