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# taz.de -- Nach Brandanschlägen auf Hausprojekte: Frankfurts Linke unter Besc…
> Seit Wochen gibt es Anschläge auf alternative Projekte im
> Rhein-Main-Gebiet. Betroffene werfen Politikern vor, Stimmung gegen Linke
> zu machen.
Bild: An ihrem Zaun wurde auch gezündelt: das alternative Wohnprojekt Assenland
Frankfurt am Main taz | Das Loch im verkokelten Holz ist noch zu sehen. In
der Nacht zum 14. November haben Unbekannte am Zaun des selbstverwalteten
Wohnprojekts „Assenland“ in Frankfurt-Rödelheim gezündelt. Hinter dem
Brandloch lagerte Holz. „Es war ein glücklicher Zufall, dass es in dieser
Nacht heftig geregnet hat“, sagt Kim K., 30, die den Tatort mit ihrer
Taschenlampe ausleuchtet. Assenland ist seit sechs Jahren ihr Zuhause.
„Die Häuser denen, die drin wohnen!“ In bunten Farben prangt das Motto des
„Miethäuser-Syndikats“ auf dem Gemäuer, das den Hof des 300 Jahre alten
Gutshauses in der Assenheimer Straße umgibt. Im „Syndikat“ sind bundesweit
mehr als hundert autonome Wohnprojekte organisiert, die in Gemeineigentum
überführt werden sollen.
Kim empfängt gemeinsam mit Eliad N. in „G1“, dem Gemeinschaftsraum im
ersten Stock. Vierzehn Menschen leben in Assenland auf 330 Quadratmetern.
Sie sind zwischen elf und 56 Jahre alt. Kim promoviert, Eliad arbeitet in
der Erwachsenenbildung, andere sind Angestellte oder LehrerInnen.
Binnen vier Wochen zählte das Syndikat sechs Brandanschläge auf alternative
Projekte allein in Frankfurt am Main. In Rödelheim traf es neben Assenland
dreimal das autonome Wohnprojekt Au. Am Kulturzentrum „Exzesss“ wurden an
zwei Tagen hintereinander Brandherde entdeckt. Weniger glimpflich verliefen
dagegen zwei Brände im Frankfurter Umland. Im Garten des Hanauer Projekts
„Schwarze 79“ brannte Anfang Dezember ein Bauwagen aus. Und in dem
Wohnprojekt „Knotenpunkt“ in Schwalbach brannten im September zunächst ein
Holzunterstand, dann eine Scheune und schließlich das ganze Wohnhaus ab.
Nur weil niemand zu Hause war, wurde niemand verletzt.
Im G1 stehen Sofas und Sessel um einen großen Tisch. Hier tagt das Plenum
des Wohnprojekts, hier werden Pläne geschmiedet und Konflikte ausgetragen.
Im Erdgeschoss ist die Gemeinschaftsküche. Aus einer gemeinsamen Kasse
werden die Nahrungsmittel bezahlt, ebenso zwei Tageszeitungen und der
Internetanschluss. Jeder zahlt Miete und einen Solidaritätsbeitrag. Für
Frankfurter Verhältnisse ist der Mietpreis von deutlich unter zehn Euro pro
Quadratmeter konkurrenzlos.
## „Auch andere sollen abgeschreckt werden“
„Wir leben das Gegenteil von Vereinzelung“, sagt Kim. Nach dem
Brandanschlag habe ihnen vor allem die Unterstützung der Nachbarschaft
gutgetan. „Einige haben sogar angeboten, uns vorübergehend aufzunehmen,
doch wir lassen uns nicht vertreiben.“ Eliad ergänzt: „Wir wollen Teil
dieses Stadtteils bleiben.“ Die BewohnerInnen haben Strafanzeige bei der
Polizei gestellt. Die Ermittlungen dauerten an, heißt es bei der
Frankfurter Polizei.
„Unseren Gegnern geht es bei den Anschlägen nicht nur um uns, auch andere
sollen abgeschreckt werden,“ sagt Kim. „Die Anschläge richten sich
offensichtlich gegen linke Projekte und Lebensweisen“, sagt Eliad und fügt
hinzu: „Sie machen uns eher wütend als ängstlich.“ Das Syndikat macht
PolitikerInnen von FDP, CDU und AfD in der Frankfurter
Stadtverodnetenversammlung mitverantwortlich. „Sie machen seit Monaten
mobil gegen linke Zentren und Strukturen und heizen bewusst das politische
Klima an“, heißt es in einer Presseerklärung. „Der Zündstoff kommt aus d…
Römer“ stand denn auch auf dem Banner, das Aktivisten des Kulturcafès
Exzess bei einer spontanen Demonstration durch Bockenheim trugen, nachdem
es dort zum zweiten Mal gebrannt hatte.
Christoph Schmitt, sicherheitspolitischer Sprecher der CDU, weist solche
Vorwürfe als „unfair“ zurück. So habe seine Partei trotz der unklaren
Rechtslage um die „Au“ zu keinem Zeitpunkt deren Räumung gefordert, erklä…
er gegenüber der taz. In einem Brief an die Betroffenen schrieb er: „Sollte
sich der Verdacht erhärten, dass die genannten Einrichtungen Ziel
rechtsextremer Anschläge geworden sind, können Sie sich auf unsere
uneingeschränkte Solidarität verlassen.“
Der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag, Hermann
Schauss, will die Brandserie an diesem Mittwoch zum Thema im Innenausschuss
machen. Innenminister Peter Beuth (CDU) soll über den Stand der
Ermittlungen Auskunft geben. Der Ausschuss tritt auf Antrag der Linken zu
einer Sondersitzung zusammen. Der eigentliche Anlass sind Ermittlungen
gegen fünf PolizeibeamtInnen des 1. Polizeireviers in Frankfurt am Main,
die im Internet rechtsextreme und fremdenfeindliche Inhalte sowie
Hakenkreuze und Hitlerbilder gepostet haben sollen. Aber das ist eigentlich
ein anderes Thema.
17 Dec 2018
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Frankfurt/Main
Hausprojekt
Frankfurt am Main
Frankfurt am Main
Brandanschlag
Rechtsextremismus
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