# taz.de -- Gomringer-Gedicht „Avenidas“ wieder da: Geglückte Provokation | |
> Eine Wohnungsgenossenschaft lässt das umstrittene Gedicht an zwei | |
> Hausfassaden malen. Das muss man gut finden – selbst wenn man das Gedicht | |
> für sexistisch hält. | |
Bild: Poesie des Anstoßes: Gomringers „Avenidas“, hier noch an der Fassade… | |
Es ist also wieder da, sogar in einer deutschen Übersetzung neben der | |
spanischen Originalversion, und des Nachts recht schmuck illuminiert: Eugen | |
Gomringers „Avenidas“, Aufreger-Poem des Jahres 2018, leuchtet seit | |
vergangener Woche an zwei Hausfassaden in Lichtenberg. Die Hausfassaden | |
gehören der Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte Hellersdorf, und der | |
Vorstand in Person von Andrej Eckhardt möchte mit dieser Aktion, man ahnt | |
es schon, ein Zeichen setzen. | |
Vor einem Jahr hatte die Alice-Salomon-Hochschule, ebenfalls in Hellersdorf | |
beheimatet, nämlich [1][auf Initiative der Studierenden] Gomringers Zeilen | |
überpinseln lassen. Das Gedicht, das seit 2011 an einer Fassade der | |
Hochschule hing, sei sexistisch, so empfanden es die Studierenden. Frauen | |
würden zu Objekten eines „Bewunderers“ („un admirador“) degradiert, der | |
übrigens an „avenidas y flores“ („straßen und blumen“) gleichermaßen | |
Gefallen findet wie an den „mujeres“ („frauen“). | |
„Mit Entsetzen“, heißt es nun seitens der Genossenschaft, habe man | |
feststellen müssen, „dass in einer Hochschule, die einen Lehrauftrag hat, | |
unterschiedliche Ansichten zur Kultur nicht gefördert werden“. Weil man es | |
also nicht goutiere, dass am Ende nun die gewinnen sollen, die „gegen | |
alles“ sind, und man ohnehin unter einer „Diktatur der Schreihälse“ in | |
dieser Stadt leide, ist man jetzt einfach auch lauthals und meterhoch und | |
in schwarzen Lettern auf weißer Wand – dagegen. Beziehungsweise dafür, so | |
sieht es der Grüne-Mitte-Vorstand, dass die Kunstfreiheit höher wiegen muss | |
als das Sexismus-Empfinden der Studierenden. | |
Noch mal kurz zur Erinnerung, wo hier die Frontlinien verlaufen: Während | |
die einen in dem Gedicht [2][Altmänner-Sexismus at work ] sehen, schreien | |
die anderen zurück, selbst wenn!, das sei doch überhaupt nicht der Punkt! | |
Denn wo, bitte schön!, bleibe die [3][Kunstfreiheit], wenn man alles | |
wegmache, was einem nicht in den Kram passt, und überhaupt!, so viel wird | |
man ja wohl noch sagen dürfen: zur Hölle mit der political correctness, und | |
den Mund lässt man sich schon mal gar nicht verbieten und den | |
Kunstgeschmack, über den man selbstverständlich verfügt, auch nicht. | |
Als geneigter admirador dieses herzerfrischenden Streits klatscht man nun | |
beglückt in die Hände: #aufschrei und #MeToo haben eben doch etwas bewirkt, | |
man(n) kann die „Schreihälse“ – ein Glück, dass es sie gibt – eben ni… | |
mehr einfach mit dem eigenen Geschrei übertönen. Wenn dass eine | |
Wohnungsbaugenossenschaft wiederum dazu provoziert, uns sehr prominent vor | |
Augen zu führen, dass man widerstreitende Meinungen aber trotzdem aushalten | |
muss: Dann ist das tatsächlich kein kleines Kunststück, das diese Debatte | |
geschafft hat. | |
26 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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