# taz.de -- NDR-Comedy Serie „Jennifer“: Comedy vom flachen Land | |
> Klaas Heufer-Umlauf hat drei neue Folgen „Jennifer – Sehnsucht nach was | |
> Besseres“ produziert und spielt auch selbst mit. Auch Olli Dittrich ist | |
> dabei. | |
Bild: Dietmar (Olli Dittrich, l.) hübscht Manni (Ulrich Bähnk) für „Voice … | |
Die [1][Kunst von Olli Dittrich] ist es, immer noch die Kurve zu kriegen. | |
Seine Charaktere, in diesem Fall der Friseur Dietmar, wirken zunächst so | |
überdreht, so plump, so stereotyp, so nervig, dass man sich nicht | |
vorstellen kann, es länger als fünf Minuten mit diesen Abziehbildern | |
auszuhalten. Dietmar ist affektiert, schwul, zickig – der tuntige | |
Homo-Friseur halt. Doch Dittrich schafft es, den Figuren gerade noch so | |
viel Würde zu verleihen, so viel Respekt entgegenzubringen, dass sie eben | |
nicht wie der Kichergruft entstiegene Zombies wirken, sondern wie: | |
Menschen. Halbwegs ernstzunehmende Menschen. | |
Und das trifft auf alle „Jennifer“-Charaktere zu: Die namensgebende | |
Hauptprotagonistin (gespielt von Katrin Ingendoh), ihre beste Freundin | |
Melanie (Laura Lo Zito), Jennifers Oma Margret (Doris Kunstmann) oder der | |
von [2][Klaas Heufer-Umlauf] gespielte Ex-Reality-TV-Star und in den | |
Friseurberuf zurückgekehrte Ingo – sie alle schrammen knapp am mit | |
brennenden Kerzen und Glaskugeln behangenen Klischeeweihnachtsbaum vorbei. | |
Aber eben nur knapp. | |
„Jennifer“, in der die ungelernte Fiseurgehilfin immer wieder nach Auswegen | |
aus der Provinztristesse von Neu Wulmstorf sucht – in den drei neuen | |
Episoden der dritten Staffel als Hundefriseurin, Songschreiberin und indem | |
sie das Salonteam zu Regionalmeisterschaften treibt –, ist nicht der feine | |
Diamantbohrer, mit dem die Zahnärztin versucht, möglich präzise die | |
schimmeligen Stellen aus dem Gebiss zu entfernen, sondern der | |
14-Millimeter-Hammerbohrer für den Wanddurchbruch. | |
Als im Dezember in einem kleinen Berliner Kino die dritte Staffel gezeigt | |
wird, kichern Klaas Heufer-Umlauf und Olli Dittrich bei jedem Witz. | |
Vielleicht müssen sie das, weil es Teil der Werbestrategie ist, aber es | |
wirkt eher, als würden sie tatsächlich gern an die Dreharbeiten | |
zurückdenken. Dittrich ist seit Folge eins dabei, war zwischenzeitlich mal | |
raus und kehrt nun zurück. Heufer-Umlauf stieg nach der ersten Staffel, die | |
2015 lief, ein. Weil er es unbedingt wollte, sagt er. Diese dritte Staffel | |
hat er nun gar produziert, gemeinsam mit Regisseur Lars Jessen. | |
## Der echte Norden | |
Und Jessen weiß, was er tut, wenn er die norddeutsche Provinz in Szene | |
setzt. Jessen wuchs selbst in Schleswig-Holstein auf. In Dithmarschen, | |
ziemlich weit im Norden, wo einen nur noch (das etwas schönere) | |
Nordfriesland von Dänemark trennt. Jessen hat „Dorfpunks“ gedreht, [3][die | |
Mockumentary „Fraktus“], einen Kieler „Tatort“, „Jürgen – Heute wi… | |
gelebt“ (nach dem Roman von Heinz Strunck) und zuletzt „Wildes Herz“, die | |
Doku über die Band Feine Sahne Fischfilet, produziert. | |
Vieles spielt also im Norden, dem echten Norden. In diesen Provinzdörfern, | |
die nicht die Küste, das Wasser, die Deiche, die Schafe, das idyllische | |
Postkartenbild widerspiegeln, sondern in Orten wie Neu Wulmstorf, wo | |
„Jennifer“ spielt. Orte mit gelb verklinkerten Häusern, in denen früher m… | |
der Schmied wohnte oder die Post war oder der Spar-Laden. Aber Schmied und | |
Post und Spar gibt es halt nicht mehr im Ort. Geblieben sind die gelben | |
Häuser, vielleicht ein Nagelstudio oder ein Friseursalon und ein Penny | |
neben einem Aldi im ortsnahen Industriegebiet. Und wenn Jessen bei der | |
Premiere über „Jennifer“ spricht, klingt er auch nicht viel anders als | |
seine ProtagonistInnen. Da kann er nichts für. | |
Auch die Autoren sind langjährige Beobachter der Provinz auf dem sehr | |
platten Land: Andreas Altenburg und Harald Wehmeier schrieben schon | |
gemeinsam die NDR-Radio-Comedy „Frühstück bei Stefanie“, und Wehmeier war | |
vorher für das (deutlich lustigere) „Stenkelfeld“ verantwortlich, in der in | |
Radioreportagen, -features und -liveberichten aus dem fiktiven Dorf | |
Stenkelfeld berichtet wird: aus der Jürgen-Koppelin-Bildungsstätte, dem | |
Claudia-Schiffer-Gymnasium oder der Martin-Luther-Kaserne. | |
„Jennifer“ ist allerdings – anders als das häufig sehr politische | |
„Stenkelfeld“ – nicht die Serie mit der zweiten Ebene. Aber eine | |
Comedyreihe mit dem Titel „Sehnsucht nach was Besseres“ lässt wohl auch | |
nichts anderes erwarten. Manche Witze sind flacher als das Neu Wulmstorf | |
umgebende Land. Dennoch schafft es auch die Serie als Gesamtwerk immer noch | |
irgendwie, die Kurve zu kriegen und nicht ins Draufhauen auf die | |
vermeintliche Unterschicht abzudriften. | |
2 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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