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# taz.de -- Debatte Guatemala: Zurück in die Vergangenheit
> Mit allen Mitteln versucht Guatemalas Regierung die UN-Kommission gegen
> Straflosigkeit wieder loszuwerden. Sie wurde 2006 ins Land geholt.
Bild: Eine Kunstinstallation mit dem Gesicht des guatemaltekischen Präsidenten…
Claudia Samayoa, die Direktorin der guatemaltekischen
Menschenrechtsorganisation Udefegua, ist eine Frau der ersten Stunde. Sie
war vor 16 Jahren dabei, als Juristen, Politiker und
Menschenrechtsorganisationen darüber berieten wie sich die [1][omnipräsente
Straflosigkeit in Guatemala] eindämmen ließe. Weit über 90 Prozent der
angezeigten Delikte gingen damals straffrei aus, zahlreiche Institutionen
des Staates waren von einflussreichen kriminellen Netzwerken übernommen
worden. Und die Hoffnung, aus dem Inneren heraus an den Strukturen in dem
vom Bürgerkrieg (1960–1996) traumatisierten und von Korruption geprägten
Land etwas zu ändern, war minimal.
Damals kam die Idee auf, internationale Ermittlungsexpert*innen ins Land zu
holen. Das war die Geburtsstunde der Cicig, der UN-Kommission gegen die
Straflosigkeit in Guatemala. Sie nahm im Sommer 2007 auf Bitten der
Regierung ihre Arbeit auf. Ziel war es, eine unabhängige, professionelle
Justiz aufzubauen, um gegen die kriminellen Netzwerke vorzugehen, die
zahlreiche Institutionen des Landes längst unterwandert hatten.
Genau das haben die UN-Ermittler in den vergangenen zwölf Jahren gemacht
und die Cicig gilt als Modell dafür, wie sich ein Land zurück in Richtung
Rechtsstaatlichkeit führen lässt. Das untermauern auch konkrete Zahlen: So
sank die Mordquote von 48 pro 100.000 Einwohner im Jahr 2009 auf 24 im Jahr
2018. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden im Antrittsjahr der Cicig
nicht geahndet. Heute sind es laut einer Studie der mexikanischen
Universidad de las Américas „nur“ noch 62,4 Prozent. Damit rangiert
Guatemala in der Kategorie der Staaten mit einer mittelhohen Straflosigkeit
– vor Staaten wie Mexiko, Kolumbien oder Honduras.
Ein Erfolg, der viel mit der Präsenz der Cicig im Lande zu tun hat, so der
Menschenrechtsanwalt Edgar Pérez Archila. Deals unter dem Tisch, der
Austausch von Umschlägen mit Bestechungsgeld, in Lateinamerika soborno
genannt, seien in Anwesenheit der UN-Ermittler undenkbar. Kein Zufall –
etliche bestechliche Richter mussten nach Ermittlungen der Cicig ihre Robe
an den Haken hängen.
Das hat frischen Wind in Guatemalas Staatsanwaltschaft und ins zuständige
Ministerio Púbico gebracht. Dafür wurde das kongeniale Duo hinter den
Erfolgen, der kolumbianische Cicig-Leiter Iván Velásquez und die
guatemaltekische Generalstaatsanwältin Thelma Aldana, im September 2018 mit
dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Schließlich hatten sie die
Hoffnung geweckt, dass mit dem Modell der Cicig auch andere Länder zurück
in die Rechtsstaatlichkeit geleitet werden könnten.
## Fernsehkomiker und evangelikaler Prediger
Ein paar Monate später ist von dieser Hoffnung wenig geblieben. Die
Regierung Guatemalas hat am 7. Januar die Vereinten Nationen aufgefordert
die Kommission binnen 24 Stunden aus dem Land abzuziehen – ein klarer Bruch
der Verträge. Doch anders als es noch vor zwei, drei Jahren der Fall
gewesen wäre, blieb der Aufschrei der internationalen Gebergemeinschaft
mehr als verhalten – allen voran der der USA.
Die hatten unter der Regie von Barack Obama die Cicig unterstützt und der
Grund war einleuchtend: der Zusammenhang zwischen steigenden
Migrationszahlen aus Mittelamerika und der Unterwanderung staatlicher
Institutionen dort durch die organisierte Kriminalität.
Donald Trump hält von derartigen Analysen wenig, er setzt auf „sein“
Projekt der Mauer und zählt [2][Guatemalas Präsidenten Jimmy Morales] zu
seinen Partnern. Nicht nur, weil er als einer der Ersten nachzog und eine
Verlegung der guatemaltekischen Botschaft in Israel von Tel Aviv nach
Jerusalem anordnete, sondern auch, weil Morales einer evangelikalen Kirche
angehört, die auch Trump nahesteht. Morales hat sich nicht nur als
Fernsehkomiker einen Namen gemacht, sondern auch als evangelikaler
Prediger.
Heute inszeniert er sich gern als Messias, stellt aber persönliche
Interessen über die des Landes. Das zeigt sein Umgang mit der Cicig: Als
die UN-Ermittler im Sommer 2016 begannen, wegen Steuerhinterziehung und
Geldwäsche gegen den Bruder und einen Sohn des Präsidenten zu ermitteln,
war der Präsident alles andere als amused.
## Ende der Korruptionsbekämpfung?
Als ein Jahr später Cicig und Generalstaatsanwaltschaft einen Antrag auf
Aufhebung der Immunität des Präsidenten wegen illegaler
Wahlkampffinanzierung stellten, war das Tischtuch zwischen Morales und der
UN-Kommission zerschnitten. Wenig später begann die Diffamierungskampagne
gegen die Cicig in Guatemala und in den USA, wie das investigative
Online-Magazin Nómada recherchiert hat.
Millionen US-Dollar wurden dafür investiert und haben dazu beigetragen,
dass die positive Haltung innerhalb der US-Administration gegenüber der
Cicig sich veränderte. So genießt Jimmy Morales, einst als Kämpfer gegen
die Korruption angetreten, den Rückhalt vom US-Außenminister. Michael
Pompeo kann sich eine Reform der Cicig vorstellen.
Diese öffentliche Ansage hat dazu beigetragen, dass Jimmy Morales in
Guatemala freie Hand hat. Die von europäischen Cicig-Gebern, vor allem
Deutschland und den Briten, formulierte Besorgnis, Guatemala könne den Weg
der Korruptionsbekämpfung verlassen, spielt da keine große Rolle.
In Mittelamerika wird sich an der Hegemonialmacht USA orientiert, und die
beobachtet schweigend, wie die Clique aus Militärs, korrupten Unternehmern
und Politikern um Jimmy Morales die Uhr zurückdreht. Dazu zählt nicht nur
der Rausschmiss der UN-Kommission, sondern auch das Vorgehen gegen die
Verfassungsrichter des Landes. Deren Institution soll ersatzlos gestrichen
werden – weil sie dem Präsidenten mehrfach wegen Rechtsbrüchen
zurückpfiffen hat. In Guatemala geht es zurück in die Vergangenheit und
dafür steht auch eine Generalamnestie für die Militärs. Die wird gerade im
Parlament debattiert.
2 Feb 2019
## LINKS
[1] /Guatemala/!t5008651
[2] /Guatemala-wirft-UN-Kommission-hinaus/!5564297
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Guatemala
Jimmy Morales
CICIG
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