# taz.de -- Klimaproteste gegen Kohle: Holland in Klima-Not | |
> Die niederländische Politik windet sich gegen das geplante Klimagesetz. | |
> AktivistInnen drängen auf einen schnelleren Ausstieg aus fossiler | |
> Energie. | |
Bild: Blockierten vergangene Woche ein Steinkohlekraftwerk: KlimaaktivistInnen … | |
AMSTERDAM taz | Der Koningsdag, das beliebteste Straßenfest der | |
Niederlande, hatte in diesem Jahr auch eine ökologische Botschaft: | |
„Willkommen in Amersfoort am Meer“, stand auf einem Banner, das Aktivisten | |
der [1][Extinction Rebellion-Bewegung] am Samstag über einer Gracht | |
befestigten. Im Wasser trieben weitere Aktivisten, die mit Schildern vor | |
Folgen des Klimawandels warnten. Amersfoort, das zum Geburtstag des Königs | |
dessen Familie sowie Zehnttausende Besucher empfing, liegt 80 Kilometer von | |
der Küste entfernt. | |
Es war die letzte einer Reihe von Aktionen im Rahmen der zweiwöchigen | |
Kampagne von Extinction Rebellion in den Niederlanden. Mitte April wurde | |
der Eingang zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag besetzt. Die | |
Botschaft: Ökozid soll strafbar werden. Wenige Tage später blockierte man | |
das Hauptquartier des umstrittenen Energiemultis Shell. | |
Ende letzter Woche nahm die Bewegung, die in diesem Frühjahr aus | |
Großbritannien auf den Kontinent kam, den Amsterdamer Berufsverkehr ins | |
Visier. Rund 150 Aktivisten blockierten in verschiedenen Vierteln jeweils | |
sieben Minuten lang Straßen, um dann weiter zu ziehen. „Dieses Schwärmen | |
ist Teil einer Störtaktik, um den Alltag durcheinander zu bringen“, so | |
Teilnehmer Bas Spruijt. „Wir wollen eine Krisen-Situation entwickeln, um | |
die die Politik nicht mehr herumkommt.“ | |
In der niederländischen Politik aber ist das Vorgehen in Sachen Klima | |
strittig. Einerseits ist die Regierung weiterhin in Berufung gegen einen | |
Gerichtsbeschluss, der sie zu sofortigen Maßnahmen zur Verbesserung der | |
Luftqualität verpflichtet. Andererseits steht das Klimagesetz, von | |
[2][seinen rot-grünen Initiatoren] als „ambitioniertestes der Welt“ | |
gepriesen, kurz vor der Annahme durch den Senat. | |
## Klimagesetz verabschiedet | |
Die zweite Kammer des Parlaments nahm das Klimagesetz Ende 2018 mit großer | |
Mehrheit an. Der Preis dafür war indes, dass die angestrebte | |
CO2-Reduzierung 2030 bei 49 statt 55 Prozent liegt. Und statt eines | |
vollkommen erneuerbaren Energiesektors 2050 strebt man nun eine „100 | |
Prozent CO2-neutrale Elektrizitätsproduktion“ an, was Ausnahmen im Gegenzug | |
für Kompensationen ermöglicht. Umweltorganisationen wie Urgenda oder | |
Milieudefensie sehen das Klima-Gesetz daher ambivalent. | |
Letzte Woche meldete sich daher auch die Gruppe Wij Stoppen Steenkool („Wir | |
stoppen Steinkohle“) wieder einmal zu Wort. Im Morgengrauen drangen | |
Aktivisten in ein Kohlekraftwerk im Rotterdamer Hafen ein. Vom Förderband | |
aus entrollten sie ein Banner mit der Aufschrift „Planet Burning Machine“, | |
verweisend auf die weiter steigenden CO2-Emmissionen der Niederlande. Rund | |
30 Aktivisten wurden festgenommen. „Wenn es um Klimawandel geht, bedeutet | |
langsam zu gewinnen das Gleiche wie verlieren“, erklärte Wij Stoppen | |
Steenkool. | |
Die politischen Entwicklungen lassen derweil erahnen, dass ökologische | |
Akteure vor einer Geduldsprobe stehen. Im März gewann das populistische | |
Forum voor Democratie (FvD) die Provinzialwahlen, deren Chef Thierry Baudet | |
Maßnahmen zum Klimaschutz als „kollektiven Wahnsinn“ abtut. Welchen | |
Einfluss dies auf den Rest des konservativen Spektrums hat, bewies zuletzt | |
Premier Mark Rutte. In einer TV- Show warf er der Partei GroenLinks vor, | |
sie wolle, dass „alle mit Wollsocken an in einem Schwarz-Weiß-Foto leben“. | |
29 Apr 2019 | |
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[1] /Klimaaktivistin-ueber-Extinction-Rebellion/!5587023 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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