Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „No Show“ im Restaurant: Fatale Unverbindlichkeit
> Viele Restaurants leiden darunter, dass Leute Plätze reservieren und
> nicht auftauchen. Die Strategien, damit umzugehen, sind verschieden.
Bild: Bleiben immer öfter leer: Reservierte Tische im Restaurant
Hamburg taz | Es ist kalt draußen und nieselt, trotzdem stehen vor der Tür
des Restaurants „Mexiko Strasse“ Menschen und warten. Drinnen läuft eine
Kellnerin mit Klemmbrett in der Hand zwischen den Gästen umher. „Astrid?“,
ruft sie und wirft einen fragenden Blick in Richtung Bar. Astrid ist nicht
da. Die Kellnerin schaut auf ihre Liste und sucht den nächsten Namen raus.
Anfang 2018 hat das mexikanische Restaurant auf St. Pauli die
Reservierungen abgeschafft. Zu oft war es vorgekommen, dass Gäste
kurzfristig oder gar nicht absagten. Damit ist die „Mexiko Strasse“ nicht
allein: Mitte Februar machte der Besitzer des „Bistro Carmagnole“, Alvaro
Piña Otey, seinem Ärger über sogenannte „No-Shows“ bei Facebook Luft. Am
Valentinstag hatten 23 von 35 Gästen kurzfristig abgesagt oder waren
einfach nicht erschienen.
An so einem Abend mache das Restaurant 1.000 Euro Minus, schrieb Otey. In
den Kommentaren entbrannte eine Diskussion über eine zunehmend
unverbindliche Gesellschaft und verschiedene Konzepte der Reservierung.
Die „Mexiko Strasse“ versucht es ganz ohne: Freitagabends um halb acht
beträgt die Wartezeit eine Dreiviertelstunde. Zum Tresen ist kein
Durchkommen mehr. „Wenn ich euch aufrufe und ihr nicht da seid, muss ich
euch leider streichen“, sagt die Kellnerin einem Pärchen, das hereinkommt.
Hier gehört das Warten zum Erlebnis. Wird ein Tisch frei, haben die Gäste
90 Minuten Zeit zum Essen. „Das reicht für Tacos und zwei, drei Getränke“,
erklärt Inhaber Miguel Angel Zaldívar.
## Wer nicht kommt, zahlt 33 Euro
Für viele andere Gastronom*innen kommt das nicht infrage. Zu wichtig ist
die Planungssicherheit – sowohl für Gäste als auch für das Restaurant. „…
Hamburger, der mit mehr als vier Menschen essen geht, möchte sich nicht
schick machen und dann vor einem vollen Restaurant stehen“, sagt Tobias
Beck, Inhaber der beiden „Salt and Silver“-Restaurants. Seit einem halben
Jahr müssen Kund*innen bei der Reservierung im zweiten „Salt and Silver“
ihre Kreditkartendaten angeben. Wer nicht kommt und nicht 24 Stunden vorher
storniert hat, dem bucht das Restaurant 33 Euro pro reserviertem Platz ab.
Beck geht es vor allem darum, ein Bewusstsein zu schaffen. „Die Gäste
sollen verstehen, welche Konsequenzen das hat“, sagt er. Ein Wintermonat,
in dem es regelmäßig viele kurzfristige Absagen gebe, könne
existenzbedrohend sein. Beck sieht auch die niederschwellige Reservierung
als Teil des Problems: Über Apps wie „Open Table“ sei es mit wenigen Klicks
möglich, einen Tisch zu reservieren. „No-Shows hat es immer schon gegeben“,
sagt er, „aber das Internet ist gesichtslos.“
Bei dem peruanischen Restaurant „Leche de Tigre“ im Nernstweg in Ottensen
ist an manchen Tagen die Stornierungsliste 35 Plätze lang, wie Inhaber
Aurelio Moreno Elias berichtet. Trotzdem ist es jeden Abend voll: Das
Restaurant ist meist um einen oder zwei Tische überbucht. Dafür muss er
ständig erreichbar sein: Elias trägt Absagen ein und telefoniert Menschen
hinterher.
Das „Bistro Carmagnole“-Team hat bisher keine Lösung gefunden. „Die
Bürokratisierung durch die Abgabe von Kreditkartendaten würde den Charakter
unseres Bistros verändern“, sagt Inhaber Piña Otey. Trotz der großen
Resonanz auf seinen Valentinstags-Post sei das Verhalten der Gäste gleich
geblieben. „Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem: Jedem geht
es um die beste Ausgangsposition im gesellschaftlichen Konkurrenzkampf,
ohne Rücksicht auf Verluste.“ Welche Konsequenzen das haben kann, sei
vielen nicht bewusst oder vollkommen egal.
22 Mar 2019
## AUTOREN
Carlotta Hartmann
## TAGS
Restaurant
Gastronomie
Restaurant
## ARTIKEL ZUM THEMA
Koch über sein Private-Kitchen-Konzept: „Alte Kartoffeln sind spektakulär“
Nur zwölf Gäste können an einem Abend im „Ernst“ essen, aber sie kriegen
bis zu dreißig Gänge. Der Koch Dylan Watson-Brawn über seine
Restaurant-Philosophie.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.