# taz.de -- Konzertempfehlung für Berlin: Schönklang und Experiment | |
> Bei Daniel Blumberg ist es von der intensiven Ballade zum dräuenden | |
> Fiepen nicht weit. Am Sonntag stellt er sein Debütalbum im Roten Salon | |
> vor. | |
Bild: Ein junger Musiker, der schon viel erlebt hat: Daniel Blumberg | |
Dieses Piano, diese Violine, dazu eine Mundharmonika: So entstehen elegisch | |
sehnende Klänge. „Minus“, das Solodebüt des Londoner Musikers [1][Daniel | |
Blumberg], wäre ein nostalgisch anmutendes Songwriterpop-Album voll | |
symphonischer Melodien – wären da nicht die schiefen Fragmente, aus denen | |
tolle Störgeräusch-Kakofonien entstehen. | |
Das Album zitiert sixties-inspirierten Schönklang, den Sound | |
schwelgerischen Westcoast-Pops, der dann aber prompt zerlegt wird. Von der | |
intensiven Ballade zum dräuenden Fiepen ist es bei Blumberg nicht weit. | |
Von 2009 bis 2013 war er Sänger und Gitarrist der Indierockband [2][Yuck], | |
die munter den Sound der neunziger Jahre zitierte: die schrägen Experimente | |
von Pavement, das Emohafte der Smashing Pumpkins und die Lässigkeit von Yo | |
La Tengo – ein Spagat zwischen unterschiedlichsten Indie-Traditionen, der | |
der Band zu Blumbergs Zeiten tatsächlich aber gelang. | |
Hervorgegangen war die Band aus dem Projekt [3][Cajun Dance Party], in das | |
Blumberg schon als Teenager involviert war. In den Schulferien hatte die | |
Band seinerzeit ihr Debüt aufgenommen. Trotz seiner jungen Jahre hatte der | |
1990 geborene Songwriter also schon eine Menge ausprobiert. Zufrieden ist | |
er rückblickend aber nicht. „Ich hasse wirklich alles, was ich vorher | |
gemacht habe“, sagt er, als sein Solodebüt erschien. | |
2013 begann er dann, sich auf eigene Projekte zu konzentrieren. Und die | |
experimentelle Szene des [4][Cafe Oto] zu entdecken. In diesem weit über | |
die Londoner Stadtgrenzen bekannten Kunstraum im Stadtteil Dalston trifft | |
sich die experimentell musizierende Impro-Szene. Zunächst erschienen nach | |
seinem Andocken an dieses Universum ein paar beherzte, wenn auch | |
unausgegorene Stücke unter Alias wie Oupa und Hebronix. | |
## Breite Klangpalette | |
Erstmals veröffentlichte er im Mai dieses Jahres dann unter seinem eigenen | |
Namen. Mit dem von einem zarten Klavier getragenen intimen Songwriting, | |
kontrastiert mit Ausbrüchen freier Improvisation, scheint er seine Form | |
gefunden haben – für eine Weile zumindest. „Minus“ ist ein bemerkenswert… | |
Album, allein wegen der Breite der Klangpalette. | |
Produziert wurde das Album übrigens von Peter Walsh, der über die Jahre eng | |
mit Scott Walker gearbeitet hat. In dessen wechselvoller Laufbahn lagen ja | |
der Schönklang und das radikale Experiment ebenfalls nah beieinander. | |
Darüber mit ihm am Telefon zu reden, erweist sich jedoch als schwierig. | |
Blumberg ist ein vielbeschäftigter Mann, einen Termin zu finden war nicht | |
einfach. Gerade ist er auf dem Weg nach Italien, um dort ein paar Konzerte | |
mit [5][Billy Steiger] zu spielen, dem Violinisten, der auch auf dem Album | |
zu hören ist. | |
Das Telefonat soll stattfinden, als er am Flughafen ein paar freie Minuten | |
hat. Die Verbindung ist wackelig, dauernd stören Lautsprecherdurchsagen und | |
zwischendurch muss er auch noch durch die Passkontrolle. | |
Immerhin kommt auch unter diesen Bedingungen an, wie nachhaltig beglückt er | |
über die Welten ist, die ihm das Cafe Oto eröffnet hat. Dort spielt er | |
regelmäßig: mit dem erwähnten Steiger, aber auch mit Kontrabassist Tom | |
Wheatly und dem Schlagzeuger [6][Jim White], die allesamt ihre | |
Unterschrift auf dem Album hinterlassen haben und so zentral für seinen | |
Sound sind, dass Blumberg ihre Initialen gleich unter seinen Namen auf das | |
Cover drucken ließ. Auch die Cellistin [7][Ute Kanngiesser] ist eine | |
regelmäßige Mitstreiterin. | |
Im Interview klopft er dann Sätze heraus wie: „Fast alle Musik, die ich | |
mache, ist improvisiert. Eigentlich verbringe ich den Großteil meiner Zeit | |
mit Zeichnen.“ Und auch: „Live spielen wir immer ohne Setlist. Ich schätze | |
die musikalischen Stimmen der anderen und möchte schlichtweg darauf | |
antworten.“ | |
Er lässt sein Schaffen beiläufiger klingen, als es vermutlich ist. Auf die | |
Frage, wie denn die emotionale Dichte, das bisweilen große Drama in seine | |
Songs kommt, antwortet er halbironisch: „Vielleicht beeinflusst mich, dass | |
meine Mutter viel Elton John gehört habt, als ich Kind war.“ | |
## Vielfalt des Schmerzes | |
Auf jeden Fall hatte er einiges zu verdauen, als er an dem Album arbeitete: | |
den Verlust eines guten Freundes, das Ende einer langen Beziehung. Zwischen | |
seinem kreativen Output, der Bühnenpersona und dem Menschen Daniel Blumberg | |
scheint es kaum Distanz zu geben. Auf „Minus“ buchstabiert er die Vielfalt | |
des Schmerzes aus und badet im Leid, manchmal auch im Selbstmitleid: „Meine | |
Arbeit ist immer sehr persönlich und verwoben mit dem Rest meines Lebens.“ | |
Besonders das Texteschreiben sei ein fordernder Prozess, mit dem er viel | |
Zeit verbringe. Wie sehr es beim bevorstehenden Auftritt im [8][Roten | |
Salon] um das schmerzdurchtränkte Album gehen wird, steht jedoch auf einem | |
anderen Blatt. Vielleicht werden die Songs von „Minus“ nicht mehr als ein | |
loser Bezugspunkt. | |
Diesmal wird er nämlich mit Elvin Brandhi aka Freya Edmondes auf der Bühne | |
stehen, einer Sängerin, Produzentin und Bildenden Künstlerin. Blumberg hat | |
noch nie zuvor mit ihr gearbeitet, findet einfach ihre Arbeit spannend: | |
Zusammen mit ihrem Vater Mykl Jaxn macht Brandhi unter dem Projektnamen | |
Yeah You krachig-elektronischen Bewusstseinsstrom-Lo-Fi-Pop. „Besonders, | |
was sie mit ihrer Stimme anstellt, fasziniert mich“, erklärt Blumberg. | |
Man darf sich ihn wohl weniger als leidenden jungen Mann vorstellen, auch | |
wenn seine Musik das zu transportieren scheint. Sondern als jemanden, der | |
sich schnell langweilt. Und deshalb seine Hörer mit auf eine ziemlich | |
interessante musikalische Reise nimmt. | |
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz | |
28 Nov 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/DanielBlumbergOfficial/ | |
[2] http://www.yuckband.com/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Cajun_Dance_Party#Weblinks | |
[4] https://www.cafeoto.co.uk/ | |
[5] https://billysteiger.bandcamp.com/ | |
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Jim_White_(Schlagzeuger) | |
[7] http://www.utekanngiesser.com | |
[8] http://www.roter-salon-berlin.de/ | |
## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
## TAGS | |
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