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# taz.de -- Die Wahrheit: Iren ohne Freud
> Was hätte er, der Couch-Experte, dazu gesagt, dass nun eine undankbare
> nordirische Restkolonie den Engländern den schönen Brexit vermasselt?
Zu irgendetwas müssen die Iren doch gut sein, meint man in England – und
hat auch gleich die passende Antwort: Sie taugen vorzüglich als
Sündenböcke. Sie sind nämlich schuld daran, dass die Menschen im
Vereinigten Königreich Abgeordnete für das Europaparlament wählen müssen,
obwohl sie doch gewählt haben, aus Europa auszusteigen. Das ist angeblich
daran gescheitert, dass die Iren keine Grenze auf ihrer Insel wollen. So
irrational ist der Ire an sich!
Freud soll einmal behauptet haben, die Iren seien das einzige Volk, das
immun gegen Psychoanalyse sei. Das hat er aber nie gesagt. Warum auch. Er
hätte sich damit selbst ein Armutszeugnis ausgestellt. Das wäre etwa so,
als ob Microsoft ein neues Windows-Programm entwickelt, aber in der
Anleitung erklärt, dass es nicht für Belgier geeignet sei. Es war der
Schauspieler Matt Damon, der den Satz über die Iren gesagt hat, und zwar in
seiner Rolle als Colin Sullivan in Martin Scorceses Film „Departed – Unter
Feinden“.
Aber Freud hat eine andere Geschichte über die Iren erzählt, das ist
belegt. Sie ist nicht sonderlich unterhaltsam. Eine junge Frau soll 1870 in
Dublin das dortige Wachsfigurenkabinett besucht und den Direktor angesichts
einer Reiterfigur des Herzogs von Wellington gefragt haben, welche der
Figuren nun das Pferd und welche der Herzog sei. Der Direktor habe
geantwortet: „Sie haben Eintritt bezahlt, deshalb können sie das
entscheiden.“
Freud interpretierte das als Seitenhieb auf den Direktor, der so miserable
Figuren in seinem Kabinett habe, dass man sie nicht unterscheiden könne.
Sorry, Freud, das ist Quatsch. Die junge Frau hat natürlich darauf
angespielt, dass der in Irland geborene Herzog über seine Herkunft
verächtlich gesagt haben soll: „Wenn ein Mann in einem Stall geboren wird,
muss er kein Pferd sein.“ Aber auch dieses Zitat ist erfunden. Das macht
aber nichts, schließlich gilt nach wie vor das irische Sprichwort: Lass die
Wahrheit niemals in die Quere einer guten Geschichte kommen.
Anthony Burgess hat 1980 im Vorwort zur Sammlung „Modern Irish Short
Stories“geschrieben: „Die Iren, wie die Neapolitaner, wissen nicht, was die
Wahrheit ist. Sie haben ein System der Logik entwickelt, das jeder Logik
trotzt.“ Margaret Thatcher stimmte ihm später zu. Der eiserne Kotzbrocken
soll zu einem Minister gesagt haben: „Man kann den Iren nicht trauen. Es
sind alles Lügner.“
Sonderlich originell war das nicht, haben englische Herrscher die Iren doch
bereits seit dem 12. Jahrhundert als verlogen, dreckig und
hinterwäldlerisch bezeichnet. Dadurch wollte man den Eindruck erwecken,
dass die brutale Kolonisierung der Nachbarinsel lediglich der Zivilisierung
von Barbaren diente. Und nun erdreistet sich diese undankbare nordirische
Restkolonie, den Engländern den schönen Brexit zu vermasseln. Was Freud
wohl dazu sagen würde?
20 May 2019
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Irland
Sigmund Freud
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Baby Sussex
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