Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Inder verklagt Eltern: Vom Nachteil, geboren zu sein
> Ein indischer Mann verklagt seine Eltern, weil die ihn ohne seine
> Einwilligung gezeugt haben. Das sei Kidnapping, meint er.
Bild: Ob wohl jemand dieses Neugeborene vorher gefragt hat, ob es existieren wi…
BERLIN taz | „Es ist es nicht wert Suizid zu begehen, weil man sich immer
zu spät umbringt“, schrieb einst [1][Emil Cioran]. Für den rumänischen
Philosophen war das menschliche Dasein nicht mehr als ein kosmischer Witz,
dem gegenüber die Nichtexistenz vorzuziehen sei. „Ich wünsche frei zu sein
– verzweifelt frei. Frei wie Totgeborene frei sind“, proklamiert er in
seinem 1973 erschienenen Werk mit dem fröhlichen Titel Vom Nachteil,
geboren zu sein.
Für den Freitod ist der Zug also schon längst abgefahren, sobald man auch
nur einen Fuß in die Welt setzt. Aber immerhin kann man nach wie vor die
eigenen Eltern verklagen, weil die einen dem Schrecken der Existenz
ausgeliefert haben. So [2][dachte es sich] zumindest der 27-jährige Raphael
Samuel aus dem indischen Mumbai.
Samuel ist erklärter Anhänger des [3][Antinatalismus] – einer
philosophischen Strömung, die aus metaphysischen, religiösen oder
[4][bevölkerungspolitischen] Gründen die Geburt von Menschen als ein
moralisches Übel betrachtet. Unter anderem der Hinduismus sowie gnostische
Sekten wie der [5][Manichäismus] sind stark von dieser Auffassung geprägt
und raten Menschen davon ab, sich fortzupflanzen. Cioran ist einer der
bekanntesten Vertreter dieser Denkrichtung, genauso wie der Horror-/Weird
Fiction-Autor [6][Thomas Ligotti] und der Philosoph [7][Arthur
Schopenhauer].
„Ich liebe meine Eltern“, meint Samuel in einem Interview mit [8][The
Print], „und wir haben eine großartige Beziehung, aber sie haben mich für
ihr Glück und ihre Freude bekommen.“ Er habe dem Ganzen nicht zugestimmt –
was die Entscheidung seiner Eltern, ihn zu zeugen, zu einem Verbrechen
mache. „Ist ein Kind in diese Welt zu zwingen und es dann zu einer Karriere
zu drängen nicht Kidnapping und Sklaverei?“, fragt er.
[9][Cioran] hätte an solch provokanten und logisch nicht ganz einwandfreien
Aussagen wohl Gefallen gefunden. Von Samuels Klage wären der rumänische
Philosoph und andere Antinatalisten aber alles andere als begeistert
gewesen. Für die asketischen Denker ist die Jagd nach weltlichen
Besitztümern nämlich die ganze Mühe gar nicht wert.
„Wäre es nicht besser sich in eine weit entfernte Ecke der Welt
zurückzuziehen, wo all ihr Lärm und ihre Komplikationen nicht mehr zu hören
wären?“, sinniert Cioran in Auf den Gipfeln der Verzweiflung, „dann könnt…
wir Kultur und Ambitionen aufgeben; wir würden alles verlieren und nichts
gewinnen; denn was gibt es zu gewinnen in dieser Welt?“. Soviel dazu.
7 Feb 2019
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Emil_Cioran
[2] https://www.theguardian.com/lifeandstyle/shortcuts/2019/feb/05/consent-bein…
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Antinatalism
[4] https://www.scientificamerican.com/article/why-malthus-is-still-wrong/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Manich%C3%A4ismus
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Ligotti
[7] https://plato.stanford.edu/entries/schopenhauer/
[8] https://theprint.in/culture/these-indians-dont-want-you-to-have-babies-beca…
[9] https://www.youtube.com/watch?v=78y06QkpnC8
## AUTOREN
Maxime Weber
## TAGS
Philosophie
Antinatalismus
Indien
Nach Geburt
Führerschein
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Nach Geburt: Schlafen als Währung
Laut einer Studie dauert es nach der Geburt sechs Jahre, bis Eltern wieder
so schlafen wie vorher. In Wirklichkeit ist es viel schlimmer.
Kolumne Liebeserklärung: Scheiternde Fahrschüler*innen
Immer mehr Fahrschüler*innen fallen bei den Prüfungen durch. Warum? Müssen
wir uns Sorgen machen? Und wenn ja, welche Sorgen?
Arthur Schopenhauer über Erwartungen: „Von der Hoffnung genarrt“
Aus aktuellem Anlass: Der längst verstorbene Philosoph Arthur Schopenhauer
im Gespräch über Trump und Brexit, die AfD und eine Welt voll hohler Nüsse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.