| # taz.de -- SPD vor Europawahl: Geplatzte Träume | |
| > Die SPD kürt Katarina Barley zur Europa-Spitzenkandidatin. Ihr schwant, | |
| > dass die neue CDU-Chefin ein harter Brocken ist. | |
| Bild: Katarina Barley mit 99 Prozent zur SPD-Spitzenkandidatin für die Europaw… | |
| Berlin taz | Wie sehr sich die SPD über diese Spitzenkandidatin für die | |
| Europawahl freut, ist von Anfang an klar. Katarina Barley hat noch gar | |
| nicht mit ihrer Bewerbungsrede angefangen, da klatschen die knapp 200 | |
| Delegierten in dem Saal im Berliner Willy-Brandt-Haus schon rhythmisch. | |
| Barley wehrt lachend ab. „Ich habe doch noch gar nichts gemacht.“ Leicht, | |
| sagt sie dann, habe sie sich die Entscheidung für die Kandidatur nicht | |
| gemacht. „Ich bin nicht so die Lautsprecherin.“ | |
| Wenig später wählen die Delegierten sie mit dem Traumergebnis von 99 | |
| Prozent zur Spitzenkandidatin. Barley, 50, Noch-Justizministerin, ist ein | |
| Hoffnungsfunke in der sozialdemokratischen Düsternis. Erst hatte sie | |
| SPD-Chefin Andrea Nahles abgesagt, sich dann aber doch umentschieden. | |
| Vielen SPD-lern gilt sie als Idealbesetzung für den Europawahlkampf. Der | |
| Vater Brite, die Mutter Deutsche, besitzt sie zwei Pässe und lebt im | |
| Vierländereck bei Trier – Frankreich, Belgien und Luxemburg liegen um die | |
| Ecke. Auch habituell fällt sie auf im Personaltableau der SPD, weil sie | |
| zugewandt, freundlich und gut gelaunt auftritt. | |
| Neben Barley wird Udo Bullmann als Spitzenkandidat antreten, der | |
| Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament. Die | |
| Aufgabe der beiden ist schwer, vielleicht sogar unlösbar. Schafft die SPD | |
| die Trendwende bei dieser wichtigen Europawahl? Dafür spricht wenig. Holte | |
| die SPD 2014 unter Martin Schulz noch 27,3 Prozent, liegt sie heute in | |
| Umfragen im Bund bei knapp 15 Prozent. | |
| Barley ruft in ihrer Rede zum Kampf gegen rechtsextreme und | |
| nationalistische Kräfte auf. „Wir müssen alles dafür tun, dass diese | |
| Menschen niemals das Sagen bekommen.“ Europa sei sehr zerbrechlich | |
| geworden, das Europäische Parlament könne bei dieser Wahl Schaden nehmen. | |
| „Wir müssen alle raus aus der Komfortzone.“ | |
| Und sie versteht es, die Seele der SPD zu streicheln. Jene, ruft sie, sei | |
| eine „großartige, schlagkräftige Partei“. Alle, die der SPD das | |
| Totenglöckchen läuteten, sollten nicht vergessen, dass sie die Partei mit | |
| den meisten Mitgliedern in Deutschland sei. Da jubeln die Delegierten ihr | |
| zu. | |
| Doch die Freude an Barley ändert nichts an der Verzweiflung der SPD. Es | |
| sagt viel über den Zustand der Partei, dass manche Sozialdemokraten auf | |
| einen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz gesetzt hatten. Ein marktliberaler | |
| Hardliner, so die Hoffnung, lasse der SPD mehr Raum für eigenes Profil. | |
| Was lieferte er für schöne Vorlagen: Merz’ Vorschlag, mit Aktien für die | |
| Rente vorzusorgen, nannte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil einen | |
| „milliardenschweren Gefallen für Reiche“. SPD-Vize Ralf Stegner stellte die | |
| Frage in den Raum, ob „Millionäre aus der Finanzindustrie“ Ämter in | |
| Volksparteien anstreben sollten. | |
| Da wehte ein Hauch Klassenkampf durch die Republik. Der knappe Sieg der | |
| Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat solche SPD-Träume beendet. | |
| Kramp-Karrenbauer, nüchtern veranlagt wie Kanzlerin Merkel, wird die Mitte | |
| nicht preisgeben und lässt der SPD in der Sozialpolitik wenig Raum. Sie mag | |
| gesellschaftspolitisch etwas konservativer als Merkel sein, etwa wenn sie | |
| auf das Werbeverbot für Abtreibungen pocht. Doch davon dürften eher die | |
| Grünen profitieren – und nicht die SPD. | |
| ## Viel Kritik macht sich an SPD-Chefin Nahles fest | |
| Stegner rät seiner Partei, sich auf eigene Baustellen zu konzentrieren. | |
| „Ich glaube, dass die SPD sich nicht am Personal anderer Parteien | |
| orientieren darf“, sagt er. Stattdessen müsse sie auf sich selber schauen | |
| ([1][siehe Interview]). | |
| Viel Kritik macht sich an SPD-Chefin Nahles fest, die Barley und Bullmann | |
| im Willy-Brandt-Haus mit dem Satz lobt, es seien „unsere besten Leute, die | |
| wir nach vorne schicken“. Dass Nahles, die erst seit April an der | |
| Parteispitze steht, die Beste für den Job ist, wird in der SPD zunehmend | |
| bezweifelt. Es sei nicht klar erkennbar, wofür die SPD stehe, sagen ihre | |
| Kritiker. Der Erneuerungsprozess gehe zu langsam, die SPD setze bisher kaum | |
| Akzente in der Europapolitik. Nahles leiste sich krasse Fehleinschätzungen, | |
| etwa als sie beim Fall Maaßen eine Beförderung des umstrittenen | |
| Geheimdienstchefs nicht von vornherein verhinderte. | |
| Und da, wo es Erfolge in der Regierung gebe, fehle die klare Kommunikation. | |
| So hat die SPD etwa durchgesetzt, dass Arbeitnehmer ab 2019 mehr Geld in | |
| der Tasche haben, weil Arbeitgeber wieder den gleichen Anteil für | |
| Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. Nahles sagte im Fernsehen, man habe | |
| „die Parität wiederhergestellt“. Darunter dürften sich nur wenige Leute | |
| etwas vorstellen können. | |
| Die Europawahl im Mai entscheidet nicht nur über das Schicksal der | |
| Hoffnungsträgerin Barley. Sondern vielleicht auch über das der Vorsitzenden | |
| Nahles. | |
| 9 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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