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# taz.de -- Ausflugsort am Rhein: Sarg für die Loreley
> Sagenort, Festivalbühne, Aussichtsplattform: Das Gelände am Rhein ist zu
> einer Parklandschaft umgestaltet worden. Umweltschützer sind entsetzt.
Bild: Warum ist es am Rhein so schön? Die „neue“ Loreley aus Drohnenperspe…
St. Goarshausen taz | Drei Jahre lang war die Loreley Baustelle. Seit
Ostern ist das Plateau auf dem vielbesungenen Schieferfelsen bei
Rheinkilometer 555 wieder öffentlich zugänglich. Seitdem pilgern täglich
Tausende dorthin. Das Gelände ist zu einer Parklandschaft umgestaltet
worden. An der 130 Meter hohen Abbruchkante des Schieferfelsens über dem
Tal, in dem sich der Rhein um den Berg windet, gibt es jede Menge
Aussichtspunkte mit spektakulären Blicken.
Seit der Romantik ist die Loreley Anziehungspunkt für Gäste aus aller Welt.
Heinrich Heines „Märchen aus uralten Zeiten“, die Geschichte von der Nixe
mit dem goldenen Kamm, die die Rheinschiffer verzaubert und zum Kentern
gebracht haben soll, gehört allerdings zu den „Fake News“ der Romantik. Um
1800 hatte Dichterkollege Clemens Brentano die Story für eine Ballade frei
erfunden. Die Figur der Nixe hat er den „Sirenen“ der antiken Sagenwelt
nachempfunden.
An diesem sonnigen Tag schießen Daniel Akuffo und Dorthee Ezewulu aus
Aschaffenburg auf der Loreley Selfies, direkt neben dem aus Schiefer
gemeißelten Thron, auf dem sich Besucher vor dem Rheinpanorama ablichten
lassen können. „Very nice landscape“, schwärmt der Ghanaer, seine Freundin
findet den Park „superschön gemacht“.
Umweltschützer sehen das anders. Kritiker aus dem Saarland hatten zum
ersten Spatenstich einen weißen Kindersarg mitgebracht, als werde mit der
Neugestaltung der Mythos der Loreley begraben. „Geschmacklos“ und
unberechtigt empfand Bürgermeister Werner Groß den Protest.
## „Wir haben den Fels sichtbarer gemacht“
„Wir haben schließlich die Platte geputzt“, sagt der Chef der
Verbandsgemeinde Loreley. „Ein Wohnhaus und ein in die Jahre gekommenes
Gasthaus auf dem Felsen wurde abgerissen, die Kreisstraße, die früher bis
zum Aussichtspunkt führte, zurückgebaut. Wir haben den Fels sichtbarer
gemacht“, sagt der Bürgermeister. Michael Albrecht vom BUND Rhein-Lahn
sieht die Neugestaltung dagegen kritisch. Die Natur sei zu wenig
berücksichtigt worden, es gebe zu viel Beton und zu viele Autos hier, sagt
er. Auch Winfried Lieber vom Nabu beklagt die Versieglung.
Vor allem Amphibien bereite die Parkgestaltung Probleme, sagt Lieber zur
taz. Die meisten Wege im Park sind immerhin mit Natursteinen gepflastert.
Nur die Magistrale, der sogenannte Strahlenweg, vom Besucherzentrum bis zum
Felsen ist betoniert. Er erlaubt es, mit Rollator oder Rollstuhl bis zu den
Aussichtspunkten zu gelangen. Der Eintritt ist frei, der Shuttle-Bus aus
dem Tal kostet zwei Euro für Hin- und Rückfahrt. Ein Bistro und die
Gastwirtschaft unter der nahen Freilichtbühne bieten Speisen und Getränke
an.
Auch die denkmalgeschützte Freilichtarena, in den 30er Jahren als
nationalsozialistische „Thingstätte“ erbaut, ist in den letzten Jahren
gründlich renoviert worden. Die Bühne ist dank eines neuen Zeltdachs
vielfältiger bespielbar. „Das Zelt ist viel zu groß“, sagt Michael Albrec…
vom BUND.
„Die Arena ist ein Schmuckstück geworden“, meint dagegen Bürgermeister
Groß. Einst haben Musiker diese Bühne in legendären Konzerten gerockt,
unter anderem Genesis, U2 und Bob Dylan. Die Highlights dieser Saison sind
die Fantastischen Vier, die Kelly Family und das SWR Schlagerfestival:
Jürgen Drews statt Phil Collins? „Das muss man mögen“, sagt Bürgermeister
Groß und lacht. „Die Veranstalter wollen heute 40.000 Zuschauer und mehr“,
bedauert er. Die Arena mit den spektakulären Ausblicken ins Rheintal bietet
höchstens 18.000 BesucherInnen Platz.
Während Natur- und Umweltschützer sich mit dem neuen Park vielleicht gerade
noch arrangieren können – mit der nahen Sommerrodelbahn und dem Plan für
ein großes Hotel- und Kongresszentrum in unmittelbarer Nachbarschaft des
Felsens wollen sie sich nicht abfinden.
## BUND und Nabu sind gegen ein Luxushotel
Gegen die Rodelbahn hatte der BUND geklagt, war allerdings vor Gericht
gescheitert. Das Projekt eines Luxushotels am Rande des Plateaus lehnen
BUND und Nabu kategorisch ab. Ebenso wie die neue Rheinbrücke, die
flussabwärts hinter der nächsten Flussschleife gebaut werden soll.
Die Kritiker hoffen noch auf ein Veto der UN-Kulturorganisation Unesco.
Denn: Alle Baumaßnahmen müssen abgesprochen werden, will das Mittelrheintal
nicht seine Auszeichnung als „Welterbe“ verlieren. Bis zur für 2029
geplanten Bundesgartenschau soll auch das neue Ausstellungsgebäude auf der
Loreley fertig sein. Noch fehlt die Glaskuppel, die wie ein
überdimensionaler Kristall auf dem Dach glänzen soll.
„Das wird spektakulär“, verspricht Bürgermeister Groß. Die Ästhetik die…
Vorhabens findet Winfried Lieber vom Nabu dagegen überhaupt nicht
überzeugend. Zur Eröffnung verwandelten nach Sonnenuntergang hunderte
Scheinwerfer und Lichtspots Bäume und Plätze des Parks in farbige
Skulpturen, dazu erklang Sphärenmusik. Manche Besucher fanden das
übertrieben. Loreley-Fan Ezewulu sagt hingegen: „Zu viel Kitsch kann es gar
nicht geben.“
5 May 2019
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Rheinland-Pfalz
Naturschutz
Weltkulturerbe
Nürburgring
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