# taz.de -- Hilfe für Alleinerziehende: „Heraus aus der Isolation“ | |
> „Goldnetz“ bietet alleinerziehenden Frauen Coachings an, um sie in einen | |
> Job zu bringen. Der müsse zur Lebenssituation passen, sagt | |
> Projektmanagerin Uta Gärtner. | |
Bild: Auch für Alleinerziehende gibt es Wege aus der Armutsfalle | |
taz: Frau Gärtner, in was für einer Lage sind die Frauen, die zu Ihnen | |
kommen? | |
Uta Gärtner: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben sehr junge Frauen, die | |
noch keine Ausbildung abgeschlossen haben, und andere, die zwar hohe | |
Qualifikationen vorweisen können, aber durch die Familienarbeit in ihren | |
Beruf nicht mehr reinkommen. | |
Alle Teilnehmerinnen stehen sicherlich vor der Herausforderung, Familie und | |
Beruf unter einen Hut zu bringen. | |
Es gibt noch eine andere Gemeinsamkeit: Alle sind von Leistungen des Amts | |
abhängig. Viele Frauen müssen Teilzeit arbeiten, wenn sie Kinder bekommen, | |
es gibt eine regelrechte Minijob-Schwemme. Diese Frauen beziehen zusätzlich | |
Leistungen beim Jobcenter, sie stocken also auf – und fragen sich schon, ob | |
sich arbeiten dann überhaupt lohnt. Die Frauen, die zu uns kommen, wollen | |
da raus. Sie wollen einen Job, von dem sie auch leben können. Dabei | |
unterstützen wir sie. | |
Die Frauen kommen freiwillig? | |
Das ist das Besondere bei uns. Wir arbeiten mit den Jobcentern eng | |
zusammen. In dieser Woche habe ich alleinerziehenden Frauen vom Jobcenter | |
Mitte das Projekt vorgestellt. Ob sie mitmachen, ist ihre freie | |
Entscheidung. Sanktionen gibt es nicht. | |
Wie helfen Sie den Teilnehmerinnen? | |
Wir schauen: Was wünscht sich die Frau, was ist ihr Potenzial? Manchmal | |
passt der ursprüngliche Beruf nicht mehr zur Lebenssituation. Es kommen | |
viele, die Einzelhandelskauffrau gelernt haben. Aber die Arbeitszeiten am | |
Wochenende oder im Schichtdienst passen nicht mit der Kinderbetreuung | |
zusammen. Manche fangen dann noch mal eine ganz neue Ausbildung an, das ist | |
ein großer Schritt. Oder sie machen eine Umschulung. Das ist alles möglich. | |
Wie sieht das Coaching konkret aus? | |
Wir haben pro Durchlauf zwei Gruppen mit jeweils 16 Frauen, die werden von | |
einer Kursleiterin oder einem Job-Coach betreut. Wir arbeiten mit externen | |
Dozentinnen und Dozenten zusammen. Begleitend gibt es ein Einzelcoaching | |
zur Bewältigung individueller Probleme, etwa wenn eine Frau Schulden hat | |
oder ein Gerichtstermin ansteht. Das Projekt findet vormittags von 9 bis 13 | |
Uhr statt. | |
Wo sind dann die Kinder? | |
In der Kita oder Schule, das ist für die Frauen gut zu managen. Sie knüpfen | |
bei uns auch Freundschaften. Das ist ganz wichtig, damit sie herauskommen | |
aus der Isolation. Viele ziehen sich zurück ohne Job, mit wenig Geld. Wenn | |
wir nach drei Wochen die erste Frau erfolgreich vermitteln, kommt eine | |
unglaubliche Bewegung in die Gruppe. Jeder Kurs läuft insgesamt zwölf | |
Wochen, am Ende soll ein Job stehen, eine Aus- oder Weiterbildung. | |
Und klappt das? | |
Wir hatten seit 2014 insgesamt 950 Frauen bei uns und kommen auf eine | |
Vermittlungsquote von 49 Prozent. Fast jede zweite Frau geht mit einem | |
Erfolg hier raus, sei es mit einem Deutschkurs, einer Weiterbildung in der | |
Buchhaltung, einem Teilzeit- oder Vollzeitjob. Wenn wir die Frauen | |
erfolgreich vermittelt haben, bieten wir ein Einzelcoaching in der | |
Probezeit. Das sind schwierige Monate für die Frauen, das Kind darf nicht | |
krank werden, sie selbst müssen sich beweisen, viele straucheln da leicht. | |
Wir bestärken sie, suchen nach Lösungen: Gibt es ein Netzwerk, wenn das | |
Kind krank wird? So etwas sollte man schon vor Beginn des neuen Jobs | |
überlegt haben. | |
Dürfen zu Ihnen auch alleinerziehende Väter kommen? | |
Wir haben nur Frauen bei uns. Bis vor ein paar Jahren konnten auch Männer | |
kommen. Aber zum einen sind 90 Prozent der Alleinerziehenden weiblich. Zum | |
anderen kommen in den Gruppen auch Themen vor, bei denen es gut ist, einen | |
geschützten Rahmen zu haben. | |
Zum Beispiel? | |
Wenn es etwa um fehlende Unterhaltszahlungen geht, um | |
Sorgerechtsstreitigkeiten oder um häusliche Gewalt. Unser Ansatz ist | |
ganzheitlich, das fließt alles mit ein. Wir schauen immer, ob beim | |
Berufseinstieg auch das Familiensystem mitspielt. Wenn es gesundheitliche | |
oder familiäre Probleme gibt, muss man das erst einmal regeln, um dann | |
später erfolgreich in einen Job zu kommen. | |
24 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Armut | |
Alleinerziehende | |
Arbeit | |
Teilzeit | |
Mütter | |
Weihnachten | |
Schwerpunkt Armut | |
Familie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie: Vollzeit oder gar nicht | |
Der Staat wirbt dafür, dass junge Eltern ihre Ausbildung in Teilzeit | |
absolvieren können. Ausgerechnet die Bundestagsverwaltung stellt sich aber | |
quer. | |
Der Hausbesuch: Lieber zusammen als allein | |
Drei Kinder, zwei Mütter: Genia und Nina wurden erst Freundinnen und dann | |
Mitbewohnerinnen. Zu Besuch in einer Alleinerziehenden-WG in Osnabrück. | |
Alleinerziehende und Weihnachten: Maria allein zu Haus | |
Für viele Alleinerziehende ist Weihnachten kein frohes Fest. Denn es macht | |
Armut besonders spür- und sichtbar. | |
Armutsbericht 2018: Bildung schützt vor Armut nicht | |
Der Paritätische Gesamtverband möchte mit Klischees aufräumen und fragt in | |
seinem Bericht: Wer sind die Armen eigentlich? | |
Armutsrisiko in Deutschland: Alleinerziehende sind öfter arm | |
2,4 Millionen Kinder wachsen in einem Haushalt mit nur einem Elternteil | |
auf. Diese Familien sind besonders stark von Armut bedroht. Ein Problem ist | |
fehlende Betreuung. |