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# taz.de -- Stadtverunstaltung in Bosnien: Parkhaus statt Park in Sarajevo
> Ein geplanter Neubau im historischen Zentrum stößt auf Widerstand. Dem
> von Saudis finanzierten Projekt sollen Grünflächen weichen.
Bild: Blick auf Sarajevo: Noch gibt es ein wenig Grün in der Stadt
Sarajevo taz | Es ist ein spektakulärer Ort in der Hauptstadt von Bosnien
und Herzegowina: das alte Rathaus von Sarajevo, die Vijećnica. Sie soll
gegenüber auf der anderen Seite des Miljacka-Flusses ein Pendant erhalten.
Wo sich vor Kurzem noch ein kleiner und hübscher Park mit alten Bäumen
befand, gähnt ein riesiges Loch. Hier soll nach dem Willen der
Stadtverwaltung ein Parkhaus entstehen.
Als Finanzier des Parkhauses am Rande der historischen Altstadt Baščaršija
firmiert der „Saudische Entwicklungsfonds“. „Ein Parkhaus gegenüber dies…
historischen Gebäude, was ist denn das?“, fragt Meho Aličehajić und
schüttelt den Kopf.
Der Mittachtziger hat schon zwei Kriege überlebt, war im Zweiten Weltkrieg
Laufbursche für die Partisanen und überlebte den Krieg in den 90er Jahren
in seiner Wohnung nicht weit von hier entfernt. „Ich habe ja schon vieles
ertragen, aber so was?“
Der Park habe sogar den letzten Krieg überstanden und sei einer der wenigen
grünen Flecken in diesem Teil der Stadt gewesen. Er deutet auf das Rathaus.
Während der österreichischen Zeit Ende des 19. Jahrhunderts im
neomaurischen Stil erbaut, ist das Gebäude zu einem Wahrzeichen Sarajevos
geworden.
## Inspiration in Ägypten
Die Österreicher wollten den bosnischen Muslimen entgegenkommen und
meinten, das Rathaus in einem „muslimischen Stil“ errichten zu müssen. Sie
schickten zwei Architekten nach Ägypten und die ließen sich von der
dortigen Architektur inspirieren.
Überliefert ist, dass die Bewohner Sarajevos sich die Augen rieben und über
die Österreicher lachten. „Mit dem bosnischen Baustil hatte das
neomaurische Gebäude nichts zu tun“, schmunzelt Meho. „Aber die Leute aus
Sarajevo erkannten die gute Absicht der Österreicher und bis heute haben
alle das Gebäude ins Herz geschlossen“.
Im sozialistischen Jugoslawien wurde die Vijećnica zur Staatsbibliothek
umgewandelt. Im letzten Krieg wurde sie Ziel schwerer Bombardements. Im
Juli 1992 zerfetzte serbische Artillerie die Außenwände und setzte die
gesamte Bibliothek in Brand. Fast zwei Millionen Bände gingen verloren,
Schriften aus der osmanischen Zeit, „das kollektive Gedächtnis unseres
Landes“, sagt Meho.
Erst in den vergangenen Jahren mit Spendengeldern und großzügiger
Unterstützung aus Österreich wieder aufgebaut und restauriert, dient es
jetzt repräsentativen Zwecken der Stadtregierung.
## Luft zum Schneiden
Und jetzt dieser Neubau gegenüber. „Die Saudis wollen wohl für ihre SUVs
Parkplätze schaffen, um dann mit ihren Frauen in der Altstadt spazieren zu
gehen“, sagt Amela, die hier täglich ihren Hund ausführt, um weiter
flussaufwärts in das Naturschutzgebiet zu gelangen. Ein letztes zu Fuß
erreichbares Stückchen Natur mit frischer Luft.
Denn in dem in einem Talkessel liegenden Sarajevo ist vor allem im Winter
wegen der Inversionswetterlage die Luft zum Schneiden. Die Urbanistin
Nasiha Pozder kann es kaum fassen, dass der Park zerstört worden ist.
Anstatt zu überlegen, wie man den Verkehr aus der Innenstadt verlegen und
Hauswände und Baulücken begrünen kann, wird etwas gebaut, was weiteren
Verkehr anzieht. „Auf jeden Bewohner Sarajevos kommt jetzt nur noch drei
Quadratmeter Grün, 20 sollten es mindestens sein“, schreibt sie in der
Zeitung Oslobođjenje.
Der 70-jährige Irfan muss auf Geheiß seines Arztes jeden Tag entlang des
Flusses hin zur vier Kilometer entfernten Ziegenbrücke gehen, die mit einem
kühnen Bogen den Fluss überquert. „Komm, ich zeig dir was“, sagt er.
## Schutz für Kleingetier
Nach einer Wegbiegung auf halber Strecke wird ein 150 mal 30 Meter großes
Geröllfeld erreicht. Riesige Laster bringen den Schutt aus dem Bauloch für
die Parkgarage hierher, wo noch vor wenigen Tagen meterhohes Schilfgras
zwischen jungen Laubbäumchen Vögeln und Kleingetier Schutz bot.
„Angeblich soll hier ein Spielplatz entstehen“, sagt Irfan, der im
Gemeinderat der Altstadt sitzt, aber hier würden wohl Cafés und Restaurants
gebaut. „Ich habe nicht herausgefunden, wer dafür verantwortlich ist. Da
geht es um viel Geld.“ Langsam rege sich Widerstand, sagt Nasiha von der
nichtnationalistischen Partei Naša Stranka, die seit den letzten Wahlen die
Mehrheit in Sarajevo hat. Für das Parkhaus kommt der Protest zu spät. Viel
zu viel Grün ist schon kaputt, darin sind sich alle einig.
15 Jun 2019
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Bosnien und Herzegowina
Sarajevo
Stadtplanung
Protest
Kolumne Stadtgespräch
Balkan
Reiseland Bosnien-Herzegowina
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