# taz.de -- EGMR-Urteil zu Umweltverschmutzung: Rüffel für Italien | |
> Der EGMR verurteilt Italien wegen Umweltverschmutzung durch eine | |
> Stahlhütte. Der Staat schütze die Bürger zu wenig vor Schadstoffen, so | |
> die Richter. | |
Bild: Durch das Werk werden Bewohner der Stadt Tarent schwer mit Feinstaub und … | |
In den jahrelangen Kampf um das italienische Stahlwerk Ilva in Tarent hat | |
nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingegriffen. | |
Italien wurde verurteilt, weil es die örtliche Bevölkerung nicht | |
ausreichend gegen die Umweltverschmutzung durch das Stahlwerk schützt. | |
Ilva ist Europas größtes Stahlwerk. Dort arbeiten 11.500 Menschen. In der | |
strukturschwachen Region Apulien im Süden des Landes (dem „Absatz“ des | |
italienischen „Stiefels“) ist es von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. | |
Bis Ende 2018 gehörte das Ilva-Werk zum Stahlkonzern der italienischen | |
Familie Riva. Inzwischen wurde das zwischenzeitlich insolvente Werk an die | |
internationale Arcelor-Mittal-Gruppe verkauft. | |
Seit Jahrzehnten gilt [1][das Ilva-Stahlwerk als massiver | |
Umweltverschmutzer]. 2005 stand es für 90 Prozent des italienischen | |
Dioxin-Emissionen. Dioxine sind extrem gefährliche Umweltgifte, die bei | |
Verbrennungsprozessen entstehen. Die rund 200.000 Einwohner der Stadt | |
Tarent werden auch massiv mit Feinstaub und Kohlenmonoxid belastet. 2012 | |
belegte ein Gutachten, dass die Verschmutzung zu verstärktem Aufkommen an | |
Lungenkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt. | |
Schon seit 1990 versucht der italienische Staat, die Umweltverschmutzung | |
durch das Werk in den Griff zu bekommen. Mehrfach wurden Manager des | |
Stahlwerks in Italien wegen der Verletzung von Umweltgesetzen | |
strafrechtlich verurteilt. Derzeit laufen noch Verfahren gegen 44 | |
Angeklagte, darunter Mitglieder der Ex-Eigentümerfamilie Riva. 2012 wurde | |
das Werk sogar von der Justiz beschlagnahmt. Doch die damalige italienische | |
Experten-Regierung unter Mario Monti ermöglichte Ilva den Weiterbetrieb. | |
Ein Umweltplan von 2014 sah vor, dass die Probleme bis 2016 gelöst sein | |
sollen. Im Zuge des Ilva-Verkaufs wurde die Frist von der Regierung jedoch | |
auf 2023 verschoben. | |
## Kein Schadenersatz | |
Beim Straßburger Gerichtshof hatten schon 2013 und 2015 italienische Bürger | |
geklagt. In 161 Fällen wurden die Beschwerden als zulässig eingestuft, weil | |
die Kläger in Tarent oder nahegelegenen Städten wohnen. | |
Wie der EGMR nun feststellte, hat der italienische Staat die Rechte der | |
Bürger auf Privatleben und Rechtsschutz verletzt. Er habe nicht genug | |
getan, um die Bürger vor den unumstrittenen Umweltgefahren zu schützen, und | |
diese wurden auch nicht ausreichend über den Stand der Aktivitäten | |
unterrichtet. | |
Das Straßburger Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Italien kann noch die | |
17-köpfige Große Kammer des EGMR anrufen. | |
Die Kläger erhielten keinen Schadensersatz, nur den Ersatz ihrer | |
Anwaltskosten. Die Verurteilung Italiens verschaffe ihnen ausreichend | |
Genugtuung. Das Straßburger Urteil hat also vor allem symbolische | |
Bedeutung. Der EGMR hat (anders als ein EU-Gericht) nicht die Macht, direkt | |
Maßnahmen in Italien anzuordnen. Nun soll das Ministerkomitee des | |
Europarats, dem 47 Staaten angehören, diplomatischen Druck auf Italien | |
ausüben, den Umweltplan für Tarent so schnell wie möglich umzusetzen. | |
24 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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