# taz.de -- Nachruf auf CDU-Politiker Schönbohm: Ein kantiger Konservativer | |
> Reizperson der Linken und prinzipienfester Streithahn: Der Brandenburger | |
> CDU-Politiker Jörg Schönbohm ist mit 81 Jahren verstorben. | |
Bild: Sagt leise „Servus“: Jörg Schönbohm beim Abschied aus der Landespol… | |
Er war das, was man eine kantige Type nennt: Jörg Schönbohm. Der | |
CDU-Politiker, Berliner Innensenator, Brandenburgs Innenminister, | |
[1][„Dorflümmel“] und Generalleutnant a.D., ist am Donnerstag verstorben. | |
Er wurde 81 Jahre alt. | |
An Jörg Schönbohm schieden sich die Geister. Wahlweise galt er als | |
ordnungspolitisches Gesicht der CDU im Osten, aber eben auch als einer, der | |
für seine umstrittenen Überzeugungen einstand. Und Überzeugungen hatte er. | |
Konservativ, vaterländisch, leistungsorientiert, dabei ausgestattet mit | |
jener nur noch selten zu findenden Art von preußischer Striktheit, die den | |
verbalen Schlagabtausch schätzt. Und bis zuletzt gut hörbar: ein | |
Brandenburger. Kaum einer konnte so wunderbar schnoddrig und zackig | |
zugleich diesen Dialekt sprechen. Kaum einer konnte so stark polarisieren. | |
Der 1937 in Neu Golm, eine Stunde südöstlich von Berlin, geborene | |
Brandenburger wuchs nach dem Krieg in Westdeutschland auf. Nach dem Abitur | |
in Kassel machte er eine steile Karriere bei der Bundeswehr. Im | |
Bundesverteidigungsministerium – damals noch in Bonn – brachte er es bis | |
zum stellvertretenden Leiter des Planungsstabs. | |
Nach dem Mauerfall, Schönbohm war Anfang fünfzig, wurde er Befehlshaber des | |
Bundeswehrkommandos Ost, er war verantwortlich für die Auflösung der 90.000 | |
Soldaten zählenden Nationalen Volksarmee der DDR. Über diese auch | |
weltpolitisch einmalige Aufgabe schrieb er in den Neunzigerjahren ein Buch. | |
Mitte der Neunziger wechselte er dann vom Militär in die Politik. Obwohl | |
sein Bruder Wulf damals Planungschef in der CDU-Zentrale war, wurde Jörg | |
Schönbohm erst 1995 Parteimitglied. Auch hier ging es für ihn schnell | |
bergauf. 1996 wurde Schönbohm in Berlin Innensenator einer Großen | |
Koalition. Gut zwei Jahre später gab es keine besetzten Häuser mehr in der | |
Hauptstadt – Jörg Schönbohm wurde zum Feindbild der linken Bewegung. Nach | |
der Abschiebung von 74 bosnischen Flüchtlingen aus Berlin im Juli 1998 | |
geriet der Senator auch öffentlich in die Kritik. | |
## Von Berlin nach Potsdam | |
1999 wechselte Schönbohm nach Potsdam und war seither Innenminister von | |
Brandenburg und Vorsitzender der heillos zerstrittenen Landes-CDU. Bei der | |
Landtagswahl 1999 trat er als Spitzenkandidat an und führte seine Fraktion | |
in eine zehn Jahre haltende Große Koalition mit der SPD. Als | |
stellvertretender Ministerpräsident hielt er die regierende SPD unter | |
Ministerpräsident Manfred Stolpe, später Matthias Platzeck, im Dauerstress | |
– Schönbohm war keiner, dem es um gute Stimmung ging. Ausschließlich der | |
politische Erfolg zählte. | |
Für eine Äußerung aus diesen Jahren hat er sich zwar mehrfach entschuldigt | |
– sie blieb gleichwohl im politischen Gedächtnis der Märker haften. Als | |
2005 bekannt wurde, dass eine Mutter mutmaßlich ihre neun Neugeborenen | |
getötet hatte, machte er in einem Interview die DDR-Vergangenheit | |
verantwortlich „für die Zunahme von Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“ | |
in Brandenburg. Schuld sei „die vom SED-Regime erzwungene | |
Proletarisierung“. | |
Die Empörung der Brandenburger über die Unterstellung ihres Innenministers | |
relativierte er später. Er entschuldigte sich und nannte seine Äußerung | |
„missverständlich“. Es gehe „nicht darum, die Menschen im Osten | |
verantwortlich zu machen“. Rücktrittsforderungen lehnte er gleichwohl ab. | |
## Tennis und Merkel-Kritik | |
2003 war Jörg Schönbohm auch für einen Tag Redaktionsmitglied der | |
„Feindes-taz“, einer nur halb freundlichen Übernahme der Zeitung durch ihre | |
taz-KritikerInnen. Sein Beitrag war damals ein Kommentar zur | |
Regierungsfähigkeit der Bundes-SPD und endete mit dem Satz: „Wie mein | |
Vorbild, der preußische General von der Marwitz, zu Recht sagt: Wähle | |
Ungnade, wo Gehorsam keine Ehre bringt.“ | |
Als nach der Landtagswahl 2009 in Brandenburg eine rot-rot Koalition an die | |
Macht kam, zog Jörg Schönbohm sich aus der Politik zurück. Er lebte mit | |
seiner Ehefrau in Kleinmachnow kurz hinter der Berliner Stadtgrenze, | |
spielte Tennis und meldete sich nur noch selten zu Wort. Im Juli 2017 | |
gründete er mit anderen CDUlern noch den Brandenburger | |
„Freiheitlich-Konservativen Aufbruch – die WerteUnion“. Schon kurz darauf | |
distanzierte er sich jedoch wieder von den erbitterten Merkel-Kritikern. | |
Ein Rechter war er nicht. Eher einer aus einer anderen Zeit, in der es | |
schon mal hart zur Sache gehen konnte. | |
8 Feb 2019 | |
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[1] /Montagsinterview-mit-Joerg-Schoenbohm/!5154589 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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