# taz.de -- Die Wahrheit: Im Himmel ist die Hölle los | |
> Nach dem Tod von Bruno Ganz und Karl Lagerfeld kommt Petrus kaum noch zur | |
> Ruhe. Ein Schauspieler und ein Schneider sorgen für einen Aufriss. | |
Bild: Aufruhr auf Wolke sieben: Ganz und Lagerfeld sind eingetroffen | |
Petrus ließ sich tief in den Wolkensessel fallen. Endlich Wochenende! Was | |
für Höllentage lagen hinter ihm. Er griff sich das Glas auf dem | |
Beistellwölkchen und nahm einen kleinen Schluck vom Port. Aaaah. Der „Tawny | |
Port Twenty Years“ von Sandeman. Den ließ er sich immer aus Vila Nova de | |
Gaia liefern. Der „Twenty“ war erstaunlicherweise sogar noch besser als der | |
„Thirty“ oder der „Forty“. Manchmal kam es eben nicht auf die Zeit an. … | |
er, Petrus, vor rund hundert Jahren den Portwein für sich entdeckt hatte, | |
fürchtete er sich nicht mehr so sehr vor der Ewigkeit. | |
Den Port hatte er sich redlich verdient nach der Woche. Erst dieser | |
Schweizer, dann der Franzose, ach nein, Deutscher war der ursprünglich. | |
Ganz und Lagerfeld. Ein Schauspieler und ein Schneider. Fehlte nur noch ein | |
Koch. War nicht kürzlich sogar einer dieser Haute-Cuisine-Heinis gestorben? | |
Wie hieß der noch? Aber Namen von Köchen musste man sich nicht merken. | |
Erst der Ganz. Was für einen Aufriss die unten auf der Erde veranstalteten | |
wegen dieses Schwenkfutters. Petrus hasste Schauspieler. Taten alle immer | |
so bescheiden, und dann führten sie sich im Himmel wie die großen Nummern | |
auf. War natürlich bei dem Ganz nicht anders. Dieser Mümmelmime. Verlangte | |
sofort eine heiße Suppe. Damit er das vorführen konnte, was er am besten | |
konnte: In Suppen rühren, während er sprach. Das machte er in jedem seiner | |
Filme. Minutenlang. Charaktermime? Pah! Suppenkasper! | |
Aber er, Petrus, durfte dann wieder alles richten: Den Chef | |
benachrichtigen, der die Prominenz ja am liebsten selbst in Empfang nahm; | |
die Gitter an der Himmelspforte für die Fans und Schaulustigen aufstellen | |
lassen; die schlichten weißen Gewänder bereitlegen lassen; die Putten und | |
Cherubim instruieren – eine Heidenarbeit. | |
## Ohrfeigen für die Harfenistin | |
Und wie wurde es ihm gedankt? Der Lagerfeld war sofort auf hundertachtzig, | |
als man ihm seine weiße Kluft präsentierte. Er sei doch nicht mehr bei | |
Fendi, moserte er und verlangte nach einer schwarzen Kombination. Als er | |
dann auch noch auf der Nachbarwolke Versace entdeckte, rastete er endgültig | |
aus und ohrfeigte eine Harfenistin, deren Tränen als Schnee über der Little | |
Church of the West, einer dieser Hochzeitskapellen in der Wüstenstadt Las | |
Vegas, niedergingen und sofort eine katholische Sekte zu einem neuen | |
Marienwunderkult anstiftete. Im Vatikan rotierten sie. Zum ersten Mal seit | |
Langem musste der Chef höchstpersönlich eingreifen und diesem Schneider den | |
Ausgang zur Hölle zeigen. | |
Diese irren Prominenten! Petrus nahm einen weiteren Schluck Port. Wäre er | |
doch bloß Fischer am See Genezareth geblieben. Ach, verdammt! Jetzt bloß | |
nicht sentimental werden. Das war doch eine Scheißzeit damals vor 2.000 | |
Jahren. Arm, immer hungrig und durstig – und dann dieser Durchgeknallte aus | |
Nazareth, der ihre letzte Flasche Wein auch noch verwässerte und für | |
zigtausend Leute streckte. Nein, heute leitete er, Petrus, ein führendes | |
Spitzenunternehmen in der Jenseitsbranche. Und ohne ihn lief gar nichts | |
hier oben. Wie ihm der Chef immer wieder versicherte. | |
Da konnte er sich ruhig ab und zu mal einen Tawny Port von Sandeman gönnen | |
– aah, diese Mischung aus Honig, Nüssen und Vanille. Himmlisch. | |
22 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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