# taz.de -- Wunder der Natur: Der unbekannte Tauchweltmeister | |
> Kein anderer Meeressäuger kann so lange und tief tauchen wie der | |
> Cuvier-Schnabelwal. Der Rekord: 140 Minuten und knapp 3.000 Meter. | |
Bild: Der Cuvier-Schnabelwal | |
Man kennt die extrem großen Blauwale, die extrem klugen Orcas und die | |
extrem alt werdenden Grönlandwale – doch kaum jemand kennt den | |
Cuvier-Schnabelwal. Aber das kann sich jetzt ändern. Denn eine aktuelle | |
Studie belegt: Kein anderer Meeressäuger kann so lange und tief tauchen – | |
und kein anderer holt so wenig Luft. Bisher haben Meeresbiologen keine | |
Antwort darauf, wie er dieses Paradox überlebt. | |
Nicht besonders klug, nur fünf bis sieben Meter lang, und die Walfänger | |
haben kein sonderliches Interesse an ihm. Abgesehen davon, dass er immer | |
wieder an den Küsten strandet und jämmerlich verendet, ist der | |
Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) zumeist nur Experten bekannt. | |
Seinen Namen hat er dem französischen Naturforscher Baron de Cuvier zu | |
verdanken. Er beschrieb 1823 erstmals das Säugetier. Doch seit einigen | |
Jahren sammeln Meeresbiologen verstärkt Hinweise darauf, dass der | |
unscheinbare Zahnwal ein exzellenter Taucher ist. Und eine US-Studie zeigt | |
nun: Er ist geradezu ein Tauch-Mysterium. | |
Das Forscherteam fuhr an die nordamerikanische Ostküste, genauer gesagt zum | |
Kap Hatteras, und stattete dort elf Cuvier-Wale mit einem hochempfindlichen | |
Peilsender aus. Eines der Messgeräte fiel aus, doch die übrigen zehn | |
genügten, um insgesamt 6.000 Tauchgänge zu dokumentieren. Sie belegen den | |
Cuvier-Schnabelwal als ein Säugetier mit Lungen, das offenbar die größte | |
Zeit seines Lebens ohne Sauerstoff lebt. | |
## Absoluter Weltrekord | |
„Die Wale tauchten durchschnittlich 1.400 Meter tief und eine Stunde lang, | |
während sie am Meeresboden auf die Jagd nach Tintenfischen gingen“, | |
berichtet Studienleiterin Jeanne Shearer von der Duke University in North | |
Carolina. Zeit fürs Luftholen nahmen sie sich hingegen nur äußerst wenig. | |
„Ihre Aufenthaltsdauer an der Wasseroberfläche betrug zwischen den | |
Tauchgängen gerade mal zwei Minuten“, so die Ökologin. Mit anderen Worten: | |
Die Wale leben rund 97 Prozent ihres Lebens ohne Luft, auf die sie | |
eigentlich als Lungenatmer unbedingt angewiesen sind. Das ist absoluter | |
Weltrekord. | |
Der längste bisher gemessene Tauchgang eines Cuvier-Schnabelwals liegt | |
sogar bei 140 Minuten, und der tiefste bei knapp 3.000 Metern. In solchen | |
Tiefen herrscht ein enormer Druck, weswegen die Tiere über besonders | |
robuste Knochen verfügen, um nicht zerquetscht zu werden. Weniger erklärbar | |
sind jedoch die kurzen Phasen des Luftholens. Forscher wissen zwar | |
mittlerweile, dass der Cuvier-Schnabelwal so lange unter Wasser bleiben | |
kann, weil er von Sauerstoffverbrennung auf Milchsäuregärung umschaltet, so | |
wie es beispielsweise auch die 400-Meter-Läufer in der Leichtathletik tun. | |
Doch wie diese müsste er dann eigentlich in den Pausen an der | |
Wasseroberfläche entsprechend lange durchschnaufen, um die angehäufte | |
Milchsäure wieder abzubauen – doch das braucht er offenbar nicht. „Sein | |
Tauchverhalten verschiebt die Grenzen der Säugetier-Physiologie“, so | |
Shearer, „und wir wissen immer noch nicht, wie er es hinbekommt.“ | |
Was den Cuvier-Schnabelwal selbst wohl am wenigsten stören dürfte. Denn er | |
ist trotz seines extremen Tauchverhaltens ein Erfolgsmodell der Evolution. | |
So lebt er im Unterschied zu anderen Walen überall auf der Welt, vom | |
nördlichen Polarkreis über den Äquator bis zur Antarktis. Gesehen wird er | |
dabei nur selten – denn meistens befindet er sich tief unter Wasser. | |
23 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Jörg Zittlau | |
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