# taz.de -- Urteil gegen rechten Waffenhändler: Vom Ende einer knalligen Karri… | |
> Mario R. verkaufte im Netz Waffen mit rassistischen Namen und erhielt | |
> zehntausende Euros von rechten Verlagen. Nun muss er ins Gefängnis. | |
Bild: Fieses Gerät: beschlagnahmter Revolver aus den Waffengeschäften von „… | |
BERLIN taz | Die Waffen trugen Namen wie „Migrantenschreck DP120 Bautzen | |
Edition“ oder „Antifaschreck AS125“. Auch die Produktbeschreibungen ließ… | |
wenig Zweifel daran, welchen Verwendungszweck der Verkäufer Mario R. für | |
die Schießgeräte im Sinn hatte: „60 Joule Mündungsenergie strecken jeden | |
Asylforderer nieder“, stand beispielsweise unter einem Revolver. Und die | |
Schreckschusswaffe „MS55 Lady“ versprach „jeden Schurken“ zu vertreiben, | |
„egal ob Ficki-Ficki-Fachkraft oder Hobbydieb“. | |
Am Dienstag hat das Landgericht Berlin den mutmaßlichen Rechtsextremisten | |
Mario R. wegen illegalen Waffenhandels zu zwei Jahren und zehn Monaten | |
Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der | |
35-Jährige einen Online-Waffenshop namens „Migrantenschreck“ von Ungarn aus | |
betrieben hatte. Zwischen Mai und November 2016 habe R. 167 illegale | |
Schusswaffen an deutsche Kunden geliefert. Der Thüringer erzielte damit | |
einen Gewinn von 99.000 Euro. | |
R. hatte im Laufe des Prozesses die Geschäfte eingeräumt. Er sei davon | |
ausgegangen, ein legales Geschäft zu betreiben, sagte er. Die Waffen seien | |
in Ungarn legal und gelten dort als „Sicherheitstechnik“. Das Gericht sah | |
das anders. R. sei des unerlaubten Handels und der Verbringung von | |
Schusswaffen in den deutschen Geltungsbereich schuldig. Die Waffen habe er | |
zudem perfide beworben. Der Tatgewinn von rund 99.000 Euro wird eingezogen, | |
urteilte das Landgericht. Es folgte im Wesentlichen der Staatsanwältin | |
Susann Wettley, die drei Jahre und zwei Monate Haft verlangt hatte. R.s | |
Verteidiger kündigten Revision an. Sie hatten zuvor eine Einstellung des | |
Verfahrens oder Freispruch verlangt. | |
Das Urteil markiert das Ende einer über zwei Jahre langen Jagd der Behörden | |
nach dem „Migrantenschreck“-Betreiber. | |
## Zwei Jahre gesucht, am Ende in Ungarn festgenommen | |
Bereits Anfang 2016 war R. zur Fahndung ausgeschrieben worden, zunächst | |
wegen Volksverhetzung und Verleumdung. Spätestens Ende 2016 wurde bekannt, | |
dass die Ermittler R. als Drahtzieher hinter dem Waffenversand vermuteten. | |
Der hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits nach Ungarn abgesetzt. Ende März | |
2018 nahmen ihn ungarische Spezialeinheiten fest und lieferten ihn drei | |
Monate später nach Deutschland aus. | |
Der „Migrantenschreck“-Shop führte in seinem Sortiment gasbetriebene | |
Pistolen und Langwaffen, die Hartgummiprojektile verschießen. Tests des | |
Bundeskriminalamts (BKA) hatten ergeben, dass die Geschosse mehrere | |
Zentimeter in menschliches Gewebe eindringen und Knochen zersplittern | |
können. Die Waffen gelten in Deutschland als Schusswaffen und sind | |
erlaubnispflichtig. Den Kunden versprach die Seite jedoch den Versand der | |
Waffen „ohne lästige bürokratische Hürden“. Viele Käufer sind bereits w… | |
Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden. | |
Dass R. sein lukratives Waffen-Start-up überhaupt aufziehen konnte, hatte | |
er womöglich auch hohen Zahlungen von zwei Verlagen aus dem rechten | |
Spektrum zu verdanken: dem Magazin Compact und dem Kopp-Verlag. Insgesamt | |
110.000 Euro überwiesen die zwei publizistischen Zentralorgane der Neuen | |
Rechten zwischen Januar 2016 und September 2017 auf ein Schweizer Konto von | |
R., wie die Staatsanwaltschaft Berlin auf Anfrage bestätigt. | |
## Gute Geschäfte mit Compact und dem Kopp-Verlag | |
Das Magazin Compact gab zwischen Januar und Juli 2016 insgesamt 13 | |
Einzelüberweisungen an R. in Auftrag. Die Zuwendungen beliefen sich auf | |
insgesamt 75.000 Euro. Wofür R. die Summe genau erhielt, ist unklar. Auf | |
eine Anfrage hat Compact nicht reagiert. | |
Dass R. eine Zeit lang die Werbetrommel für Compact-Abos gerührt hatte, ist | |
allerdings von beiden Seiten bestätigt worden. In einem Blogbeitrag vom | |
Oktober 2016 räumt das Magazin ein, R. zeitweise als freien Mitarbeiter | |
beschäftigt zu haben. Auf dem rechten Verschwörungsblog AnonymousNews.ru, | |
das laut Ermittlern ebenfalls von R. betrieben worden sein soll, heißt es, | |
R. habe sich um das Marketing des Magazins gekümmert. „Innerhalb von | |
wenigen Monaten hatte ich unter allen Compact-Mitarbeitern das höchste | |
Einkommen“, so R. nach Angaben des Blogs. Ein weiteres finanzielles | |
Standbein bot sich R. durch den Kopp-Verlag. Der Verlag, der unter anderem | |
Bücher über Ufologie und alternative Heilkunde vertreibt, überwies R. | |
zwischen April 2016 und September 2017 in mehreren Einzelüberweisungen über | |
40.000 Euro. | |
Der Verleger Jochen Kopp bestätigte die Zahlungen laut Medienberichten. | |
Hätten Käufer über R.s Blog AnonymousNews.ru den Weg zum Verlag gefunden, | |
habe dieser dafür eine Provision eingestrichen. Insgesamt habe R. dadurch | |
einen „Umsatz im fünfstelligen Bereich“ erzielt, hieß es demnach von Seit… | |
des Verlags: „Soweit Zahlungen erfolgten, beruhten diese auf den üblichen | |
Provisionen für die Vermittlung von Buchverkäufen über dessen | |
Internet-Blog.“ | |
R. bestätigte vor Gericht den Zusammenhang zwischen den Zahlungen der | |
rechten Verlage und seinem illegalen Waffenversand. Das Geld habe er | |
benutzt, um die Waffen vom ungarischen Hersteller einzukaufen, die er | |
später in seinem Online-Shop unter neuen Namen vertrieb, sagte R. in seiner | |
Einlassung. | |
## Verlage weise Beschuldigungen zurück | |
Dass Gelder aus den hauseigenen Verlagstöpfen für den Handel mit | |
Schusswaffen genutzt wurden, die zum Einsatz gegen Menschen empfohlen | |
wurden, weist der Kopp-Verlag laut Medienberichten zurück. Man habe Mario | |
R. im Sommer 2017 „nach Bekanntwerden seines bedenklichen Verhaltens“ | |
gekündigt. Der Verlag habe zu keiner Zeit Geschäfte von R., „die Gegenstand | |
der Anklage sind, mit Zahlungen unterstützt“. | |
Doch die Zahlungen des Kopp-Verlags an R. gingen weit in das Jahr 2017 | |
hinein, die letzte Tranche erreicht ihn im September 2017. Zu diesem | |
Zeitpunkt gab es bereits zahlreiche öffentliche Hinweise, dass R. hinter | |
„Migrantenschreck“ stecken könnte. Auch war er bereits Anfang 2016 wegen | |
Volksverhetzung von der Staatsanwaltschaft Erfurt zur Fahndung | |
ausgeschrieben worden. | |
Compact war früh um Distanz zum ehemaligen Partner bemüht. Schon im Oktober | |
2016 warnte man in einem Blogbeitrag vor den „kriminellen Machenschaften | |
von Migrantenschreck und R.“. | |
## Waffen: Namen neu erfunden und teuer verkauft | |
Am 3. Mai 2016 verkaufte R. die erste Waffe an einen Kunden. Exakt einen | |
Tag vorher verzeichnet sein Schweizer Konto eine weitere Einzahlung von | |
3.000 Euro. Absender: Compact. Das Magazin überwies danach noch viermal | |
Summen auf R.s Konto, zuletzt am 1. Juli. Die größte Einzahlung erreicht R. | |
am 3. Februar: 26.925,98 Euro verbucht R.s Schweizer Konto an diesem Tag | |
auf der Habenseite. | |
Wie hilfreich die Gelder von Compact und Kopp beim Hochziehen seines | |
Waffenladens waren, verdeutlicht ein Blick auf R.s Investitionskosten. Er | |
bezog die „Migrantenschreck“-Waffen von der Waffenschmiede Keserü, die | |
ihren Sitz keine 15 Autominuten entfernt von seiner Budapester Wohnung hat. | |
Das Geld kam unter anderem von seinem Schweizer Konto. R. sagte vor | |
Gericht, er habe in dieser Zeit teilweise „mehrmals die Woche 500 Euro“ von | |
seinem ungarischen Konto abgehoben. | |
Die Waffen bezahlte R. bei Keserü in bar. Für den Weitervertrieb auf | |
„Migrantenschreck“ labelte er die Waffen um und verkaufte sie im Schnitt | |
für das Doppelte. Die „Migrantenschreck MS55 Lady“ (299 Euro) heißt | |
eigentlich Zoraki 914 und kostet bei dem Hersteller aktuell umgerechnet 76 | |
Euro. Das Repetiergewehr „Migrantenschreck HD130 Superior“ (749 Euro) ist | |
beim Hersteller aktuell für umgerechnet 307 Euro erhältlich. | |
Wer bei „Migrantenschreck“ eine Waffe kaufen wollte, bezahlte per Vorkasse | |
auf eines von R.s ungarischen Konten. Zu dessen kreativer Buchführung | |
gehörte, dass er nicht nur mehrere Konten parallel führte, sondern Gelder | |
auch auf das Konto seiner ehemaligen Freundin sowie auf das Konto eines | |
Freundes transferierte. | |
## Am Ende stolpert der Mann über Geldwäsche-Vorwürfe | |
Es gehört zu den Besonderheiten dieses Falls, dass R. am Ende weder seine | |
illegalen Waffengeschäfte noch die flüchtlingsfeindliche Rhetorik zum | |
Verhängnis wurde. Die Razzia in R.s Budapester Wohnung Ende März kam erst | |
durch einen Geldwäscheverdacht zustande: Da die „Migrantenschreck“-Waffen | |
in Ungarn legal gehandelt werden dürfen, wurden die dortigen Behörden erst | |
aktiv, als die Berliner Staatsanwaltschaft ihnen Hinweise gab, dass R. die | |
Einnahmen aus dem Waffenhandel auf andere Personen übertrug. | |
R. gab sich in der Verhandlung zurückhaltend. Noch am Tag seiner Festnahme | |
hatte er den Beamten siegessicher entgegengehalten, „das Merkel-Regime“ sei | |
für ihn „nicht zuständig“, wie ein Polizeizeuge berichtete. Auf der | |
Anklagebank wirkte R. dann wie ausgetauscht. Er sprach ruhig und leise, | |
manchmal unter der Hörbarkeitsgrenze. Meist saß er da und verfolgte in | |
blauen Jeans, blauem Pullover und graublauen Sneakern aufmerksam das | |
Gerichtsgeschehen. Sein Gesicht wirkte blass, resigniert und von der Haft | |
gezeichnet. | |
Die 99.000 Euro Tatgewinn aus dem „Migrantenschreck“-Geschäft schuldet R. | |
nun der Justizkasse – zuzüglich der Verfahrenskosten. Erträge aus | |
Straftaten verwandeln sich nach Verurteilung in Verbindlichkeiten an den | |
Staat. Mit Schulden wird R. das Gefängnis vermutlich trotzdem nicht | |
verlassen. Er ist Mitbesitzer von zwei Grundstücken und eines | |
Einfamilienhauses. In seiner 120-Quadratmeter-Wohnung im vornehmen | |
Budapester Stadtteil Pasarét fanden die Ermittler außerdem allerlei | |
Vermögensgegenstände, die sich zu Geld machen lassen, darunter mehrere | |
Uhren und ein Werk des deutschen Pop-Art-Künstlers Devin Miles. Die | |
Staatsanwaltschaft Berlin geht davon aus, dass R.s Schulden an den Staat | |
„aus dem gesicherten Vermögen beglichen werden können“. | |
18 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
daniel mützel | |
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