# taz.de -- Urteil gegen Schlepper in Ungarn: Viermal „lebenslänglich“ | |
> Ein ungarisches Gericht in Szeged verurteilt vier Männer. Sie hatten 71 | |
> Geflüchtete in einem Kühlwagen qualvoll sterben lassen. | |
Bild: In diesem Kühlwagen fand die österreichische Polizei im August 2015 üb… | |
Wien taz | „Lebenslänglich“ lautet das Urteil des Tafelgerichts in der | |
südungarischen Stadt Szeged für vier Schlepper. Für den afghanischen | |
Anführer und zwei seiner drei bulgarischen Komplizen gilt verschärfter | |
Strafvollzug ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Der Berufungsrichter | |
folgte damit dem Antrag von Staatsanwalt Gábor Schmidt, der gegen das vor | |
einem Jahr in Kecskemét ergangene Ersturteil von 25 Jahren Berufung | |
eingelegt hatte. | |
Die Schlepperbande wurde damals für schuldig befunden, den qual[1][vollen | |
Tod von 71 Flüchtlingen herbeigeführt zu haben]. Auch die Angeklagten | |
hatten in der Hoffnung auf ein milderes Urteil Berufung eingelegt. Zehn | |
Helfershelfer wurden in erster Instanz bereits zu Haftstrafen zwischen drei | |
und zwölf Jahren rechtskräftig verurteilt. Gegen drei Angeklagte wurde in | |
Abwesenheit verhandelt | |
Am 27. August 2015 hatte die österreichische Polizei einen auf einem | |
Pannenstreifen der Ostautobahn im Burgenland abgestellten Kühlwagen | |
geöffnet und die bereits verwesenden Leichen entdeckt. Wie sich später | |
herausstellte, handelte es sich um 59 Männer, 8 Frauen und 4 Kinder aus | |
Syrien, Irak und Afghanistan, die nach Deutschland geschleust werden | |
wollten. Da sie nach gerichtsmedizinischen Erkenntnissen schon auf | |
ungarischem Staatsgebiet gestorben waren, erklärten sich die dortigen | |
Gerichte für zuständig. | |
Den Gerichten lagen die von den ungarischen Behörden aufgezeichneten | |
Telefonate der Schlepper vor. Der darin zutage tretende Zynismus hatte | |
Einfluss auf die Härte des Urteils. „Der Fahrer sagt, dass viele Frauen und | |
Kindern weinen – wow, wow“, sagt da einer der Begleiter und fährt fort: | |
„Ich möchte, dass sie alle sterben. Das möchte ich.“ | |
## Entsorgung im Wald | |
Vergeblich versuchten die Verteidiger glaubhaft zu machen, ihre Mandanten | |
hätten nicht gemerkt, dass die Menschen mit dem Tode rangen. János Jádi, | |
der Richter erster Instanz, las seitenweise Telefonate aus den | |
Polizeiprotokollen vor, aus denen das Gegenteil hervorgeht. | |
59.000 Seiten an Protokollen und 270 Zeugen sprachen eine deutliche | |
Sprache. Statt die Erstickenden aus dem hermetischen Kühlwagen zu befreien, | |
stellten die Schlepper Überlegungen an, die Leichen in einem Wald zu | |
entsorgen. | |
Samsoor Lahoo, der heute 33-jährige Kopf der Bande, hatte ausdrücklich | |
untersagt, den Wagen zu öffnen. Jádi konstatierte bei den Angeklagten „eine | |
Mischung aus Gier, Angst vor Entdeckung und Affekthandlungen“. Das sei zwar | |
kein Mord, aber „absichtliche Unterlassung“ und daher ein Tötungsdelikt. | |
Die Schlepperbande mit Sitz in Budapest soll im Jahr 2015 um die 1100 | |
Personen von [2][Ungarn] nach Österreich und Deutschland geschleust und | |
dafür pro Kopf 1500 Euro kassiert haben. | |
Als der slowakische Geflügelkühlwagen mit ungarischem Kennzeichen entdeckt | |
wurde, weilte Angela Merkel gerade zu einer Westbalkan-Konferenz in Wien. | |
Sie zeigte sich nach den ersten Nachrichten tief betroffen: „Das mahnt uns, | |
das Thema der Migration schnell und im europäischen Geist, das heißt im | |
Geist der Solidarität anzugehen und auch Lösungen zu finden.“ Wenige Tage | |
später öffneten Österreich und Deutschland die Grenzen für Tausende | |
Flüchtlinge, die in Ungarn festsaßen. | |
20 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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