# taz.de -- Striktes Presserecht in Australien: Zum Schweigen gezwungen | |
> In Australien fiel ein spektakuläres Gerichtsurteil, aber die Medien | |
> dürfen absolut nichts berichten. Auch internationale eigentlich nicht. | |
Bild: Zensiert: die Titelseite der „Herald Sun“ in der letzten Woche | |
Es ist gleichzeitig das am besten und am schlechtesten gehütete Geheimnis | |
in Australien: Am vergangenen Dienstag fällte ein Gericht – wo, dürfen | |
Medien nicht schreiben – ein Urteil – welches, dürfen Medien nicht | |
schreiben-, gegen eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Landes – | |
welche, dürfen Medien nicht schreiben-, der etwas Schlimmes vorgeworfen | |
wird – was, dürfen Medien nicht schreiben. | |
Es war ein spektakulärer Prozess. Mittlerweile weiß fast jeder in | |
Australien, um wen und um welche Straftat es sich handelt. Doch Medien | |
dürfen darüber nicht berichten. Das klingt absurd. In Demokratien wie auch | |
in Deutschland ist es eigentlich üblich, dass über Gerichtsprozesse | |
berichtet werden darf. Sie gelten als öffentliches Interesse. In Australien | |
ist das anders. | |
Das Land hat eines der striktesten Pressegesetze der Welt. Und weil über | |
das Internet heute beinahe alle Medienberichte überall gelesen werden | |
können, dürfen auch ausländische Medien nichts Konkretes über den Fall | |
schreiben. Auch die taz nicht, das könnte für uns sonst sehr teuer werden, | |
im schlimmsten Falle würden bis zu fünf Jahren Haft drohen. | |
Australische Journalisten sind immer wieder bereit, Grenzen zu | |
überschreiten, in diesem Fall aber nicht – wegen der drohenden Haftstrafe. | |
Der zuständige Richter Peter Kidd hat mehrfach klar gemacht, Journalisten, | |
die das Recht brechen, zur Verantwortung ziehen zu wollen. Am vergangenen | |
Freitag verschärfte er das Verbot sogar noch – und drohte den Redaktionen | |
des Landes. | |
## Im Sinne der Justiz | |
Die Zeitungen des Landes reagierten mit deutlichen Titelseiten: „Zensiert“ | |
stand auf schwarzem Untergrund der Herald Sun. Der Daily Telegraph titelte: | |
„Es ist die größte Story der Nation“ und schrieb dazu: „Ein grausames | |
Verbrechen. Die Person ist schuldig. Sie haben es wahrscheinlich online | |
schon gelesen. Wir dürfen es nicht schreiben. Aber vertrauen sie uns!“ | |
Rein juristisch ist der Richter nicht nur im Recht, ein solches Verbot zu | |
verhängen. Er handelt durchaus im Sinne der Justiz. Denn Kidd will | |
verhindern, dass die verurteilte Person vorverurteilt wird, sollte es zu | |
einem weiteren Prozess kommen. Das Prinzip der Unschuldsvermutung ist | |
allerdings nicht der einzige Grund für den Erlass. Eine Berichterstattung | |
in den Medien könnte dazu führen, dass die angeklagte Person vor Beginn | |
einer möglichen zweiten Verhandlung geltend machen könnte, sie habe keine | |
Chance auf einen fairen Prozess. | |
Mindestens zwei amerikanische Medien haben sich dem Verbot widersetzt und | |
bereits ausführlich über die Person, den Prozess und den Ausgang berichtet. | |
Die entsprechenden Artikel verbreiten sich rasend schnell in australischen | |
Internetforen und in Sozialen Medien. | |
Am Samstag publizierte auch die Süddeutsche als erste deutsche Zeitung zwei | |
Texte: in der elektronischen Ausgabe erschien ein Text ohne Details zum | |
Prozess. In der Druckausgabe erschien einer mit Details zum Text. Bereits | |
kurze Zeit nach der Veröffentlichung sollen Fotos der Artikel im Internet | |
verbreitet worden sein. | |
Es wird schwierig sein für die australische Justiz, ausländische Medien | |
dafür zu belangen, das Verbot umgangen zu haben. Darüber aber, dass das | |
Gericht auch weltweit nach möglichen Überschreitungen Ausschau hält – auch | |
in anderen Sprachen als Englisch – ließ ein Sprecher von Richter Peter Kidd | |
gegenüber der taz keine Zweifel. „Ich lese immer gerne Deutsch“, sagte der | |
Beamte auf Anfrage. | |
18 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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