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# taz.de -- „Tatort“ aus Berlin: Mehr als ein Klischee tut weh
> Durchfeierte Nächte, Drogen im Backofen und libanesische Clans:
> Willkommen beim „Tatort“ in Berlin. Soll das selbstironisch sein?
Bild: Tolja (Jonas Hämmerle) und Nina Rubins (Meret Becker)
So eine Kriminalhauptkommissarin hat manchmal schon eine lange Nacht:
Irgendwo im Hintergrund hämmern noch immer die Technobeats; durch die
offene Tür fällt das rhythmische Aufflackern der Scheinwerfer in den Raum
hinein. Darin liegt Nina Rubin (Meret Becker), ausgebreitet auf einem roten
Chesterfield-Sofa, ein tätowiert-muskulöser Lover über ihr, beide umgeben
von leeren Champagnerflaschen in Eiskübeln. Hart gefeiert.
Aber Berlin ist ja nicht nur Techno, Berlin ist auch Drogen. Ein Anruf
beendet jäh den Katerschlaf der Polizeihauptkommissarin: Eine gemeldete
Ruhestörung in einer Kreuzberger Wohnung mündete in eine Schießerei. Nähe
Kottbusser Tor. Wo sonst? Der „Kotti“, wie die Berliner ihn nennen, ist ja
deutschlandweit bekannt für organisierte Drogenkriminalität.
Als Rubin ankommt, steht Kollege Karow (Mark Waschke) bereits in der Küche
des Tatorts. „Hast du heute Abend noch was vor? Ist alles da. Koks,
Chrystal Meth, Ecstasy … Was das Herz begehrt“, schnippt ihm der Kollege
von der Spurensicherung (Daniel Krauss) entgegen und weist auf die im
Backofen drapierten Plastiktütchen hin. Gefüllt sind sie wahlweise mit
weißem Pulver oder Pillen. „Depot für den Straßenhandel“, schließt Karow
und wendet sich dem Toten in der Küchenecke zu: Muskulös, bärtig, Waffe in
der Hand, Kopfhörer in den Ohren, goldene Kreditkarte auf dem Tisch. Typ
Libanesen-Clan.
Als die Leichenbestatter den Mann heraustragen, steckt sich Karow die
Ohrstöpsel des Toten ein. Der hatte beim Abwiegen und Abpacken noch ein
wenig den Rapper Massiv gehört, der selbst nicht der friedlichste unter den
Berliner Rappern ist: Drogentickermucke.
So sieht halt der Alltag auf den Kreuzberger Straßen aus. Und das ist für
die Berliner Polizei ein Problem: Aus einer einfachen Ruhestörung wird da
schon mal eine Schießerei in einem Drogennest.
Dass sich „Tatort“-Krimis nur allzu gern gängiger Klischees bedienen, ist
nichts Neues. In „Der gute Weg“ geht Drehbuchautor Christian Darnstädt
hierbei jedoch weit über das übliche „Tatort“-Niveau hinaus. Die
Anfangssequenz gestaltet Regisseur Christian von Castelberg im Stil eines
sich – für das Genre obligatorisch – diverser Klischees des Straßenlebens
bedienenden Rapvideos.
Es kommt also zwangsläufig die Frage auf: Ist das alles ernst gemeint?
Möglicherweise sollte man diesem Berliner „Tatort“ einen Schuss
Selbstironie unterstellen – ansonsten wäre er nur eine Aneinanderreihung
von Klischees.
5 May 2019
## AUTOREN
Moritz Döring
## TAGS
Tatort
Tatort Berlin
Meret Becker
Drogen
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