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# taz.de -- Kolumne Andropause: Es ist okay, eine Null zu sein
> Nach all den leeren Jahren des Hedonismus will der Autor nun endlich
> irgendetwas Nützliches leisten. Körbe flechten zum Beispiel.
Bild: Kann Mann machen…
Ich glaube, die Zeit drängt langsam, da will ich doch noch einmal richtig
das Steuer rumreißen. In der Midlife-Crisis wäre so ein U-Turn einfach
gewesen: Die Frau für eine Jüngere verlassen, der wiederum ein Kind und
sich selbst rundum zum Affen machen. Doch da mit der Midlife-Crisis
zugleich auch die Pubertät endet, weckt die Andropause andere Wünsche: nach
all den leeren Jahren des Hedonismus nun endlich irgendetwas Nützliches zu
leisten.
Körbe flechten zum Beispiel. Man muss ja nicht immer gleich so groß denken
und die Welt retten wollen. Walfangschiffe zu behindern, wäre eher
schwierig. Die können ja nicht während der Aktion das Boot alle halbe
Stunde zurück zum Greenpeace-Schiff fahren, nur damit ich dort aufs Klo
kann. Aber so ein hübscher Korb, über den sich jemand freut, den man
anfassen kann und was hineintun, wäre doch auch schon was.
Zbigniew, mein Urologe, tröstet mich, dass es Millionen Menschen gebe, die
noch unnützer seien als ich. In einem Nützlichkeitsdiagramm wären die echt
Engagierten oben auf der Skala, ich selbst wäre dann quasi bei null, und
die Unterdrücker, Raffgierigen, Zerstörer und Betrüger, Mörder und ihre
Handlanger wären halt fett im Minusbereich unterhalb der x-Achse. Und ich
solle nicht verzweifeln: Eine Null zu sein, wäre da im Vergleich schon
okay.
Aber liegt ein ausreichender Lebenszweck wirklich allein darin, nur relativ
wenig Schaden anzurichten? Kann ich es mir bereits als Leistung anrechnen,
den Regenwald immerhin nicht eigenhändig gerodet zu haben? Den Bettlern
zwar nichts zu geben, aber sie wenigstens nicht auszurauben?
## Endgültiger Befreiungsschlag
Ich will dann nämlich doch groß denken, so viel Zeit habe ich ja auch gar
nicht mehr, und ich stelle mir vor, dass ich mich in einer Art endgültigem
Befreiungsschlag plötzlich meganützlich mache. Zum Beispiel, indem ich mich
im Winter inmitten einer Gruppe Obdachloser selbst verbrenne, nur damit sie
es einmal ganz kurz warm haben.
Oder von einem Ausflugsdampfer fällt einer alleinerziehenden Mutter ihr
Kind ins Meer, und ich hechte hinterher und reiche ihr das Baby gerade noch
im letzten Moment zu, ehe ich entkräftet in den brodelnden Fluten versinke.
Nun fragt gewiss manche, „warum gibt der pathetische Jammerlappen nicht
einfach Geflüchteten Deutschunterricht oder so?“. Aber das packe ich nicht.
Denn je älter ich werde, desto mehr Angst vor Menschen habe ich. Deshalb
gehe ich auch kaum noch raus. Und mit der Mutter und den Obdachlosen muss
ich ja nicht reden.
„Na gut, dann sammel halt im Park Müll ein. Ganz allein, ohne dass es
jemand sieht.“ Doch das ist mir irgendwie zu popelig. Ich war mein ganzes
Leben lang nutzlos, da muss jetzt schon ein echter Kracher her. Oder gar
nix.
25 Jun 2019
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Andropause
Hedonismus
Midlife Crisis
taz in der Midlife-Crisis?
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Testosteron
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